Köln – mehr oder weniger romantisch
VON Thomas Wagner | 08.01.2013
Vielleicht ist das ja doch die richtige Frage: „Isn’t it romantic?“. Jedenfalls fragt das Museum für angewandte Kunst, kurz MAKK, genau das in diesem noch jungen Jahr, und schiebt der neudeutsch (weshalb der Titel im Land der Romantik englisch ausfallen muss, und das ausgerechnet im Grimm-Jahr, verstehe, wer will) gestellten Frage hinterher: „Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation“. Ist das etwa keine gute Überschrift für die Kölner Jahresanfangsaktivitäten? Eigentlich hatte ich mir ja für 2013 vorgenommen, mindestens zwei Worte endgültig aus meinem Vokabular zu streichen. Erstens: „Geschichten“; weil heutzutage angeblich jedes Ding und jedes Foto und jede Briefmarke nichts Besseres zutun habe, als „eine Geschichte zu erzählen“. Und zweitens – Sie ahnen es bereits: „Poesie“. Wenn einem gar nichts mehr einfällt, dann sind auch die praktischsten Dinge plötzlich „poetisch“. Denken Sie mal darüber nach, was es bedeuten würde, wenn alles symbolisch, also poetisch gemeint wäre, selbst die Waschmaschine und das sorgfältig zusammengeklappte Schinkenbrot. Doch zurück zur MAKK-Ausstellung. Von der heißt es im zugehörigen Faltblatt weiter, sie wolle sich „unserem heutigen Verständnis von Romantik nähern und die neue Sehnsucht nach Romantik in der Gegenwart“ ergründen. Ich weiß nicht, was Tankwart oder Apotheker empfehlen, und ich weiß auch nicht, wie es Ihnen geht; ich jedenfalls verspüre keine „neue Sehnsucht“, auch nicht nach „Schönheit und Harmonie oder nach einem Ort der Erfüllung“. „Unser Verständnis von Romantik“ – hallo? Ich sehe in einem leicht floral angehauchten Gartenstuhl noch immer einen Gartenstuhl und nicht sofort einen „Gegenentwurf zur Moderne“. Wahrscheinlich habe ich einige neue Diskursschleifen nicht mitbekommen. Wie heißt es in dem Song „Let’s do it“ von Eartha Kitt so schön: „Romantic sponges they say do it / Oysters down in Oyster Bay do it / Let’s do it, let’s fall in love”. Hören Sie mal rein! Vielleicht gibt es im MAKK wenigstens romantische Schwämme. www.museenkoeln.de/museum-fuer-angewandte-kunst Zum Glück sind Messen, auch Möbelmessen, alles andere als romantisch. Sogar Kunstmessen dienen dem Verkauf und sind keine Ausstellungen, auch wenn das der eine oder andere immer wieder zu kaschieren sucht. Ich bin jedenfalls froh, dass klar ist, worum es in den Messehallen in Deutz geht. Die Messe ist in diesem Jahr, wie das in der Sprache der Vermittler so schön heißt, wieder ein „Messedoppel“. Zur imm Cologne hinzu kommt turnusgemäß die Living Kitchen (in den Hallen 4.1, 4.2 und 5.2.). Was die imm Cologne angeht, so trägt Halle 11 wieder den Namen „Pure“ (für „Modernes Einrichtungsdesign mit Premiumanspruch und komplette Wohnphilosophien“). In Halle 3.1 findet der – sachliche ebenso wie der romantische – Zeitgenosse das „Pure Village“ wo „kreatives Interior Design repräsentiert durch Highlight-Produkte aus den Bereichen Möbel, Bad, Leuchten, Accessoires“ ebenso ausgebreitet werden wie „Das Haus“ (dieses Mal gestaltet von dem Venezianer Luca Nichetto) und „The Stage“. Und ebenfalls in Halle 3.1: Die „D3 Design Talents“. Wogegen Ebene 3.2 für „Pure Editions“ (im O-Ton: „Zeitlos-visionäre Produktkonzepte mit Editions-Charakter“) und „Pure Textile“ („Plattform für textile Raumgestaltung durch Stoff-Editeure“) reserviert ist. Hier ist übrigens auch Stylepark als Kurator der Sonderschau „Featured Editions“ mit von der Partie. In den Hallen drum herum gibt es auch diesmal „Comfort“ = Polstermöbel, Überhaupt, selbst wir Kritiker dürfen gespannt sein, was heuer so alles an Neuem, Besserem, Wiederentdecktem zusammenkommt. Die Frohsinns-Wahnsinns-Stadt Köln wäre im Januar freilich halb so attraktiv würde, rund um die imm Cologne, nicht in der ganzen Stadt das Möbeln ausgestellt, erprobt, diskutiert, gefeiert. Nicht nur mit der Frage „Isn’t it romantic?“, sondern auch mit Kennerblick, Kölsch, Kater und kritischen Fragen. Und was es da nicht alles gibt: A&W-Designer des Jahres 2013 sind die bretonischen Brüder Ronan und Erwan Bouroullec. Die dazugehörige Ausstellung ist nun wieder in den Räumen des Kölnischen Kunstvereins zu sehen. Die Bouroullecs werden seltsamer Weise geehrt, weil sie sehr jung schon ein beachtliches Werk vorzeigen können. Macht ja nichts, ist trotzdem prima Design und nicht „Jugend forscht“. (Entschuldigung. Man darf ja in unseren konsensorientierten Zeiten keinen mehr schelten. Iss ja alles superguut, ne!) Wir freuen uns jedenfalls. Den Audi-Mentorpreis erhält übrigens Miguel Vieira Baptista. www.awmagazin.de Die Design Post, die man so oder so besuchen sollte, gratuliert den bretonischen Brüdern nicht nur damit, dass sie einige ihrer Produkte zeigt. Exklusiv wird dort, in Anwesenheit der Designer, etwas Neues für Kvadrat präsentiert. Daneben sind auch die – womöglich von manchem als „romantisch“ empfundenen „Clouds“ in neuen Farben zu sehen. www.designpostkoeln.de Schließlich gibt es, diesseits und jenseits all der Showrooms und Flagship Stores – wer Messehallen nicht mag, der kann die neuen Stores von Poltrona Frau, Cappellini und Cassina sowie Boffi in den Spichern Höfen aufsuchen – noch jede Menge zu sehen, wie gewohnt im Rahmen der „Passagen“. Hier eine kleine Auswahl. Kartell lädt zur Preview von „Mini Taj“, Ferruccio Lavianis neuestem Entwurf für seine Leuchten-Kollektion. Sprich, die LED-Leuchte „Taj“ gibt es jetzt auch in einer „Mini“-Version. Nicht für kleine Leute, sondern für den Nachttisch. VitrA Bad stellt in der Reihe „Projektwerkstatt“ die Shootingstars der Design- und Architekturszene von Istanbul vor: SUPERPOOL – also die Türkin Selva Gürdoğan und der Däne Gregers Tang Thomsen und ihr Team. Zuletzt haben sie für den von Stylepark kuratierten Audi Urban Future Award 2012 ein spannendes Entwicklungskonzept für Istanbul vorgelegt. (Ihr Vortrag in englischer Sprache zum Thema „Positioning architectural practice in Istanbul“ beginnt am 14. Januar um 19 Uhr, VitrA Showroom, Agrippinawerft 24 / Rheinauhafen). www.kartell.it Durch die neue Partnerschaft mit ECHTWALD geht erstmals eine Auswahl der ersten vier kkaarrlls-Kollektionen (Sie kennen diese aus Mailand) in Serie. Beide teilen angeblich die Vorliebe für Qualität und Originalität. Echt eben, aber nicht unbedingt romantisch, nur weil ein Wald dahintersteht. (kkaarrlls für ECHTWALD, Mauritiuswall 35, 50676 Köln) www.echtwald.com Nicht zu vergessen: In diesem Jahr präsentiert Wohnkultur66 erste Modelle ihrer neuen eigenen Kollektion aus der Wiener Zwischenkriegszeit, aber trotzdem im Kontext der bisherigen, rein skandinavischen Ausrichtung. Gefertigt wird bei der Manufaktur Brdr. Petersen, die ihre eigene Kollektion (mit Entwürfen von Nanna Ditzel, Ib Kofod-Larsen und Vilhelm Lauritzen) um die Penguin-Serie von Ib Kofod-Larsen ergänzt, samt Rocker, Lounge und Dining Chairs. (Anschauen kann man das alles im Hotel Chelsea, Suite Nr. 12, Jülicher Str. 1, 50674 Köln.) Fehlt nur noch Finn Juhl. Eben. Deshalb ist das House of Finn Juhl auch in diesem Jahr als temporäre Installation im Hotel Chelsea vertreten. Finn Juhl ist übrigens der einzige Designer, bei dem das Wort „poetisch“ angebracht ist, ohne ins Romantisch-kitschige abzugleiten, hat er doch schon 1941 sein ebenso beschwingtes wir modernes „Poet Sofa“ entworfen. Der dreibeinige Hocker Stool 60 von Alvar Aalto wird 2013 – Applaus, Applaus!! – achtzig Jahre alt. Weshalb Artek und das Alvar Aalto Museum mit dem Ungers Archiv für Architekturwissenschaft eine Ausstellung konzipiert haben, die den Herstellungsprozess des Hockers zeigt. (Ungers Archiv für Architekturwissenschaft, Belvederestr. 60, 50933 Köln) Und dann gibt es für den Trendscouts in uns noch das „Hochschulforum“, das Projekte von 15 Gestaltungsfakultäten aus dem ganzen Bundesgebiet vorstellt, in einer riesigen Halle auf dem Gelände einer ehemaligen Schiffsschraubenfabrik (Lichtstr. 25, 50825 Köln) und die „Designers Fair“ mitten im, ähm – „kreativen Hotspot“ in Ehrenfeld, mit rund vierzig Ausstellern. Das „Institut français“ Köln präsentiert gemeinsam mit der Villa Noailles aus Hyères die Preisträger des Grand Prix der Design Parade 2011: den Franzosen Jean-Baptiste Fastrez und den Isländer Brynjar Sigurdarson. (Antwerpener Str. 7, 50672 Köln) www.institutfrancais.de/koeln Wer dann immer noch glaubt, es müsse romantisch, kitschig, gefühlig zugehen im Design, der pflege seine Sehnsucht im Café Hallmackenreuther, wo bordbar seine neue, von Pan Am inspirierte Kollektion präsentiert. (Brüsseler Platz 9, 50674 Köln, www.bordbar.de) Schließlich muss es im offiziellen Grimm-Jahr (das schon 2012 begonnen hat, weil die Erstausgabe der „Kinder- und Hausmärchen“ der Gebrüder am 20. Dezember 1812 erschien), doch wohl ganz unromantisch heißen: Und wenn sie nicht ertrunken sind, dann möbeln sie noch heute. |