Noch bis zum 5. April 2009 zeigt der Kölnische Kunstverein eine Ausstellung, deren Besuch vielleicht einer der lohnendsten Ausflüge sein könnte, die man als Gestalter oder Fan von Dingen, die auf irgendeine Art mit Schönheit - und sei diese auch gebrochen, verdreht oder sonst wie getarnt - zu tun haben, machen kann. In Köln erhält man einen Einblick in die flirrende Schönheit, die ein belgisches Schallplattenlabel bis heute weitgehend unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts erschuf.
„Les Disques du Crépuscule" veröffentlichte unterkühlte New Wave Songs neben schwelgerischen Lyrikaufnahmen, zuckersüsse Popstücke neben minimalen Kompositionen von Gavin Bryars oder Wim Mertens oder widmete gesamte Compilations dem Werk von Margerite Duras, um danach wieder nach der Hitparade zu schielen. Kurz gesagt, man bewies Stil. Und dieser Stil, dieses eigensinnige Beharren auf Verfeinerung und Inszenierung, erstreckte sich auf das gesamte Erscheinungsbild des Labels. Chefdesigner Benoît Hennebert erschuf ein visuelles Universum fein ausgewählter Versatzstücke, verortet irgendwo zwischen eleganten Jazz-Plattencovern der Fünfziger und weltumspannende Abenteuer beschwörenden Filmplakaten.
Man konnte und kann mit einer Crépuscule-Schallplatte der gewöhnlichen Welt eine Spur Schönheit hinzufügen, die alles für einen Moment ein ganz kleines bisschen „Larger-than-Life" werden lässt: Die Sonne, die dann für einen Augenblick in die winzige Wohnung blitzt, wird goldener und filmischer, der volle Aschenbecher wird zum Zeichen tiefer Gedankengänge und vielleicht sollte man mal wieder schön Essen gehen, irgendwo am Meer am besten, wann geht der nächste Flieger?
Mit der richtigen Crépuscule-Platte wurde jede Hütte zum Palast, und genau da saß auch das spannende Potenzial dieser Ästhetik. Die wunderschönen reduzierten Grafiken, die ein kosmopolitisches Leben heraufbeschwörenden Fotografien und die elegante Typografie Benoît Henneberts kamen nicht aus der Welt des Überflusses. Reichtum und Dekadenz waren völlig außer Sichtweite, es war eine trotzige Schönheit, die sich da aus einer verschachtelten Brüsseler Boheme den Weg ans Tageslicht grub.
Eine Schönheit, nach der es sich auch heute noch zu suchen lohnt, und die vielleicht nach sonnengewärmten Fliesen, feinem Holz, einem winzigen Hauch Tabak und einer sanften Frühlingsbrise riecht, vielleicht auch nach Dreck, Abgasen, Teer und Müll, aber dann huscht auf jeden Fall eine elegant gekleidete Musikerin oder ein markanter Produzent mitten hindurch, ist unterwegs irgendwohin, mit einen Stapel Schönheit unterm Arm.. In Köln gibt es nun erstmals eine exquisite Auswahl von Original-Artworks, Coverentwürfen und Postern aus der Hochphase des Labels zu sehen.
Kurator der Ausstellung ist Oliver Tepel, selbst Musikjournalist und Crépuscule-Fan.
Tepel schaffte es nicht nur, den zurückgezogen lebenden Crépuscule-Designer Benoît Hennebert dazu zu bewegen, rare Entwürfe und Studien zur Verfügung zu stellen, er konfrontiert auf fruchtbare Art und Weise dieses historische Material mit einer Auswahl zeitgenössischer Kunstpositionen, unter anderem zeigen Lucy McKenzie, Enrico David, Julian Göthe, Hanna Schwarz, Christian Flamm, Julia Horstmann, Detlef Weinrich und auch ich, Claus Richter, ihre Begeisterung für den Weltentwurf des kleinen belgischen Labels.
Après Crépuscule - Na Schmering - After Twilight - Nach Dämmerung
Gruppen- und Archivausstellung mit Beiträgen von J.Louis Again, Michael Bracewell, Enrico David, Devine & Griffiths, Christian Flamm, Julian Göthe, Benoît Hennebert, Julia Horstmann, Linder, Lucy McKenzie, Claus Richter, Hanna Schwarz, Claude Stassart, Lawrence Weiner, Detlef Weinrich, Denyse Willem
Kölnischer Kunstverein
www.koelnischerkunstverein.de
7.2.2009 bis 5.4.2009