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Lise Vester bei den Bo Bedre Design Awards (Auszeichnung: Designer of the Year 2022)

Design, das den Menschen unterstützt

Lise Vester ist eine junge, aufstrebende Designerin aus Dänemark. In ihrer Arbeit widmet sie sich bevorzugt Lichtobjekten und Design, das eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden der Menschen hat. Ihr Konzept erklärt sie uns im Interview.
18.04.2023

Andrea Mende: Während deines Studiums hast du in einem Hospiz gearbeitet. Hat diese Erfahrung deinen Wunsch gestärkt, Design zu schaffen, das den Menschen unterstützt?

Lise Vester: Die Erfahrung, in einem Hospiz zu arbeiten, hat mich in meinem Wunsch bestärkt, Design zu entwerfen, das die Menschen auf positive Weise beeinflusst und unterstützt. Sowohl auf geistiger als auch auf körperlicher Ebene, indem unsere Sinne und unser Verstand angeregt werden. Im Ankerfjord-Hospiz habe ich gelernt, dass unsere "letzten" Sinne der Tastsinn und das Gehör sind. Deshalb habe ich "Pallium" entwickelt. "Pallium" ist ein flexibles und weiches Klangkissen für die Musiktherapie, um ein Gefühl von Ruhe und Frieden zu kreieren. Das Kissen kann flexibel platziert werden oder von bettlägerigen Patienten um den Hals getragen werden. Parallel ist der motorisierte Stuhl "Pacem" entstanden. Er hilft Menschen mit Behinderungen, sich zu setzen, den Komfort anzupassen und wieder aufzustehen - alles gesteuert durch eine Fernbedienung.

Inwieweit spielt in deiner Arbeit die Interaktion zwischen dem Objekt und den Nutzerinnen eine Rolle?

Lise Vester: Ich achte sehr auf Interaktion und das Erfahren von Design und Materialien. Deshalb ist mein starker Vorsatz, die richtigen Materialien und Formen zu wählen und mich in die Menschen hineinzuversetzen, für die ich entwerfe. Ich lasse mich dabei sehr von Schlichtheit und Kontrasten inspirieren. Entweder bringe ich die Schönheit und Stärke eines einzelnen Materials in einem Entwurf zur Geltung oder ich kombiniere Materialien, Formen und Farben, um ihre individuellen Qualitäten zur Geltung zu bringen, um die Sinne und die Neugierde anzuregen. Es ist wichtig, Design zu entwerfen, das uns so lange wie möglich begleiten kann, aber auch etwas zu entwerfen, das verspielt ist, Charakter oder eine Persönlichkeit hat, was uns dazu bringt, die Qualität des Designs noch mehr zu schätzen.

"Dream view lamp"

Was war dein Ansatz für den Entwurf der "Dream View Collection"?

Lise Vester: Meine Methoden und Überzeugungen konzentrieren sich darauf, wie Design und Architektur die menschliche Gesundheit unterstützen. Obwohl es mit vielen Herausforderungen verbunden ist, als Produkt- und MöbeldesignerIn für eine Welt zu entwerfen, die kein neues Design mehr braucht, strebe ich danach, Designs zu entwerfen, die uns auf mehreren Ebenen unterstützen. Sich mit den geistigen und körperlichen Herausforderungen auseinandersetzen, denen wir in verschiedenen Lebensphasen begegnen, Designs, die auf Forschung basieren und für die Zeit, in der wir leben, relevant sind. Die "Dream View Collection" entstand mitten im pandemischen Lockdown, als ich in London gelebt und dort studiert habe. Während der physischen Gesundheitskrise und des Lockdowns stellte ich bei meinen Recherchen fest, dass auch die psychische Gesundheit der Menschen litt. Daher begann ich zu untersuchen, wie die Menschen während der Krise Trost fanden und ihre psychische Gesundheit aufrechterhielten. In der Zwischenzeit machte ich selbst zum ersten Mal eine Therapie. Ich kombinierte meine Forschungsergebnisse mit den Werkzeugen, die ich in der Therapie gelernt hatte, um eine Art Pool daraus zu entwickeln, der Menschen in einer Krise dabei unterstützen kann, neue Perspektiven auf ihre Gedanken und Gefühle zu gewinnen. Ebenso wie die Werkzeuge, die ich selbst in der kognitiven Verhaltenstherapie gelernt habe, aber in einem mehr gegenständlichen und anregenden Sinn.

Das Designmuseum Danmark hat eine "Dream View Sphere" in ihre Dauerausstellung übernommen. Was kannst du jungen DesignerInnen aus deiner Erfahrung mitgeben?

Lise Vester: Während meines Studiums waren Ausstellungen und Kooperationen ein natürliches Element zur Entwicklung, Gestaltung und Erprobung von Fähigkeiten. Nach meinem Bachelor-Abschluss habe ich diesen Weg verfolgt, um meine eigenen Ausstellungen zu machen und mich mit Unternehmen und Menschen zu treffen, die ich spannend fand und mit denen ich meine Werte und Interessen teilen wollte. Ich denke nicht, dass es eine einzige Ausstellung war, die den Ausschlag gab, aber der Spaß und die harte Arbeit trugen schließlich Früchte. Man weiß nie, wo oder wann man die nächste interessante Bekanntschaft macht, also muss man sich auf den Weg machen.

"Idea generator"

Die neueste Entwicklung ist dein "Idea Generator", dessen Entwicklung Louis Poulsen unterstützt hat. Warum war es reizvoll für dich mit Neonlicht zu arbeiten?

Lise Vester: Licht ist etwas, womit ich wirklich gerne arbeite, weil die Anwesenheit oder Abwesenheit von Licht sofort die Erfahrung, die Stimmung und die Atmosphäre eines Raums oder Ortes beeinflusst. Es gibt den Ton an und steuert unser Verhalten in einer Umgebung. Daher muss es mit großer Intention gestaltet werden. Während der Lichtstudien für eine bevorstehende Ausstellung wurde mir bewusst, dass Neon ein Kunsthandwerk ist. Angetrieben von meiner Neugier für Licht und Handwerk, habe ich einen von noch zwei verbliebenen Neonglasbläsern in Dänemark besucht. Das weiche, transparente und stimmungsvolle Licht, das Neon zu bieten hat, wenn man die Intensität auf niedrigere Stufen dimmt hat mich fasziniert. Mit dieser großen Begeisterung habe ich den Kontakt zu Louis Poulsen aufgenommen. Glücklicherweise waren sie an meiner Designinstallation interessiert und auch neugierig auf das räumliche und sinnliche Lichterlebnis von Neon.

Du entwirfst auch Möbel und Objekte, darunter den "Munin Rocking Chair" für Farstrup Furniture oder den Tisch "Keel" für Erik Jørgensen. Auffällig sind dabei die abgerundeten Kanten, die trotz ihrer organischen Form eine Klarheit ausstrahlen. Beschreibt das deine Handschrift?

Lise Vester: Da ich mir der Präsenz und Wirkung eines Designs bewusst bin, spiele ich gerne mit organischen Formen, die eine angenehme Atmosphäre schaffen und das Design auch für den menschlichen Körper und die Sinne ansprechend machen. Es geht nicht um zufällige organische Formen, sondern um Rhythmus oder skulpturale Verspieltheit. Die meisten Gebäude und Räume sind quadratisch. Wie wir also unsere Wohnungen oder Büros dekorieren, verstärkt entweder das strenge, konstruierte Gefühl der Atmosphäre oder macht sie natürlicher, weicher und angenehmer, wenn wir ihr skulpturale Elemente hinzufügen. Oft arbeite ich gerne in einem Bereich, der sowohl organische als auch strenge Linien aufweist, um den Prozess interessanter zu machen.

"Dream view chair"
"Dream view sphere"
"Dream view lamp"

Wie wichtig ist dir der Aspekt der Nachhaltigkeit bei deiner Arbeit? Wo ist es gut lösbar für dich als Designerin, wo siehst du noch Verbesserungsmöglichkeiten?

Lise Vester: Meine größte Stärke als Designerin ist es, mit Einfühlungsvermögen für die Menschen zu entwerfen und danach zu streben, ein besseres Alltagsleben und Erfahrungen zu schaffen, die unsere Lebensqualität verbessern, im besten Fall unsere Gesundheit. Wenn Design den Menschen helfen kann, glücklicher zu sein und ein erfüllteres Leben zu führen, glaube ich, dass Design ein Katalysator ist, um ein besseres Leben zu führen und bessere Entscheidungen zu treffen – darin liegt für mich der nachhaltige Aspekt. Ebenso scheue ich nicht davor, mit den Eigenschaften und Grenzen verschiedener Materialien zu experimentieren. Deshalb entwerfe ich manchmal, wie bei dem Neon-Kronleuchter, Designerlebnisse, die materialtechnisch nicht nachhaltig sind. Aber ich versuche immer, verantwortungsbewusst damit umzugehen, wie das Objekt repariert werden kann, wenn es kaputt geht, oder wie man die verschiedenen Materialien und Elemente des Designs ummantelt und demontiert, damit es sich gut recyceln lässt. Aber ich sehe, dass ich mich noch verbessern kann, indem ich mutiger neue nachhaltige Materialien verwende, die Werkstoffe mit einem hohen Kohlenstoff-Fußabdruck ersetzen können. Meiner Erfahrung nach dauert es jedoch immer einige Zeit, bis neue Materialien akzeptiert werden und ihren rechtmäßigen Platz auf dem Markt einnehmen, sowohl aus Sicht der NutzerInnen als auch der HerstellerInnen.

An welchem Projekt arbeitest du gerade?

Lise Vester: Zurzeit arbeite ich mit einigen dänischen Unternehmen zusammen, um neue spannende Produkte zu entwerfen und auf den Markt zu bringen. Aber ich experimentiere auch und entwickle einige neue Licht- und Raumerlebnisse, die ich "Reflective Designs" nenne. Ich hoffe, dass ich diese Experimente während der 3daysofdesign im Juni 2023 in Kopenhagen ausstellen kann.

Lise Vester Studio