Neue Standards setzen
Stylepark Magazin: Herr Linares, Sie haben ein Diplom als Bauingenieur. Was hat Sie in den Sanitärkeramiksektor verschlagen?
Antonio Linares: Ich habe tatsächlich beinahe 10 Jahre als Bauingenieur für Projekte und im Bauwesen gearbeitet. Brücken, Straßen, Tunnel, Industriegebäude, Wasserkraftanlagen. Baumaterialien wie Beton, Stahl, Stein, Holz oder Keramik haben aber natürlich auch sehr viel mit Chemie und Physik zu tun. Sie sind integrale Bestandteile von Architektur, Bau und Design, die ich als Disziplinen schon immer ausgesprochen interessant fand, da sie unsere Beziehung mit allem was uns umgibt bestimmen. Irgendwann hatte ich es jedoch leid, dass ich es immer mit öffentlichen Verwaltungen als Kunden zu tun hatte und beschloss in die Realwirtschaft zu gehen, wo der Kunde sein eigenes Geld einsetzt und nicht das des Steuerzahlers. Und dann gab es noch das Badezimmer mit seinen vielen verschiedenen Materialien und seinem engen Bezug zu Architektur, Bau, Design. Das Bad ist letztlich ein Ort des Vergnügens und der Entspannung, ein Kokon in dem wir unser Selbst wiederherstellen können. Keramik, Messing, Stahl, Holz, Verbundwerkstoffe sind alles faszinierende Baumaterialien, die im Bad zum Einsatz kommen und die wir in unseren Fabriken in Spitzenqualität produzieren. Keramik ist beispielsweise eines der ältesten, formbaren Materialien überhaupt. In gewisser Weise bin ich also wieder bei der Chemie und Physik der Materialien gelandet, aber zugleich folge ich auch meiner Leidenschaft für Architektur, Bau und Design.
Sie haben für die Roca Group, der Muttergesellschaft von Laufen, über ein Jahrzehnt den russischen Markt betreut? Welche berufliche Erfahrung war für Sie dort entscheidend?
Antonio Linares: Das war zweifellos die Erkenntnis, dass man sich in seiner Vision nicht von Stereotypen leiten lassen sollte, sondern sich besser seine eigene Meinung bildet. Meine wichtigsten beruflichen Verdienste sprechen da für sich selbst: Ein exzellentes Team, gute Ideen und ein Auge für die Bedürfnisse und Wünsche der Klienten in einem dynamischen Markt. Und das in einem Land voller Kontraste und mit großartigen Menschen. Wir hatten die Gelegenheit, viel zu experimentieren und innovative Produkte und neue Vertriebs- und Marketingkonzepte zu erproben. Wie andernorts auch, ist es entscheidend, den Leuten auf Augenhöhe zu begegnen, ihnen zuzuhören und in schwierigen Situationen als Partner zu agieren – nur so schafft man das für Geschäftsbeziehungen unabdingbare Vertrauen. Ich habe viele Freunde fürs Leben gewonnen und eine Seite von Russland kennengelernt, die in den westlichen Medien kaum vorkommt.
Russland ist ein wichtiger Markt für Laufen. Wie kann Laufen seine Position da noch stärken? Werden hier andere Produkte nachgefragt als in der Schweiz oder in Spanien?
Antonio Linares: In Russland gibt es ein großes Interesse an Dialog und Partizipation. Die herkömmliche Beziehung zwischen Kunden und Lieferanten weicht einem gesteigerten Wissensbedürfnis. Mehr über die Marke und das Unternehmen zu erfahren: die Menschen, die Expertise, Werte und die Überschneidung mit der Gesellschaft. Damit einher geht der verstärkte Wunsch nach Partizipation durch Kommunikation und der Möglichkeit, seine Erfahrungen als Nutzer, Kunde zum Ausdruck zu bringen. Russland hat die gleichen Phasen durchlaufen wie Europa, nur schneller. Außerdem gibt es in Russland eine große Wertschätzung für industrielle Expertise, jene Art von Kompetenz, auf die wir bei Laufen stolz sind. Das heißt eine 129-jährigen Geschichte in Keramik und Innovation und unsere Tradition und Erfahrung in der Fertigung von Armaturen seit 1854.
Auch wenn das etwas paradox klingen mag, in Russland gibt es eine viel größere Lust an der Herausforderung und am Experiment als anderswo in Europa. Es ist ein Markt in dem unsere High-End-Kollektionen ganz besonders geschätzt werden. Nicht nur aufgrund ihres herausragenden Designs, sondern auch ihrer Komplexität im Umgang mit Materialien und Formen, die nur keine oder nur sehr wenige andere Anbieter auf diese Weise bewerkstelligen können. Ich denke hier beispielsweise an Waschtische mit großen Abmessungen und einer perfekten keramischen Oberfläche, oder auch über ultradünne Keramik, ein Bereich, in dem wir wegbereitend waren, bevor andere das kopiert haben. Überdies hat man sich in Russland von der klassischen Tradition abgewandt und schätzt nun eher ein modernes Design. Laufen war schon immer eine Marke, die im Hinblick auf Design und Innovation eine Spitzenposition eingenommen hat. Und nun freuen wir uns über ein wachsendes Interesse an einem Markt, in dem man vor 10 oder 20 Jahren noch davon ausging, dass Premium oder Luxus nur klassisch sein kann.
Wie sehr muss sich ein Unternehmen heute an verschiedene globale Märkte anpassen? Ist der Designansatz von Laufen 1:1 auf Länder wie Dubai oder China übertragbar, oder muss die Designstrategie für diese Regionen der Welt entsprechend anders ausgerichtet sein?
Antonio Linares: Angesichts der Fortschritte, die wir zum Beispiel im chinesischen Markt verzeichnen, könnte man behaupten, dass Design universeller wird. Dennoch gibt es lokale Trends, die häufig als Subtrends oder Anpassungen von globalen Trends hervorgehen. Darüber hinaus gibt es natürlich die für ein Land geltenden technischen Spezifikationen. In vielen Ländern dienen technische Bestimmungen immer noch als Instrument, um lokale Produzenten zu schützen. Unterschiede bezüglich der technischen Vorgaben, die Veränderungen an einem Produkt erfordern, bringen häufig gar keinen Nutzen, sondern stellen nur ein Hindernis dar. Das wirkt sich manchmal auf das Design aus und verlangt nach intelligenten technischen Lösungen. Wenn man beschließt, in eine international Premiummarke wie Laufen zu investieren, dann signalisiert man damit, dass man nicht nur Wert auf höchste Funktionalität sondern auch exzellentes Design legt. Und Exzellenz im Design kennt keine nationale Beschränkung, sie ist universell.
Sie führen ein Unternehmen, in dem das “Schweizerische” ein wichtiger Bestandteil der Identität und des Selbstbildes sind. Wie empfinden Sie das als Spanier?
Antonio Linares: Das ist nicht so schwer, wie es zunächst erscheinen mag. Erstens komme ich aus einer Familie, die während der Diktatur in Spanien lange Zeit in Paris gelebt hat. Meine Eltern haben in Nanterre und an der Sorbonne unterrichtet. Überdies habe ich fast 20 Jahre nicht in Spanien gelebt und war schon immer neugierig auf die "Welt da draußen". Die Schweiz ist ein wunderbares Beispiel für Zivilisation und kulturelle Koexistenz. Der für Laufen typische einzigartige Blick auf das Bad war mir im Übrigen durch meine Arbeit für die Marke in Russland bereits vertraut. In der Schweiz gibt es eine hochentwickelte Badkultur, hier wurde beispielsweise das Dusch-WC erfunden. Design und Funktion fußen hier auf einem genuinen Verständnis. Traditionen der südeuropäischen und nordeuropäischen Designschulen verschmelzen zu einer Lebensphilosophie, die mir sehr entspricht, nachdem ich viele Jahre im äußersten Süden und äußersten Norden von Europa gelebt habe. Man könnte sagen, dass das Schweizerische und das wofür Laufen steht sozusagen das perfekte Gravitationszentrum meines bisherigen Lebens darstellt (lacht).
Sie planen für Laufen ein signifikantes Wachstum in den kommenden Jahren. Welche Bereiche schweben Ihnen da vor? Wird sich Laufen auf sein Kerngeschäft, also Sanitärkeramik, fokussieren oder sollen neue Geschäftsfelder hinzukommen?
Antonio Linares: Laufen wird seine Weiterentwicklung von der industriellen Exzellenz zur Service-Exzellenz fortführen. Wir bieten seit mehreren Jahren bereits das Rundumprogramm für das Bad und bei unseren nichtkeramischen Produkten verzeichnen wir Jahr für Jahr ein zweistelliges Wachstum. Natürlich werden wir unser Vermächtnis als bester Badkeramikproduzent bewahren und weiterentwickeln. Zugleich wollen wir unsere Expertise im Bereich Armaturen ausbauen. Schließlich blicken wir hier bereits auf eine Geschichte zurück, die bis 1846 zurückreicht. Unsere Technologie in diesem Bereich verkaufen wir auch an andere führende Luxusmarken, die in Sachen Armaturen auf uns setzen. Abgesehen davon werden wir weiterhin mit Laufen Bespoke die Grenzen von maßgeschneiderten Lösungen für ikonische Projekte erkunden. Es gibt dafür wunderbare Beispiele in den verschiedensten Ecken der Welt und mit so bedeutenden Architekten und Designern wie Herzog & De Meuron oder Marcel Wanders. Es stimmt wirklich, dass es neben Keramik im Bad kein Material gibt, das so viele Vorteile in sich vereint. Und es ist kein Geheimnis, dass Laufen im Keramiksektor den freistehenden Waschtisch, das Wand-WC und den Druckguss erfunden hat. Außerdem haben wir mit unserer ultradünnen SaphirKeramik neue Maßstäbe gesetzt, die andere Firmen nun kopieren oder übernehmen wollen.
Wir haben das Material bis zu einem Punkt weiterentwickelt, der es uns ermöglicht, neue Designs und Typologien von Waschtischen zu kreieren, die vor einem Jahrzehnt in der Keramik noch undenkbar gewesen wären. Wir fertigen herausragende Bade- und Duschwannen und wir haben ein breites Spektrum an Badezimmermöbeln im Angebot. In den letzten Jahren hat sich in diesen Bereichen viel getan, es gibt neue Oberflächen, Materialien, Farben, Beschichtungen. Im Übrigen sind die Dusch-WCs wieder nach Europa zurückgekehrt, wo sie auch ursprünglich herkommen. Unser innovatives Erbe reicht bis zur Entwicklung des ersten Dusch-WCs in der Schweiz zurück, welches unseren Keramikkörper umfasste. Diese Produktsparte gewinnt mit jedem Jahr an Bedeutung, da unsere Dusch-WCs sich nicht nur durch herausragendes Design auszeichnen, sondern dank hochmoderner Desinfektionsvorrichtungen und den Einbau der gesamten Elektronik im Keramikkörper auch beste Hygiene gewährleisten. Alles in allem sind wir auf dem Weg, bald Rund-um-Lösungen für das Bad anbieten zu können. Diese Strategie schafft Vertrauen und stellt sicher, dass alle Bedürfnisse, die das Bad betreffen aus einer Hand bedient werden können.
Laufen hat im "Bespoke" Bereich der maßgeschneiderten Lösungen bereits eine starke Position. Wie wichtig wird dieser Geschäftsbereich in der Zukunft sein?
Antonio Linares: Es wird zunehmend wichtiger, eine Balance zwischen industrieller Effizienz und Kundenanpassung, zwischen smartem Design und Kundendialog, zwischen Technik und Emotion zu finden. Insofern ist "Bespoke" für uns eine Geisteshaltung, unsere Antwort lautet nie "nein". Wenn jemand einen Wunsch äußert, heißt das ja auch, dass es für diese Person Sinn macht. Daher fühlen wir uns verpflichtet, diese Option in Erwägung zu ziehen. Da wir niemals "nein" sagen und "Bespoke"-Projekte stets prüfen und damit auch unsere Grenzen immer wieder neu ausloten, haben wir schon Lösungen entwickelt, die wir ansonsten nicht gefunden hätten. Unsere Liste mit ‚Bespoke‘-Projekten wird mit jedem Jahr länger und durch diese Projekte finden wir neue Oberflächenstrukturen, Verarbeitungsformen, Farben und Materialien. Die Nachfrage nach kundenspezifischen Optionen wächst beständig. So werden bei der Planung von großen Immobilienprojekten oder Hotels verstärkt maßgeschneiderte Lösungen nachgefragt, da sie gewährleisten, dass die Markenidentität des Kunden auch in der Badgestaltung zum Ausdruck kommt. Mitunter kann das auch nur eine bestimmte Farbe oder ein Logo sein.
Laufen hat im Laufe seiner Geschichte immer wieder zukunftsweisende Produkte und Verfahren entwickelt. Können Sie uns verraten wo im Moment der Forschungsschwerpunkt liegt?
Antonio Linares: Wir sind sehr stolz auf unser Innovationsteam. Es sucht beständig nach Lösungen, die dem Baderlebnis eine neue und unerwartete Facette hinzufügen. Das Team versucht Bedürfnisse zu antizipieren und Lösungen zu entwickeln, die es zuvor in dieser Form gar nicht gab. Aber Sie verstehen bestimmt, dass dies ein Bereich ist, wo wir sehr aufpassen müssen, welche Informationen wir teilen. In Zeiten, in denen die Kopien mitunter schneller auf dem Markt auftauchen als die Originale, müssen wir da besonders vorsichtig und streng sein.
In den vergangenen Monaten hat ein Projekt Schlagzeilen gemacht, das Laufen zusammen mit dem Wiener Designstudio EOOS entwickelt hat und das von der Bill & Melinda Gates Foundatio unterstützt wird. Worum geht es bei "save!" genau?
Antonio Linares: Wir sind davon überzeugt, dass "save!" wegweisendes Potenzial hat. Es handelt sich dabei um ein urinseparierendes WC, welches für Endnutzer geeignet ist und den relevanten Industriestandards entspricht. Wir haben es zusammen mit dem österreichischen Designbüro EOOS innerhalb eines Projekts entwickelt, das von der Bill & Melinda Gates Foundation, dem schweizerischen Wasserforschungsinstitut Eawag and Laufen mitbegründet wurde. Mit Urin verunreinigtes Abwasser ist ein großes Umweltproblem, das unser Land mit einem Überschuss an Stickstoff belastet. Mit save! kann der Urin separiert und von Medikamentenrückständen und Chemikalien gereinigt werden, so dass aus den übrigbleibenden Nährstoffen Dünger erzeugt werden kann.
Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern bis sich die neue Technologie hinter save! allgemein etabliert haben wird? Und welche anderen Entwicklungen wird es im Bereich der Sanitärkeramik in den nächsten Jahren geben?
Antonio Linares: Es wird einige Zeit dauern bis sich save! im industriellen Rahmen als Lösung durchsetzen wird, aber wir installieren das ganze System bereits in einigen Schlüsselprojekten in der Schweiz, den USA und Schweden. Wenn alles wie geplant läuft, werden wir save! in zwei Jahren in vielen Projekten in der ganzen Welt sehen. Überdies arbeiten wir mit verschiedenen öffentlichen Institutionen, Universitäten und Laboren zusammen, um neue Materialien und Oberflächen zu erforschen, die ein besseres Nutzererlebnis bieten bzw. Lösungen für Probleme im Sanitär- oder Hygienebereich eröffnen, wie sie in vielen Regionen der Welt noch vorherrschen. Wir möchten unser Unternehmen nachhaltig gestalten, indem wir an Projekten teilnehmen, die nicht nur eine schnelle kommerzielle Anwendung in Aussicht stellen, sondern die auch den Zugang zu Sanitärversorgung und Hygiene verbessern.