Schöner Kiffen
Ist etwa Hippie-Nostalgie angesagt? Oder hat der Barde Helge Schneider recht, wenn er seinen Song „Mörchen“ mit den Worten beginnt: „Weißt Du noch wie’s früher war / Man nahm Marihuana / Danach war einem schlecht und man fühlte sich nicht so recht.“ Lapidarer stellt der aktuelle europäische Drogenbericht fest: „Cannabis ist die von allen Altersgruppen am häufigsten konsumierte illegale Droge. Die Droge wird in der Regel geraucht und in Europa gemeinhin mit Tabak gemischt. Die Konsummuster bei Cannabis reichen von gelegentlichem über regelmäßigen Konsum bis hin zur Abhängigkeit“.
Wer Gras raucht, braucht das entsprechende Gerät – das scheinen nun auch die Designer entdeckt zu haben. Dabei ist schon das durchschnittliche Angebot typologisch ebenso weit gefächert wie gestalterisch fragwürdig. Hier ein kurzer Überblick: Es gibt kleine Rasta-Pfeifen aus Metall, die in die hohle Hand passen, farbenfrohe Exemplare aus Fimo (Eltern aufgepasst, nichts für den Kindergarten), absonderliche Glaspfeifen und mystische (!) Kristallpfeifen (angeblich, um eine Verbindung zu den spirituellen Energien aufzubauen). Ferner kann der Konsument auf den Rauch kühlende Bongs (vulgo Wasserpfeifen), zurückgreifen, auf Pfeifen aus Bambus, Eben- oder Rosenholz, auf kleine Knubbel aus Speckstein und auf Suchtwerkzeuge in Kegelform, die aussehen wie zu groß geratene Stopfen für Weinflaschen. Dann gibt es noch Absonderlichkeiten wie Dugout-Pfeifen, angeblich nette kleine Geräte für einen schnellen und diskreten Zug auf dem Sprung. Wobei die Dugout in Form einer gefälschten Zigarette auftritt, ergänzt um ein Fach für Gras oder ein anderes Kraut der Wahl. Kleiner als eine Zigarettenschachtel, passen diese Teile in jede Jacken- oder Handtasche.
Das Rauschmittel lässt sich aber offenbar nicht nur rauchen, sondern auch verdampfen. Dazu liest man auf einer einschlägigen Website: „Unterwegs verdampfen schafft bestimmte Anforderungen ans Design und diese tragbaren Verdampfer sind perfekt für Konzerte, Veranstaltungen und Festivals. Diskret und praktisch.“ Die Dinger sehen allerdings aus wie mattschwarz lackierte elektrische Zahnbürsten (gibt es Hasch eigentlich auch als Zahnpasta?). Wogegen medizinische Cannabis-Verdampfer schon mal an Luftpumpen samt Druckanzeige oder verunglückte Walkie-Talkies erinnern – doch geht es hier ja auch nicht um Genuss, sondern um Medizintechnik.
Soweit, so gut. Kommen wir also zu einigen aktuellen Designer-Stücken. Die von einem New Yorker Produktdesigner namens Jamie Wolford gestaltete „Balance Pipe“ aus Borosilikat-Glas unterscheidet sich von eher folkloristischen Exemplaren immerhin durch eine schlichte Form, einen sicheren Stand und verschiedene Farben. Viel mehr ist dazu trotzdem nicht zu sagen. Auch bei anderen Pfeifchen in Keil- oder Dreiecksform kommt wenig Begeisterung auf. Oder wollten Sie an einem Keramikring saugen, der wie ein Donut auf Diät aussieht? Der Verknubbelung des Designs scheinen auf diesem Felde kaum Grenzen gesetzt.
Nur marginal anders verhält es sich mit den kegelförmigen Rauschspendern der „Cumulo Collection“. Ob der teilweise Einsatz von 3D-Druck angesichts eines rauschhaften Aufstiegs in weit höhere Dimensionen verfängt, mag entscheiden wer will. Auch verkneifen wir uns den Kalauer, solch verirrte Skulpturen können nur unter Drogen entstanden sein. Immerhin lassen sich einige dieser kleinplastischen Staubfänger – funktional sind es Wasserpfeifen – auch als Vase verwenden. Was den Grund dafür enthüllt, weshalb diese Dinge camoufliert auftreten und sämtlich wie Nippes oder wahlweise wie harmlose Wohn-Accessoires (Vasen, Kerzenständer oder Duftspender) aussehen.
Mit dem Hinweis, Geschmack und Befriedigung ließen sich vergrößern („maximizing flavor and satisfaction“), wird sodann für einen Verdampfer geworben, der wie ein zu groß geratener Kristall aus Holz daherkommt, und um das Gras zu zerkleinern und aufzubewahren, gibt es ein technoides schwarzes Teil, das einer Taschenlampe gleicht, auch wenn das Licht ja ganz woanders herkommen soll.
Fehlt nur noch Sherlock Holmes. Ob der Meisterdetektiv allerdings zum Verdampfer von Steve Bae in Form einer schlanken Pfeife gegriffen hätte, ist mehr als fraglich. Erstens entspricht, was einer Apple oder Billard nachempfunden scheint, nicht dem, was Holmes unter einer Pfeife verstand (er bevorzugte gebogene Pfeifen), zweitens hätte er eine die Glut simulierenden Leuchtring nur albern gefunden, und drittens hätte ihn seine Wissenschaft der Deduktion auch hier unweigerlich von den Wirkungen zu den Ursachen zurückgeführt. Angeblich hat Holmes in Zeiten müßigen Wartens neben Tabak auch Kokain und Morphium konsumiert (Morphine waren, als Sir Arthur Conan Doyle die Figur erfand, in Apotheken frei erhältlich, Kokain war noch nicht als Droge verboten), doch ließ der Autor seinen Helden den Drogenkonsum einstellen, als der Suchteffekt bekannt wurde. Logisch denken konnte Holmes auch ohne psychoaktive Substanzen.
Weshalb wir, da hilft auch kein Design, am Ende bei einem reinen Virginiatabak und der Empfehlung Helge Schneiders bleiben: „Marihuana isse nit gutt ... Marihuana macke so schlapp / Krisse Kopp aus Papp ... Mama tu ma die Möhrchen / Tu ma lieber die Möhrchen, Mama / Tu ma lieber die Möhrchen ...“ Ob Holmes gern Möhrchen gegessen hat, ist nicht bekannt.