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Identität bauen

Aus starken Wurzeln wächst die Zukunft – dafür braucht es eine Gegenwart, die Raum für neue Ideen bietet. Wie sich Haltung, Verantwortung und Effizienz architektonisch übersetzen lassen, zeigt Jung, Premiumanbieter moderner Gebäudetechnik, mit NGA Nehse & Gerstein Architekten BDA in Schalksmühle.
von Anna Moldenhauer | 13.09.2024

Die Gründervilla der Familie Jung von Architekt Fritz Stutzkeitski aus dem Jahr 1928 aufwändig zu sanieren und mit einem geradlinigen Neubau zu ergänzen, lag ein offener Wettbewerb zugrunde, der eine besondere Vorgabe hatte: Maximal fünf Jahre sollte die Gründung der teilnehmenden Büros zurückliegen. Ein frischer Neustart war gewünscht, in jeder Hinsicht. Aus den vielen Einreichungen wählte die Jury 2017 unter der Leitung von Michael Schumacher und mit Peter Cachola Schmal vom Deutschen Architekturmuseum, den ArchitektInnen Sabine Keggenhoff, Jan Kleihues, Elke Reichel, Roger Riewe einen Entwurf aus, der alle Anforderungen erfüllte: Die Wertschätzung für die Gründervilla und eine Erweiterung mit eigenem Charakter, die als Solitär wirkt und dennoch Bezug nimmt auf das bauliche Erbe des Unternehmens. "Die Arbeit besticht durch ihre architektonischen Qualitäten, durch die Situierung und Proportionierung des Neubaus und durch den respektvollen Umgang mit der bestehenden Villa", so ein Auszug aus dem Jurystatement.

Philipp Nehse und Patrick Gerstein von NGA Nehse & Gerstein Architekten BDA haben diesen Spagat erfolgreich absolviert: Die Villa ist zu großen Teilen wieder in den Originalzustand zurückgebaut worden, wie mit Blick auf die ursprüngliche Fensteraufteilung oder die Entfernung einer Doppelgarage. Ebenso wurde der Bau freigestellt und ein großer Teil des Erdreichs am Hang abgetragen. Dank einer Unterfangung ist das einstige Kellergeschoss nun zum vollwertigen Stockwerk mit Arbeitsräumen geworden; rückseitig schließt leicht abschüssig eine großzügige Gartenfläche an. Die Erweiterung hingegen duckt sich links neben dem Bestand fünfeinhalb Meter nach unten, so dass man nach der Einfahrt auf das Gelände auf dessen Dach spazieren kann.

Erst beim Gang um die reich begrünte Vorderseite der Villa zeigt sich die großzügige Erweiterung in ihrer ganzen Pracht: Ein langgestreckter, einstöckiger Riegel aus Sichtbeton und Glas, der auf 352,5 Quadratmetern die Fläche erschließt. Nach außen sind das Kassettendach mit auskragenden Rippen aus Leichtbeton, die rahmenlosen Schiebefenster der dreiseitig umlaufenden Glasfassade und die Ästhetik des Sichtbetons tonangebend, deren Maserung dank der Schalungshaut jener von Holz ähnelt. Im Innenraum halten derweil drei große Stützen das Betondach und lassen in dem offenen Grundriss viel Fläche zur Bespielung frei – die sogenannte "Schalterhalle". Besonders markant in dieser ist die Stütze im vorderen Bereich, die einer umgedrehten Pyramide ähnelt und je nach Blickwinkel eine neue Facette ihrer außergewöhnlichen Form zeigt.

Beide Gebäude sind für eine flexible Nutzung ideal ausgestattet worden: Der in zwei Bereiche aufgeteilte Raum des Neubaus beherbergt so eine großzügige Fläche für Vorträge, Workshops und Seminare, wie einen Empfangsbereich. Ebenso kann eine kompakte Ausstellung zur Unternehmenshistorie mit Exponaten der ersten Patente des kreativen Erfinders Albrecht Jung entdeckt werden – zum Beispiel der Birnenschalter und der Zugschalter mit 1/8 Drehung.

Über eine mehrfach gekrümmte Verbindungstreppe aus Stahl gelangt man anschließend in das Erdgeschoss des Bestands und taucht ein in ausgewählte Farben der Reihe Les Couleurs® Le Corbusier. Aus den 63 Optionen, die für die Jung Schalterklassiker angeboten werden, haben NGA Nehse & Gerstein Architekten BDA für die Gestaltung des Besprechungsraums und des Kaminzimmers zwei Grüntöne gewählt: Die helle Nuance "vert anglais pale" sowie die sattere "vert anglais clair". Foyer und Treppenhaus sind indes in den neutralen Abstufungen "blanc ivoire" und "gris clair" gehalten. Das harmonische Farbkonzept ist von der Wand- und Deckenfarbe über die Textilien bis zu den Möbeln durchdekliniert und bietet im Verbund mit den flächigen Einbauten, einem hellen Holzboden und der indirekten Deckenbeleuchtung ein ganzheitlich kuratiertes Bild. Ein Stockwerk höher ist die Fläche in helle Büros aufgeteilt, inklusive einem Austritt auf den halbrunden Balkon, von dem sich ein herrlicher Blick über das Gelände bis zum nahen Forst öffnet. Über eine historische Holztreppe aus der Gründerzeit kann das oberste Stockwerk erreicht werden – dort befinden zwei kleine Gästeapartments mit Tageslichtbädern.

Die Bedienelemente von Jung wurden dezent verbaut, bilden mitunter Ton in Ton eine Einheit mit den Wänden. "Es ging nie darum, eine Leistungsschau des eigenen Produktportfolios abzubilden, sondern die langfristig beste und nachhaltigste Lösung zu finden", so Jens Stoll, Leiter Produktmanagement bei Jung und Bauherrenvertreter für das Projekt. Die smarte KNX-Technologie aus der hauseigenen Produktlinie ist so in beiden Gebäuden verdeckt verlegt und ermöglicht eine flexible Elektroinstallation wie zukunftsgewandte Systemtechnik, welche je nach Nutzung angepasst werden kann. Über einen Smart Visu Server wurden unter anderem 490 Einbaugeräte der Programme LS990 und LSZero, F40Taster, LSTouch Raumkontroller, Lan- und Steckdosen wie eine KNX-Wetterstation integriert. Zum Heizen und Kühlen sind beide Bauten mit einer Luft-Wärmepumpe ausgestattet. Darüber hinaus wurde für die Warmwasserbereitung eine Luft-Wasser-Wärmepumpe in Invertertechnik installiert und im Neubau ein Kompaktlüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung eingebaut. Ebenso dienen regenerative Energien zur Stromversorgung: Auf den rückseitigen Gaubenfenstern der Villa befinden sich PV-Module, die mit dem bloßen Auge kaum erkennbar sind. Diese versorgen mittels eines Batteriespeichers zwei Wallboxen zum Laden für Elektrofahrzeuge. Die insgesamt 500 Innen- und Außenlichtpunkte werden indes über mehrere DALI-Gateways szenariengesteuert und sind mit Bewegungsmeldern versehen.

Anhand der Komplettsanierung der Gründervilla und dem neuen Erweiterungsbau haben NGA Nehse & Gerstein Architekten BDA im Sauerland einen multifunktionalen Ort der Kommunikation geschaffen. Das inspirierende Ensemble schenkt neue Perspektiven und wird dem Selbstverständnis von Jung als Marke für Architekturschaffende gerecht, die auf ressourceneffiziente Entwicklungs- und Herstellungsprozesse setzt. Zudem unterstreicht das große Invest in den lokalen Standort die Identität des Traditionsunternehmens, das international orientiert ist und parallel die Produktion in Deutschland fördert.

Über Zukunft und Herkunft – Jung Gründervilla

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