Im Zeitraffertempo
"Jedes Objekt, das wir früher gemacht haben, war immer gleich verkauft!" schmunzelt Robert Acouri, wenn er sich an seine ersten Schritte als Designhersteller erinnert. Kein Wunder – der Kunde war er selbst. Respektive seine Groupe Cider, die für Großunternehmen wie etwa den Versicherungskonzern Generali oder den Kosmetikriesen L'Oréal Büros entwirft und einrichtet. Bei diesen Projekten arbeitete er immer wieder mit jungen Designern zusammen, so dass im Laufe der Jahre eine ganze Reihe unterschiedliche Möbelentwürfe zusammenkam. Irgendwann reifte in Acouri der Wunsch, die Entwürfe unter einem eigenen Label auch in den Verkauf zu bringen – inklusive einiger neuer Stücke. Mit dieser Idee wandte er sich an einen Designer, den er besonders schätzte und mit dem, wie er sagt, die Chemie in besonderer Weise gestimmt hat: Luca Nichetto. Nichetto begutachtete die vorhandenen Designs, die das Sortiment der neuen Marke bilden sollten, und dabei beschlichen ihn erhebliche Zweifel, dass das Konzept so funktionieren würde. "‘Deine Kollektion ist ein Gemischtwarenladen’ sagte er zu mir", berichtet Acouri. Stattdessen schlug Nichetto ihm vor, das gesamte Sortiment völlig neu zu entwerfen. Bis 2021 sollte eine geschlossene Kollektion von etwa 50 Objekten entstehen. Anstatt ein kleines Spin-off seiner Groupe Cider zu launchen, das vorhandene Entwürfe vermarktet, war Acouri nun also plötzlich herausgefordert, ein ausgewachsenes Designlabel auf die Beine stellen. "Ich war 48 und plötzlich stand ich wieder ganz am Anfang", erinnert er sich. La Manufacture taufte er das neue Unternehmen, das er mit Nichetto Anfang 2019 aus der Taufe hob.
Mode als Lockmittel
Acouri hat sich in seinem Leben immer wieder getraut, den Schritt ins Unbekannte zu wagen und Neuland zu beschreiten. Ihren Anfang nahm seine Berufslaufbahn an der Oper von Monaco. Anschließend wechselte er in die Mode. 2012 schließlich gründete er die Groupe Cider. "Mode und Design funktionieren sehr ähnlich", glaubt Acouri. Und so verwundert es nicht, dass auch La Manufacture neben Möbeln auch eine eigene Fashionlinie produziert. Entworfen hat sie die italienische Moderdesignerin Milena Laquale. Es sind hochwertige, schlichte Stücke, die von ihrem Schnitt leben. Auf einigen Entwürfen setzt Laquale auch La Manufactures prägnantes Monogramm-Logo, das vom Studio Blanco entworfen wurde, als Applikation in Szene. Die Modekollektion begreift Acouri als Unterscheidungsmerkmal zu den Mitbewerbern – aber auch als Lockmittel, um Käufer an die neue Marke heranzuführen. Er will mit seinen Produkten überzeugen, sie für La Manufacture Werbung machen lassen. "Es gibt zwei Möglichkeiten, eine Marke für Luxusgüter zu etablieren", sagt Acouri: "Entweder mit luxuriösen Produkten oder mit luxuriösem Marketing!" Keine Frage, welchen Weg er mit La Manufacture einzuschlagen gedenkt.
Luca Nichetto sorgt als Creative Director dafür, dass die Erzeugnisse der Marke dem eigenen Anspruch gerecht werden. Dafür hat sich der in Stockholm lebende Designer der Mitarbeit einige befreundeter Kollegen versichert. Sebastian Herkner etwa hat ein Sofa für das Label gestaltet, das eine sehr ausgewogene Mischung aus Klassik und Zeitgeist bildet und dessen Basis und Kufen aus massivem Holz eindrücklich seine handwerkliche Qualität vermitteln. Auch ein riemenbespannter Paravent stammt aus Herkners Feder. Patrick Norguet hat zu der ersten Kollektion unter anderem den zeichenhaft designten Hocker "Gardian" beigesteuert, Nendo eine Sitzkissenserie, Todd Bracher einen Drehsessel, Marco Dessi einen Stuhl und Emma Boomkamp grafisch gemusterte Teppiche. Natürlich hat auch Nichetto selbst eine Reihe von Möbeln für La Manufacture entworfen, etwa den markanten Stuhl "Melitea" dessen Rücklehne und Sitzfläche mit großen, kreisrunden Aussparungen perforiert sind. Eine ähnliche Designsprache spricht Nichettos Standspiegel "Soufflé", bei dem das Glas von einem wulstigen Rahmen umfasst wird, der zugleich die Füße ausbildet.
Der Zeit voraus
Der ideale Präsentationsort für die La Manufacture-Kollektionen ist auch bereits gefunden: Im vergangenen Dezember hat der erste Flagshipstore des Labels in Paris, einen Steinwurf entfernt von der Opéra Garnier, seine Pforten geöffnet. Ein Schritt, der gemäß dem Zeitplan, den Acouri und Nichetto aufgestellt hatten, eigentlich erst deutlich später erfolgen sollte. Doch es kam anders. Im Januar 2019 war das Project bereits deutlich weiter fortgeschritten, als vermutet. Plötzlich ergab sich die Möglichkeit, eine große Ladenfläche im selben Komplex zu beziehen, in dem auch die Groupe Cider ihre Büros hat – eine ideale Voraussetzung, um Kunden schnell hinüberzuführen, um ihnen Produkte zu zeigen. Innerhalb weniger Monate gelang es Luca Nichetto und den Teams von La Manufacture und Groupe Cider, den Showroom zu planen und umzusetzen. Ziel war es, erklärt Robert Acouri, ein Interieur zu schaffen, dass für Architekten wie ihre Klienten gleichermaßen inspirierend wirken sollte und ihnen beispielhafte Lösungen für verschiedene Wohnsituationen aufzeigt. Gleichzeitig musste es den ganzheitlichen Anspruch der Marke wiederspiegeln und für die Möbel- wie die Modekollektion den richtigen Rahmen bilden. Besonderes Augenmerk sollte auf den großen Schaufenstern liegen, um die neue Marke ideal in den Straßenraum hinein zu transportieren. Nichetto entwickelte hierfür die Idee eines Vorhanges aus Aluminium, der die Ladenfläche umzieht und dessen Länge variiert. Mal reicht er bis auf den Boden und teilt dort die Schaufenster vom Ladenraum ab, an anderer Stelle endet er auf halber Höhe erlaubt Durchblicke von außen nach innen und umgekehrt. Die "Falten" des Metallvorhanges bilden übrigens das "M" aus dem Logo von La Manufacture nach. Es ist diese Liebe zum Detail, die auch die Produkte des Labels auszeichnen.
Nach der Eröffnung des Stores stehen nun die nächsten Etappenziele an. Die zweite Kollektion wird unter anderem Beiträge von Neri&Hu sowie Noé Duchaufour-Lawrance präsentieren. Überhaupt, sagt Acouri, sei man mit den am Projekt beteiligten Designern bereits zu einer regelrechten Familie zusammengewachsen. Der nächste Meilenstein wird im Januar 2021 die Teilnahme an der Paris Design Week sein. Das Ausstellungskonzept liefert natürlich Luca Nichetto. Man darf gespannt sein, was diese Erfolgsgeschichte im Zeitraffertempo als nächste Überraschung bereithält.