top
Pierre und Antoine Roset (v.l.n.r.)

Von einer Generation zur nächsten

Ligne Roset ist eine der größten und bekanntesten Marken in der Möbel- und Designbranche. Das Familienunternehmen präsentierte kürzlich seine neuesten Innovationen im renommierten Palais de Tokyo in Paris. Stylepark war vor Ort und traf zwei Generationen zum Interview, Pierre und Antoine Roset, Vater und Sohn.
29.06.2022

Robert Volhard: Pierre und Antoine, wir freuen uns, euch in einem außergewöhnlichen Gebäude zu treffen, dem Palais de Tokyo. Ein Ort, an dem nur die besten Marken, KünstlerInnen und DesignerInnen ausstellen. Antoine, du hast vor einiger Zeit das Marketing für Ligne Roset übernommen. Ist die Ausstellung ein Vorgeschmack auf das, was du für Ligne Roset in den nächsten Jahren planst?

Antoine Roset: Wir wissen nicht, wie lange wir im Palais de Tokyo bleiben werden, aber uns gefällt es hier. Es ist eine Partnerschaft, die wir vor zwei Jahren begonnen haben. Letztes Jahr war allerdings in dieser Hinsicht ein kurzes Jahr, denn alles war ausschließlich digital möglich. Covid19 hat uns auch die Chance gegeben, unsere Arbeitsweise zu ändern. Wir haben jahrelang, ja jahrzehntelang, in diesem analogen System gearbeitet, und ehrlich gesagt, waren wir damit zufrieden. Aber nachdem das System plötzlich nicht mehr funktionierte, mussten wir etwas Neues ausprobieren.

Pierre Roset: Der Ort hier ist ganz anders als ein Messestand. Zunächst einmal ist der Palais de Tokyo als Museum für moderne Kunst bekannt. Und dann sind wir in Paris. Auch wenn die Ausstellungsfläche so groß ist wie in Köln, 800 oder 850 Quadratmeter, herrscht hier eine andere Atmosphäre, es gibt natürliches Licht und frische Luft.

Estelle Marandon: Die Marke Ligne Roset ist weiterhin familiengeführt. Pierre, ist die vierte Generation, Antoine die fünfte. Wie bewältigt ihr die Aufgaben innerhalb der Familie?

Pierre Roset: Antoine und sein Cousin Olivier haben unterschiedliche Aufgaben und sind auf ihre Bereiche spezialisiert. Olivier ist für die Finanzen und die Produktion zuständig, Antoine für das Marketing und die Produkte. Was meinen Bruder und mich betrifft, so ist Michel nach wie vor für die Kollektion und die Kommunikation mit den DesignerInnen zuständig, da er sich in diesem Bereich sehr gut auskennt. Und ich bin für eine ganze Reihe von Programmen verantwortlich, im Moment arbeite ich an der Gründung einer Schule für NäherInnen und PolstererInnen.

Antoine Roset: Olivier und ich haben das gesamte operative Management übernommen. Den Markt, die Strategie und den Produktionsteil. Wir tauschen ständig Ideen miteinander aus, das ist unsere große Stärke. Aber es gibt auch den CEO und den Präsidenten. Es ist nicht unsere Aufgabe, heute alle Entscheidungen allein zu treffen. Wir befinden uns in einer Zeit des Wandels. Es ist wichtig für uns, dass wir unsere Väter weiterhin an Bord haben, das hilft uns sehr. Wir befinden uns noch in einer Phase, in der man in gewisser Weise nie aufhört zu lernen.

Im Gespräch: Estelle Marandon, Pierre Roset, Antoine Roset, Robert Volhard (v.l.n.r.)

Estelle Marandon: Wie können wir uns eure Gespräche vorstellen? Ist es einfach, als Familie zusammenzuarbeiten?

Antoine Roset: Die meiste Zeit, ja. Manchmal gibt es Probleme, wie beim Thema Pensionierung (lächelt seinen Vater an), aber unsere Kommunikation ist offen. Wir sind diejenigen, die darauf drängen, die Dinge zu ändern. Unsere Väter sind schon seit 40 Jahren oder mehr dabei. Für sie ist alles einfach, sie drücken einen Knopf, es ist alles Routine. Wir fordern sie heraus. Und wenn man herausfordert, muss man akzeptieren, dass es Reibungen gibt, wir können nicht immer einer Meinung sein.

Pierre Roset: Aber ich muss zugeben, dass ich 74 Jahre alt bin und dass man in meinem Alter nicht mehr mit allem mithalten kann. Es gibt neue Wege und Lösungen. Die Produktion ist heute so spezialisiert, dass wir Maschinen haben deren Kosten zwischen 200.000 und fast 1 Million Euro liegen. Für mich ist es schwierig zu verstehen, wie sich diese Investition auszahlt.

Robert Volhard: Soll das Unternehmen in Familienhand bleiben?

Antoine Roset: Mein Großvater war Präsident und CEO und hat das Unternehmen an seine beiden Söhne weitergegeben. Mein Cousin und ich bringen unser Fachwissen dazu, ich für den kommerziellen und Olivier für den finanziellen Teil. Aber Olivier und ich werden in Zukunft auf jeden Fall ein System entwickeln. Für uns ist es wichtig, jemanden zu haben, der in der Lage ist, das Unternehmen zu leiten und es in die Zukunft zu führen. Das Unternehmen wird in Familienbesitz bleiben, aber die Leitung kann bei Bedarf auch von jemand anderem übernommen werden.

Robert Volhard: Ligne Roset ist dafür bekannt, sowohl mit etablierten DesignerInnen als auch mit JungdesignerInnen zusammenarbeiten. Das ist in gewisser Weise die DNA des Unternehmens. Es geht nicht nur um die Auswahl, sondern darum, der kreativen Persönlichkeit die Freiheit, das Wissen und die Werkzeuge zu geben, um das Produkt zu entwickeln, das für dessen Designsprache, aber auch für Ligne Roset steht. Ich denke, das sind die größten Aufgaben, die Sie zu bewältigen haben. Antoine, was sind deine Pläne in dieser Hinsicht?

Antoine Roset: Michel zeigt uns, wie er arbeitet, und wir lernen jeden Tag von ihm. Er bezieht uns in die Prozesse mit ein, wie in die Produktauswahl. Wenn wir irgendwann merken, dass Olivier und ich nicht in der Lage sind, diese Rolle richtig auszufüllen, können wir jederzeit einen künstlerischen Leiter ernennen. Das Gute daran ist, dass Ligne Roset in der Designbranche großes Vertrauen genießt.

Pierre Roset: Meiner Meinung nach muss die Beziehung zu den DesignerInnen immer von der Spitze des Managements geleitet werden. Wir haben viele IngenieurInnen, die im Werk arbeiten und fragen: "Warum macht ihr alles so kompliziert? Wir können das Problem leicht lösen, indem wir dieses und jenes verwenden, es wäre einfacher diese Farbe zu vermeiden, warum müssen wir sie verwenden?" Nur der Chef kann sagen: "Das ist so, weil ich es so will, das ist mein Entwurf, Ende der Diskussion." Das ist der Anfang der Geschichte.

Robert Volhard: Wir von Stylepark sind große Pierre Paulin-Fans. Seine Entwürfe sind Teil der Kollektion von Ligne Roset, ihr betreut quasi sein Erbe. Was sind eure Pläne, um dieses fortzuführen? Es gibt sicherlich noch viel zu zeigen.

Pierre Roset: Pierre Paulin und mein Bruder kannten sich gut, leider ist Pierre Paulin mittlerweile verstorben. Jetzt verwalten sein Sohn und seine Frau das Erbe der Marke Paulin. Die Beziehung zu Pierre Paulin war sehr klar, denn er hatte sich bewusst für die Zusammenarbeit mit uns entschieden.

Antoine Roset: Wir sind der erste Produzent seiner Werke, was uns die Möglichkeit gibt, seine Ideen und sein Erbe wieder auf den Markt zu bringen. Wir arbeiten weiterhin mit der Familie Paulin zusammen, und wir werden sicherlich noch neue Produkte auf den Markt bringen. Wenn nicht nächstes Jahr, dann im übernächsten Jahr. Das Werk von Pierre Paulin ist glücklicherweise sehr umfangreich.

Estelle Marandon: Ihr habt ein neues Projekt namens "Ligne Roset (re)" ins Leben gerufen, bei dem es um Up- und Recycling geht. Wie genau funktioniert das?

Antoine Roset: In Frankreich können die KundInnen ihre alten Togos zurückgeben und erhalten dafür einen Gutschein für den Kauf eines neuen. Wenn wir den neuen Togos liefern, nehmen wir den alten mit, um ihn ordnungsgemäß zu recyceln, oder wir polstern die Struktur neu, wenn sie in gutem Zustand ist, mit einem Bezug aus PET-Gewebe. Das überarbeitete Sofa bieten wir dann über die Webseite von Ligne Roset (re) zu einem sehr guten Preis an, etwa 40 Prozent unter dem Einzelhandelspreis - weil es gebraucht ist, aber mit einer Herstellergarantie. Wir hoffen, dass wir bald ein ähnliches Modell in anderen Ländern entwickeln können.

Estelle Marandon: Warum gibt es das nicht für andere Roset-Produkte?

Antoine Roset: Mit Togo ist es machbar, weil man es leicht transportieren kann. Für alles andere wären die Kosten zu hoch, und das Geschäft würde sich vermutlich binnen sechs Monaten nicht mehr rentieren.

Estelle Marandon: Ist dies auch eine Möglichkeit, dem großen Secondhand-Handel mit "Togo" entgegenzuwirken?

Antoine Roset: Echte Vintage-Produkte sind für uns völlig in Ordnung. Ein Produkt, das man nicht verändert, das verwendet worden ist und das man anschließend verkauft. Was uns nicht gefällt, ist der Second-Hand-Markt, der sich um das Produkt herum gebildet hat, insbesondere um Togo. Das ist ein großes Problem, denn manche Leute nehmen den alten Togo, ändern den Bezug und entwickeln daraus ein Geschäftsmodell. Die Kundinnen erhalten somit kein Ligne Roset Produkt mehr. Wenn Sie einen BMW kaufen, ihn zur Autowerkstatt bringen und diese baut einen völlig anderen Motor ein, ist es dann noch ein BMW?

Robert Volhard: Ihr befindet euch in der außergewöhnlichen Situation, in der jeder Hersteller sein möchte - es gibt sehr lange Wartelisten für eure Produkte, ähnlich wie in der Autoindustrie. Könnt ihr erklären, woher die langen Lieferzeiten von etwa 14 Monaten kommen und gibt es eine Möglichkeit sie zu vermeiden?

Antoine Roset: Dank Covid hatten wir vor 18 Monaten einen enormen Anstieg bei den Bestsellern, sie haben unsere Produktion bestimmt. Auf dem Markt gibt es eine Verzögerung von etwa acht Monaten. Wir liegen ein bisschen darüber, aber in Bezug auf die Produktionszeit. Nicht zu verwechseln mit der Verkaufszeit, die mit dem Geschäft zusammenhängt. Hier liegen wir bei acht bis neun Monaten, manchmal vielleicht auch zehn. Um zu lange Verzögerungen zu vermeiden, haben wir den EinzelhändlerInnen gesagt, dass sie Bestellungen für die Bestseller-Produkte auf Lager halten sollen, bei denen wir anbieten, die Materialien zu ändern. Das bedeutet, dass der Stoff und die Farben vier Monate, bevor die Produkte die Fabrik verlassen, bestellt werden müssen. Wenn also ein Produkt vor sechs Monaten auf Lager genommen wurde, ist es möglich den Bezug und den Stoff ändern, und der Fälligkeitszeitpunkt würde dann nur sechs Monate betragen.

Robert Volhard: Für andere Branchen hatte die Pandemie negative Auswirkungen. Für Ligne Roset hatte sie eher einen beschleunigenden Effekt. Wie erklärt ihr euch das?

Antoine Roset: Wir sind ein Teil der Freizeitindustrie. Früher waren wir die letzte Anlaufstelle, wenn man über eine Anschaffung nachgedacht hat. Der Kauf eines neuen Sofas oder eines neuen Teppichs hatte keine Eile. Die Leute zogen es vor, auf die Bahamas zu fliegen, in ein Restaurant oder ins Theater zu gehen. Das hat sich nun geändert, denn während der Pandemie waren wir gezwungen, zu Hause zu bleiben, wir konnten nicht reisen. Also waren wir plötzlich die ersten und einzigen, die investierten.

Estelle Marandon: Ihr habt erzählt, dass Ligne Roset vor kurzem ein Ausbildungszentrum für PolstererInnen eröffnet hat. Wie kam es zu dieser Entscheidung und was ist eure Motivation dahinter?

Pierre Roset: Wenn man sich anschaut, wie man eine gute Tapeziererin/ ein guter Tapezierer wird, braucht man mindestens ein Jahr, für eine Näherin oder einen Näher mindestens sechs Monate. Das ist also einer der ersten Gründe dafür.

Antoine Roset: Pierre und Michel haben es geschafft, die MitarbeiterInnen über einen sehr langen Zeitraum zu halten. Aber das Problem ist, dass, wenn man ein Team hat, das so lange bei einem bleibt, oft alle zur gleichen Zeit in Rente gehen. Das andere Problem ist die Produktivität. Wenn man jemanden neu einstellt, liegt seine Produktivität bei 20 Prozent, maximal 30 Prozent für ein Jahr, was schwierig ist, und dann nimmt man die besten MitarbeiterInnen, um dem Neuzugang beim Wachstum zu helfen, und senkt dessen Produktivität somit auf 70 Prozent. Im Ausbildungszentrum erlangt das neue Personal seine Fähigkeiten innerhalb von sechs Monaten. Wenn die MitarbeiterInnen im Unternehmen ankommen, liegt ihre Produktivität dann schon bei 50 bis 60 Prozent. Wir haben also eine Menge Zeit gewonnen, und das Team ist auch in der Lage, etwas zu reproduzieren, weil sie am Produkt geschult wurden.

Robert Volhard: Ligne Roset wurde 1860 gegründet, die fünfte Generation steht kurz vor der Übernahme. Was ist eure Vision für die nächsten zehn Jahre?

Pierre Roset: Ein sehr guter Golfer zu werden. Mit einem Handicap unter zehn. (lacht)

Antoine Roset: An meinem Handicap werde ich etwas später arbeiten (lacht). Für Olivier und mich geht es darum, den Generationswechsel durchzuführen und das Unternehmen weiter aufzubauen, das Michel und Pierre gegründet haben. Das Erbe meines Großvaters fortzuführen und weiterhin zu den führenden Designunternehmen in der Möbelbranche zu gehören. Heute sind wir für 850 MitarbeiterInnen verantwortlich. Es liegt in unserer Verantwortung, dieses Unternehmen profitabel zu machen und zu wachsen.

Pierre Roset: Und den großen Fehler zu vermeiden.

Robert Volhard: Was konnte dieser sein?

Antoine Roset: Zu schnell wachsen zu wollen und Investoren ins Boot zu holen. Denn an dem Tag, an dem die Investoren verkaufen wollen, verliert man die Kontrolle über sein Unternehmen. Wir sind ein Familienunternehmen und haben zu hundert Prozent die Kontrolle über die Kreativität, die Qualität der Produkte und die Auswahl der DesignerInnen. Wenn wir heute einen Fehler machen, müssen wir damit umgehen, aber dann machen wir weiter. Die Öffnung unserer Beteiligung wird unsere letzte Lösung sein.

Showcase at the Palais de Tokyo

Produkte