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Sonnenuntergang am Feldrand: Das Landhaus, das Atelier ST in Lichtentanne bei Zwickau errichtet hat, kragt oberhalb der Terrasse aus und schafft so einen Wetterschutz.

Ein zeitgemäßes Landhaus

Das Wohnen in "Schlafdörfern" hat an Beliebtheit deutlich verloren. Vielleicht liegt das auch an der schlechten und unpassenden Architektur, die dort oftmals entsteht. Atelier ST hat nahe Zwickau ein modernes Landhaus gebaut, das sich als Gegenmodell empfiehlt.
von Fabian Peters | 29.01.2018

Das Bauen im ländlichen und vorstädtischen Raum ist eine Aufgabenstellung, mit der sich Architekten nicht leichttun. Seitdem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ersten Villenkolonien im großstädtischen Umland entstanden, weil Bahn oder Straßenbahn es erlaubten, tagtäglich in die nahegelegene Metropole zu pendeln, wird die Frage nach einem angemessenen Umgang mit dieser Wohnform immer wieder neu diskutiert. 

Kritik am modernen Bauen im ländlichen Raum formierte sich bereits als Reaktion auf die rege Bautätigkeit der wilhelminischen Ära – lange bevor das Neue Bauen in den 1920er Jahren eine formale Bezugnahme auf die Bautradition des Ortes weitestgehend als obsolet ansah. Großen Einfluss entwickelten etwa die "Kulturarbeiten", eine Bücherserie von Paul Schultze-Naumburg, der im Kaiserreich ein führender Vertreter der Heimatschutzbewegung war und später zu einem der führenden Ideologen des Nationalsozialismus wurde. Die Nazis propagierten für ihre Blut- und Boden-Ideologie vorzugsweise den Typus des Siedlerhauses, der sich seit den 1910er Jahren für das preiswerte Familien-Eigenheim herausgebildet hatte: ein Steinbau auf kompakter Grundfläche, eineinhalbgeschossig mit hohem Satteldach. Diese Bauform dominierte dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den explodierenden Eigenheimbau in West- und in geringerem Maße auch in Ostdeutschland. Im Zusammenspiel mit der Automobilisierung bewirkte dieser Bauboom eine nie gekannte Zersiedelung des ländlichen Raumes.

Blick auf das Gesamtensemble: Das Wohnhaus wird flankiert von einen Garagengebäude und der Orangerie.

Im Bestand der in diesem Zuge neuentstandenen "Schlafdörfer" aus Siedlerhäusern müssen Architekten heute oftmals neue, bessere Lösungen für das suburbane Wohnen entwickeln. Das Atelier ST hat sich für sein Projekt "Am Feldrand", einem großen Einfamilienhaus in einem Vorort von Zwickau, intensiv mit dem Bauen im ländlich-vorstädtischen Raum auseinandergesetzt. Herausgekommen ist dabei ein Ensemble aus drei Baukörpern – einem Wohnhaus, einem Garagenbau und einer kleinen Orangerie –, die zwischen sich mehrere Hof- und Gartenräume formulieren: einen Hofraum vor dem Eingang, Obst- und Gemüsegarten und im Zentrum zwischen den drei Bauten einen großen Hauptgarten. 

Die Architekten nehmen Bezug auf gleich mehrere Typologien ländlichen Bauens. Der Gruppierung von unterschiedlich großen Gebäuden um ein Zentrum, aber auch der raue Kellenwurfputz an den Außenwänden, wie er etwa für Ställe und Remisen von LPGs Verwendung fand, erinnern an bäuerlich-landwirtschaftliche Anwesen. Gleichermaßen originell wie überzeugend ist die Errichtung einer Orangerie, dieses großbürgerlich-adligen Verwandten des gemeinen Gewächshauses, mit dem Atelier ST auf die Tradition der Villen und Landsitze verweist.

Gleichzeitig ist die Architektursprache der Baukörper mit ihren klaren Kubaturen hochgradig zeitgemäß. Wenige Materialien – verputzte Ziegelwände, Aluminiumschindeln zur Dacheindeckung, Lärchenholz für Fenster und Innenausbau – lassen den Bau trotz seiner Größe nicht protzig erscheinen. Im Inneren stellt der offene Holzdachstuhl wiederum Bezüge zum bäuerlichen Hausbau her. Er bildet im Wohnraum und im Ess- und Küchenbereich, die beide doppelstöckig angelegt sind, ein prägendes Element der Raumwirkung.

Atelier ST haben "Am Feldrand" ein zeitgemäßes Landhaus errichtet, ganz ohne pseudo-folkloristische Versatzstücke, ganz ohne Protz, das aus seiner Siedlungsumgebung nicht herausfällt, aber sich auch nicht mit ihr gemein macht. Es ist schlicht eine gute Antwort auf die Frage, wie Wohnen im ländlichen Raum heute aussehen sollte. 

Der bis unter den First reichende Essbereich
Die Orangerie
Blick vom Eingangshof auf das Wohnhaus
Modell
Grundriss Erdgeschoss
Lageplan