Die Euroluce demonstrierte, wie sich Licht- und Leuchtenmacher im elektronischen Zeitalter behaupten
Im Verhältnis zu den zahllosen Events auf dem Messegelände Rho und de Fuorisalone, die ausgedehnte Reisen durch die Mailänder Stadtlandschaft erfordern, scheint das Thema Licht im Grunde eine überschaubare Angelegenheit. Die Euroluce mit ihren 475 Ausstellern auf 38.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche bestand aus gerade einmal vier Hallen (9/11 und 13/15), von denen jeweils zwei ineinander übergingen. Hier galten ähnliche Prinzipien wie für Hotels in bester Strandlage. Je näher sich ein Stand am Messeboulevard „Corso Italia Ovest“ befand, desto größer war er und umso bedeutender war das Angebot. Auch die Bereitschaft, jenes Design zu pflegen, das selbst für dekorative Leuchten inhaltliche oder technische Neuerungen aufbietet, die über bloßes Styling hinausgehen, war hier gelegentlich zu finden. Doch je weiter abgelegen in der Halle sich die Stände befanden, desto eigentümlicher fielen Warenmischung und -Präsentation aus. Und nur wenige Ausnahmen bestätigten diese Regel.
Clubatmosphäre
Tatsächlich blitzte Licht überall auf, wo ausgestellt, präsentiert und inszeniert wurde – mal als Gegenstand, mal als Mittel zum Zweck eingesetzt. Es versetzte die Besucher der Installation „Favilla“ von Attilio Stocchi an der Piazza San Fidele in Erstaunen, die aus Anlass des von der Unesco ausgerufenen „Jahr des Lichts“ die begehbare „Black Box“ im Stadtraum besichtigten. Es fand sich bei Tom Dixons angesagter Eventlocation, die im zeitgeistigen „Shabby-Look“ präsentiert wurde und ursprünglich 1933 bis 1937 vom Architekt Mario Cereghini für die faschistische Jugendorganisation „Balilla“ entworfen wurde. Den Besuchern als „früheres Schulgebäude“ präsentiert, sorgte das Licht hier erst für die richtige Stimmung – zum Beispiel mit den Leuchten „Melt“, entworfen von der schwedischen Gruppe Front in Zusammenarbeit mit Tom Dixon. Im ehemaligen Kino des Gebäudes zauberten sie eine schaurig-schummerige Clubatmosphäre. Wie alle seine Neuheiten wurden sie nicht als „Prototyp auf einem Sockel“ vorgestellt, wie Dixon erläuterte, sondern als Objekt, das ab sofort im Handel erhältlich ist. Wer sich spontan zum Kauf entschied, konnte sich Accessoires, Möbel und eben auch Leuchten kostenfrei innerhalb Europas zustellen lassen.
Lichtwandel
Hersteller technischer Leuchten haben neue Lichttechniken längst für sich adaptiert. Sie passten ihre Kollektion an und nutzten die Möglichkeiten verbesserter Leuchtdioden. Deutlich schwerer taten sich zuletzt die in Mailand traditionell dominierenden Produzenten dekorativer Leuchten. Ihre Produkte, teilweise Ikonen der Designgeschichte, können in vielen Fällen nur mühsam angepasst werden, um statt mit traditionellen Leuchtmitteln wie Glüh- und Halogenbirne nun ebenfalls im Schimmer der Leuchtdiode zu erstrahlen. Nicht immer gelingt eine solche Operation. Unentschieden wirkten so zuletzt etwa die Produkte und Präsentationen von Flos.
Ganz anders als bei der diesjährigen Euroluce, wo Designer Ron Gilad den 1000 Quadratmeter großen Stand mit einem „White Cube“ inszenierte, der an ein Kunstmuseum erinnerte. Die Leuchten sorgten nicht nur für gute Sehverhältnisse, sie waren zugleich Gegenstand der Betrachtung. Dezent nahm sich dagegen das Firmenlogo aus, das zentriert über dem höhlenartigen Eingang angebracht wurde. Die bislang üblichen Kabinette und Boxen ließ Gilad in einem fließenden Raum aufgehen. Allein Betriebsamkeit, Lautstärke und Hitze, die sich bald schon ausbreiteten, machten spürbar, dass man sich keineswegs im Museum, sondern inmitten der Messe befand. Bemerkbar machte sich, dass mit Investindustrial, seit 2014 ein neuer Mehrheitseigner, die Visionen von Firmenchef Piero Gandini weitergetragen werden.
Transluzente Scheibe
Die Stehleuchte „Superloon“ von Jasper Morrison ist eines der neuen Produkte, an dem dies deutlich wird – sie nutzt eine ringförmige LED-Seitenbeleuchtung und ist damit nicht die einzige. Artemide nutzt eine vergleichbare Technik: Unter dem Namen „Discovery“ lancierte sie eine ganze Leuchtenfamilie, Firmenchef Ernesto Gismondi entworfen hat. Deren Thema könnte Entmaterialisierung lauten, denn die dünne Acryl-Scheibe bleibt bei ausgeschaltetem Licht durchsichtig. Werden die seitlich verdeckt angebrachten Leuchtdioden aktiviert, dient die Scheibe zur Lichtstreuung.
Im Gegensatz zu anderen Herstellern nutzt Morrison dieses Prinzip auf einzigartige Weise. Seine große LED-Lichtscheibe hat besonders schmale Kanten. Montiert auf ein stabiles und zugleich graziles Dreibeingestell, ermöglicht eine gyroskopische Befestigung die Verstellbarkeit der Leuchte um 360 Grad, ihr warm getöntes Licht ist dabei dimmbar. Je nach Einstellung dient es als Haupt-Lichtquelle im Raum oder setzt lediglich einzelne Akzente. „Superloon“ erweist sich als minimalistischer und würdiger Abkömmling jener Schirmleuchte, die der spanisch-italienische Künstler Mariano Fortuny 1907 entwarf und die Palluco seit den 1980er Jahren unter dessen Namen anbietet.
Auf der Messe präsentiert Flos viele weitere neue Programme, davon einige, die zum Bestandteil der Architektur werden. Hinzu kommen Patricia Urquiolas „Serena“, eine Hänge-, Steh- und Tischleuchte mit Reflektoren, unter anderem in den Ausführungen Gold, Kupfer und Aluminium. Die Gebrüder Ronan und Erwan Bouroullec stellten ihre „Luce Verticale“ vor, eine LED-Hängeleuchte mit nahezu unbegrenzter Länge und mundgeblasenem Glaskörper.
Formen der Tradition
Hersteller wie Italamp, Barovier & Toso oder Lasvit standen für eine andere Art von Beleuchtung. Sie statten private Luxusimmobilien, riesige Hotelhallen oder Modeshops mit ihren spektakulären Objekten aus, die zum Teil als Sonderlösungen für einen spezifischen Ort gefertigt werden. Doch auch Serienprodukte gehören zum Angebot. Bei Italamp verbindet Marco Piva mit seiner raumgreifenden glockenförmigen Leuchte „Crowns“ Jahrhunderte alte Glasbläsertradition mit aktueller LED-Technik. Für Barovier & Toso, ein Traditionsunternehmen aus Murano, dessen Wurzeln sich bis ins Jahr 1295 zurückverfolgen lassen, entwarf Marcel Wanders die Leuchte „Perseus“, eine „Mischung aus Bewegung und explosivem Arrangement“, wie er sagt, die mit farbigen Glaskörpern die Tradition des Kronleuchters aufnimmt und auf neue Weise fortführt. Ähnliches gelingt den Brüdern Fernando und Humberto Campana beim tschechischen Unternehmen Lasvit. Ihre Leuchte „Candy“ ist bunt und ein wenig verstörend – sie erinnert an brasilianische Süßigkeiten, die die beiden als Kinder genießen durften. Und wie das Vorbild ist „Candy“ verführerisch, bewusst vordergründig gestaltet und nicht ganz frei von visuellen Nebenwirkungen im privaten Ambiente.
Nützlich für zu Hause
Zurück vom Formexperiment zu Innovation und Technik sowie zu den Anwendungen für vergleichsweise normale Sphären der Wohnausstattung: Luceplan stellte erneut seine spezifische Mischung aus Fantasie und Forschungsgeist unter Beweis. Da wurde zum Beispiel die Leuchte „Mesh“ präsentiert, mit der Francisco Gomez Paz seine Suche nach einer neuen Gestalt fürs LED-Licht fortsetzt. „Mesh“ besteht aus vielen vernetzten Dioden, die einzeln oder in Gruppen angesteuert werden können. Eine App für das Smartphone und Tablet soll wahlweise zur spielerischen oder gezielten Steuerung dienen.
„Cappuccina“ von Inga Sempé variiert dagegen ganz pragmatisch das Thema des beweglichen Lampenschirms auf einer opaken LED-Lichtquelle. Die dekorativen Bezüge der jeweiligen Schirme sind dabei von besonderer Bedeutung. Odile Decq verweist mit ihrer ausbalancierten Leuchte „Soleil-noir“ auf das bekannte Chanson „Le Soleil et la lune“ von Charles Trenet aus den 1930er Jahren, das in Frankreich bis heute höchst populär ist. Die LED-Lichtquelle ist mit einer Scheibe abgedeckt, was für eine spezielle Stimmung sorgt. Daniel Rybakken hat den Lüster abgerüstet. Mit „Stochastic“ betont er im Gegensatz zum traditionell symmetrisch geformten Kronleuchter eine scheinbar zufallsgenerierte Form der Lichtverteilung. Inmitten eines Bündels aus verspiegelten oder opaken Glaskugeln ist eine LED-Lichtquelle versteckt, die warmes Licht nach oben und unten ausstrahlt.
Wieder zu entdecken ist das Werk von Bernard Schottlander. Der 1924 in Mainz geborene Künstler musste 1939 nach Leeds emigrieren, wurde zunächst Schweißer und später Bildhauer. Zu seinem Werk als Designer, das 2007, acht Jahre nach seinem Tod, in einer Retrospektive des „Henry Moore Institutes“ gezeigt wurde, gehört eine Serie von Lampen, die unter der Bezeichnung „Mantis“ von DCW neu aufgelegt wurde. Dieses Jahr kamen neue Varianten hinzu. „Mantis“ erinnert auch an Entwürfe von Serge Mouille, die jedoch erst einige Jahre später entstanden.
Farbwiedergabe entscheidet
Auf der Suche nach einem funktionalen und zugleich spielerischen Umgang mit Licht beweisen sich Ingo Maurer und Mario Nanni. Mauer musste in diesem Jahr auf Installationen im Spazio Krizia verzichten, da der Showroom des Modeunternehmens derzeit renoviert wird. Stattdessen präsentierte er Neuheiten und Weiterführungen seiner Produkte ausschließlich auf der Messe. Beeindruckend ist „Oh LED One“, die erste serienmäßige OLED-Tischleuchte mit einer garantierten Nutzungsdauer von 15000 Stunden und Modulen des Herstellers LG Chem. Die Leuchte kostet unter 1000 Euro – Haltbarkeit und Preis sind für ein Produkt dieser Art außergewöhnlich. Ob Arbeits- oder Stehleuchte „Bastardo“ (Ingo Maurer mit Bernd Dessecker) oder die neue Comic-Leuchte „What We Do Counts“ – stets verwendet Maurer LEDs, die über eine besonders gute Farbwiedergabe verfügen. Die per CRI (Color Resolution Index) angegebene Qualität ist keine Nebensache. Dennoch scheint es den meisten Leuchtenanbietern zu genügen, einen Mindestwert von 80 zu erreichen (das entspricht 80 Prozent Annäherung ans Tageslicht); Maurer und einige andere setzen dagegen auf mindestens 90 Prozent, erreichen jedoch oftmals sogar höhere Werte.
Zu ihnen gehört auch der italienische Lichtpoet und Daniel Düsentrieb Mario Nanni. In großzügigen Showroom seiner Firma Viabizzuno in der Via Solferino stellte er anlässlich der Messe eine neue, modular konstruierte Birne namens „n55“ vor. Sie besteht aus einem Lüftungselement, einem selbstlaufenden Gebläse sowie einer auswechselbaren LED-Komponente, die einen CRI-Wert von 98 erreicht und deren Rottöne optimiert sind. Das dritte Element der „n55“ sind austauschbare Glaskörper in verschiedenen Formen und Größen, für deren Gestaltung sich neben Mario Nanni David Chipperfield, Kengo Kuma, Winy Maas und Peter Zumthor verantwortlich zeichnen. Noch wirken die Glühbirnen-Nachfolger sehr voluminös. Doch auch daran dürfte Nanni bereits arbeiten.
„Energieeinsparung ohne gute Lichtqualität“ zu erreichen, das sei einfach, sagte Nanni. Nun sei es an der Zeit, Energieeinsparung mit sehr gutem Licht zu verbinden. Die Beleuchtung in der hochkarätigen Mailänder Shopping-Straße Via Montenapoleone etwa sei noch nie so schlecht gewesen wie heute, beklagte der Designer. „Das Licht ist viel zu grün“. Abhilfe schaffen könnte eine Beleuchtung mit höheren CRI-Werten. Als einen persönlichen Beitrag zur Expo, die dieses Jahr unter dem Motto „Energia per la vita“ (Energie für das Leben) steht, stellte er seine „Solis Silos“ aus, die aus riesigen begehbaren Stahlgehäusen bestehen. Das Licht, das in den Silos einfangen wurde, verweist auf seine elementare Bedeutung im Hinblick auf Landwirtschaft und die daraus gewonnenen Nahrungsmittel. Licht als Abkömmling des Feuers, Licht, das uns alle ernährt: Bei Mario Nanni kann man es mit allen Sinnen erleben.
- Licht macht Stimmung: „Melt“ von der schwedischen Gruppe Front für Tom Dixon. Foto © Thomas Edelmann
- „Superloon“ von Jasper Morrison für Flos wird von seitlichen LED-Dioden erhellt. Foto © Thomas Edelmann
- Wiederentdeckt: Bernard Schottlanders „Mantis“, von DCW neu aufgelegt. Foto © Sarah Böttger
- Installation im Showroom von Italamp.
Foto © Sarah Böttger - „Mischung aus Bewegung und explosivem Arrangement“, so Marcel Wanders über „Perseus“ für Barovier & Toso. Foto © Thomas Edelmann
- „Candy“ von den Brüdern Fernando und Humberto Campana für Lasvit ist bunt und ein wenig verstörend. Foto © Thomas Edelmann
- „Mesh“ von Francisco Gomez Paz für Luceplan besteht aus vielen vernetzten Dioden. Foto © Barbara Wildung, Stylepark
- Mit „Stochastic“ hat Daniel Rybakken für Luceplan hat den Lüster abgerüstet. Photo © Thomas Edelmann
- Odile Decq verweist mit „Soleil-noir“ auf das bekannte Chanson „Le Soleil et la lune“ von Charles Trenet. Foto © Thomas Edelmann
- Im Showroom von Nemo gab es die Schau „La Luce” zu bewundern, die Le Corbusier und Charlotte Perriand gewidmet ist – und noch bis zum 10. Mai läuft. Foto © Thomas Edelmann
- Neue LED-Comic-Leuchte „What We Do Counts“ von Ingo Maurer, die über eine besonders gute Farbwiedergabe verfügt.
Foto © Sarah Böttger - Beeindruckend: Ingo Maurers „Oh LED One“ ist die erste serienmäßige OLED-Tischleuchte mit einer Nutzungsdauer von 15000 Stunden.
Foto © Thomas Edelmann - Auch mit LEDs arbeitet Raimond Puts für seine „Raimond Tensegrity Floor Lamp” für Moooi. Foto © Thomas Edelmann
- Mario Nanni von Viabizzuno inszenierte in der Via Solferino „Solis Silos“, um auf die Bedeutung von Licht hinsichtlich Landwirtschaft und Nahrungsmittel hinzuweisen. Foto © Thomas Edelmann