Tempel, Höhle und Oase
Im dicht bebauten Viertel Colonia del Valle in Mexiko-Stadt fügt sich ein Neubau mit sechs gestapelten Wohneinheiten und einer Tiefgarage raffiniert in den Bestand ein. Geschickt erzeugt Héctor Barroso, der den Bau als Architekt geplant hat, Großzügigkeit innerhalb von drei kompakten Volumen, die über zwei Patios miteinander verbunden sind.
Vier der Apartments befinden sich in den vorderen beiden Gebäudeteilen. Da Héctor Barroso jeder dieser Wohnungen eine Verbindung zur Straße verschaffen wollte, verschachtelte er ihre je zwei Ebenen diagonal mit ihrem jeweils darüber- beziehungsweise darunterliegenden Nachbarn. Somit befindet sich keine der Einheiten gänzlich im Erd- oder Obergeschoss. Beide oberen Apartments profitieren von privaten Dachterrassen, während den unteren Wohnungen die beiden Höfe als Außenfläche zur Verfügung stehen. Am Rand des ersten Patios befindet sich der Treppenaufgang, der die straßenseitigen, öffentlicheren Wohnbereiche mit den privaten Zonen im mittleren Volumen verbindet.
Im Gegensatz dazu sind die beiden hinteren Wohnungen mit je zwei übereinander gelegenen Ebenen und innenliegenden Treppen einfacher aufgebaut. Auch hier profitiert die obere Einheit von einem eigenen Zugang zur Dachterrasse, während zur unteren ein kleiner Garten zwischen der östlichen Grundstücksgrenze und der Nachbarbebauung gehört.
An vielen Stellen seines Entwurfs erzeugt Héctor Barroso kompositorische Kontraste: Den Kuben des 10 mal 32 Meter großen Baukörpers setzt er an der Straßenfassade einen runden Ausschnitt entgegen. Weit zurückgesetzte Veranden sollen den Wohnraum vor direkter Sonne schützen, während große Fenster auf jeweils einer der Patio-Seiten so viel Tageslicht wie möglich in die Räume hineinholen. Mehrere Schlitze in der Fassade sowie lochartige Öffnungen in den Wänden des hinteren Treppenhauses nutzt Barroso als gestalterische Details, die bei Tag indirektes Licht hineinleiten, gleichzeitig aber Einblicke durch die Nachbarn verhindern. Den Mauern aus Sichtbeton nimmt der Architekt mithilfe von lehmbraunen Farbzuschlägen die Härte. Neben dem Beton kommt Stahl für die Balkonbrüstungen und die Begrenzung des vorderen Treppenaufgangs zur Verwendung. “Ihr Einsatz zielt nicht nur darauf ab, ihre strukturellen Charakteristika zu betonen, sondern auch mittels sensorischer Eigenschaften eine gute Atmosphäre zu erzeugen“, erklärt Barroso. Zahlreiche, teils rankende Pflanzen auf allen Freiflächen durchbrechen die massive Anmutung des Baus. Das Ergebnis changiert zwischen Tempel, Höhle und Oase – und ist damit in jeder Hinsicht ein bemerkenswertes Mehrfamilienhaus. (mh)