NACHHALTIGKEIT
Drei Fragen an Jonsara Ruth
Anna Moldenhauer: Wo stehen wir aus Ihrer Sicht auf dem Weg zum nachhaltigen Bauen?
Jonsara Ruth: Der Begriff Nachhaltigkeit steht heute für viele Aspekte. In der Vergangenheit bedeutete nachhaltiges Bauen Energieeinsparung durch energieeffiziente Gebäude. Es wurde viel über Isolierung gesprochen, um Wärme zu sparen. Heute fragen wir uns: Woraus besteht diese Isolierung? Ist das Material unbedenklich für den Menschen? Und wie viel Energie oder CO2 wurde für die Herstellung dieser Isolierung aufgewendet? Ist die Isolierung biologisch abbaubar? Oder landet sie am Ende ihrer Nutzungsdauer auf der Mülldeponie? Und wo wurde die Isolierung hergestellt? Wurde sie in einer Fabrik hergestellt, die Luft, Wasser und Boden verschmutzt? Und was ist mit den Menschen, die in der Nähe dieser Fabrik leben? Erkranken diese Menschen aufgrund der Umweltverschmutzung durch die Fabrik, in der die Dämmstoffe hergestellt werden? Glücklicherweise stellen sich viele DesignerInnen und ArchitektInnen heutzutage diese Fragen. Das führt dazu, dass sie sich für langfristigere und nachhaltigere Lösungen entscheiden. Das ist wirklich wichtig, denn in den nächsten 50 bis 100 Jahren wird viel Wohnraum benötigt, um die wachsende Bevölkerung zu versorgen. Wir müssen Materialien für den Wohnungsbau wählen, die der Gesundheit unseres Planeten und unseres Körpers nicht abträglich sind.
Wie will das Healthy Materials Lab an der Parsons School of Design die Bau- und Einrichtungsbranche verändern?
Jonsara Ruth: Unsere Arbeit im Labor ist darauf ausgerichtet, gesündere Lebensräume für alle Menschen zu schaffen. Besonders am Herzen liegt uns die Verbesserung der Wohnungen von Menschen, die keine andere Wahl haben, als in billigen oder staatlich subventionierten Gebäuden zu leben. Wir tun dies, indem wir uns für die Verwendung gesünderer Baumaterialien einsetzen, denn die meisten modernen Gebäude werden mit Materialien gebaut, die die Gesundheit der Menschen und die Umwelt gefährden. Die meisten Baumaterialien werden heutzutage aus Petrochemikalien hergestellt, die mikroskopisch kleine Partikel in die Luft freisetzen können. Unbeabsichtigt atmen wir diese Schadstoffe ein, nehmen sie auf oder absorbieren sie sogar in unserem Körper. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Gesundheit der Menschen in direktem Zusammenhang mit ihrer Umgebung steht und dass die Luft in Innenräumen drei- bis fünfmal stärker verschmutzt sein kann als in Außenbereichen. Da es die Materialien und Bauprodukte sind, die Innenräume beeinträchtigen, müssen ArchitektInnen, DesignerInnen und alle, die in der Baubranche Entscheidungen treffen, unbedingt unbedenkliche Materialien wählen. Aber wie kann man wissen, ob ein Material unschädlich ist oder nicht? Das ist nicht einfach, denn es gibt nur sehr wenig Transparenz darüber, welche Stoffe zur Herstellung von Bauprodukten verwendet werden. Deshalb arbeitet unser Team auf vielfältige Weise daran, dieses Thema jedem zugänglich zu machen, der es hören will!
Woran arbeiten Sie im Moment?
Jonsara Ruth: Unser Team arbeitet gemeinsam engagiert an vielen Projekten. Wir recherchieren und stellen Beispiele für gesündere Materialien und Strategien zusammen, die für den Bau gesünderer Wohnungen verwendet werden können. Wir erstellen auch Onlinekurse für Fachleute und die nächste Generation von DesignerInnen und ArchitektInnen, um das Wissen über gesunde Materialien zu erweitern. Wir arbeiten mit Menschen zusammen, die mit Gemeinden zusammenarbeiten, und unterstützen sie bei der Verwendung gesünderer Materialien in ihren Bauprojekten. Wir erstellen Podcasts, organisieren Veranstaltungen und soziale Kampagnen, um das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie wichtig es ist, sich und andere mit Materialien zu umgeben, die unsere Gesundheit fördern und nicht gefährden. Wir sind begeistert von der Vielfalt der natürlichen und biobasierten Materialien, die als brauchbare Bauprodukte zur Verfügung stehen. Stellen Sie sich vor, alle künftigen Wohnungen würden mit Hilfe neuer Technologien aus regenerativen Materialien wie Pflanzen, Mineralien und Pilzen hergestellt! Wir arbeiten an einigen Prototypen von Häusern, die Hanf und Kalk als Wandsystem verwenden. Ein Haus ist für eine Gemeinde in West-Pennsylvania bestimmt, wo eine neue Wirtschaft aufgebaut wird, indem Hanf für Gebäude angebaut wird. Ein anderes Haus ist für einen Ältesten in einer indianischen Gemeinde im Norden von Minnesota bestimmt, wo Hanf angebaut wird, um eine neue Textilindustrie aufzubauen. Und in diesem Frühjahr erforscht unser Team, wie Myzel zu einer brauchbaren Alternative für Gebäude und Textilien wird.