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IMM COLOGNE 2018
Am Boden eine neue Dimension

Jan Kath entwirft und produziert handgeknüpfte und handgetuftete Teppiche der Oberklasse. Jasmin Jouhar hat mit ihm über seine Bodenarbeit gesprochen.
von Jasmin Jouhar | 22.01.2018

Jasmin Jouhar: Herr Kath, Sie bringen jedes Jahr mehrere neue und Updates älterer Kollektion heraus. Wo nehmen Sie die Ideen her?

Jan Kath: Ich bin schon rund 20 Jahre dabei und habe mir in dieser Zeit ein großes Portfolio aufgebaut. Das speist sich aus traditionellen Motiven der Teppichwelt, meine Basis. Aber gleichzeitig beschäftige ich mich mit der Kunst von morgen. Die Idee ist, diese beiden Welten ins Jetzt zu bringen. Und daraus zeitgenössische Produkte zu schaffen, die zugleich zeitlos sind. Außerdem re-inspiriert mich dieses Portfolio. Themen werden verschmolzen und bauen aufeinander auf. Ich mag – als Goethe-Fan – den Begriff Metamorphose. Wenn sich Dinge aus sich heraus entwickeln. Das kann man an vielen meiner Teppiche sehen. Aber eigentlich kommt mir eher zu viel in den Kopf. Ich muss mich zurückhalten, dass ich meine Kunden nicht überfordere. Dass ich nicht zu schnell arbeite.

Viele Ideen sind also nicht vollkommen neu in der Kollektion?

Jan Kath: Klar braucht man mindestens einmal im Jahr eine neue, frische Injektion. Wenn die Idee funktioniert, wird sie auf breitere Beine gestellt. Viele nehmen das vielleicht gar nicht so wahr, aber ähnliche Designelemente tauchen in unterschiedlichen Kollektionen gleichzeitig auf. Ich denke in Ebenen, und diese visuellen Ebenen kann man auf verschiedene Arten überlagern und interpretieren.

Gibt es denn schon Klassiker, die Sie nicht mehr überarbeiten?

Jan Kath: Ja, einige Designs haben sich als fast schon ikonenhaft herausgestellt. Beispielsweise das Design „Boro 10“: Das habe ich vor rund 15 Jahren erfunden. Das geht gleichbleibend gut. Eine sichere Sache, auch farblich. Oder das „Vendetta“-Motiv, was in allerlei Formen immer wieder auftaucht. Das Konzept des Überlagerns selbst ist zum Klassiker geworden.

Sind kulturelle Unterschiede beim Entwerfen ein Thema – dass Produkte in verschiedenen Märkten verschieden funktionieren?

Jan Kath: Absolut! Ein chinesischer Kunde sieht Dinge ganz anders, etwa, weil er brand-orientiert ist und der DNA einer Marke folgen möchte. Deswegen bieten wir in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Lösungen an. Im arabischen Raum bin ich schon lange unterwegs, fühle mich dort zuhause. Da arbeiten wir mit dem bekannten „Erased-Heritage“-Konzept, haben aber beispielsweise arabische Kalligrafien ausprobiert. Der gleiche Teppich, aber in einer lokalen Edition.

Teppich und Raum: Viele Leute schauen gar nicht nach unten. Sie sehen Wände und Möbel, aber nicht den Fußboden. Ein Fehler?

Jan Kath: Der Boden ist eine große Dimension im Raum. Wie man ihn gestaltet, hat einen starken Einfluss auf die Raumtemperatur, also auf die Stimmung. Das merkt man, wenn man mit einem Teppich gelebt hat und ihn wegnimmt. Da kommt einem der Raum plötzlich so nackt vor. Auch farblich kann man den Raum mit Teppichen stark verändern.

Denken Sie die Wirkung im Raum beim Entwerfen mit?

Jan Kath: Meistens ja. Es gibt allerdings Situationen, in denen ich versuche, den Teppich als Objekt zu begreifen, wie eine Skulptur, ein Kunstwerk. Zum Beispiel die „Spacecrafted“-Kollektion, die auf Fotos des Hubble-Teleskops beruht: Die ist nicht direkt für ein Interior gemacht. Da braucht der Kunde schon ein bisschen Mut. Wir können uns aber auch stärker zurücknehmen, etwa bei unserer Arbeit für die französische Modeindustrie. Wir bieten den Marken individuelle Lösungen für ihre Showrooms an. Wir versuchen sie zu verstehen, wie sie ticken und was sie brauchen.

Wie läuft das ab?

Jan Kath: Jede Marke hat eine eigene Abteilung für die Planung der Showrooms und einen Chefdesigner, der ein Externer sein kann. Für einen solchen Auftrag spielen wir erst einmal ein halbes Jahr Pingpong miteinander, um eine Sprache zu entwickeln und zu schauen, was technisch geht. Bevor wir die Produktion starten, müssen wir ganz sicher sein, dass alles passt. Die Planungsphasen sind sehr kurz. Da darf nichts schiefgehen.

Wie kommen die Designs für die Modegeschäfte zustande?

Jan Kath: Auch das ist eine Metamorphose. Die Designs entwickeln sich oft aus Dingen, die die Planer bei uns gesehen haben. Beispielsweise zeigt man mir ein Bild, wie die Fassaden der Shops in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren aussehen werden. Das übersetze ich dann.

Worauf kommt es den Auftraggebern aus der Modebranche an?

Jan Kath: Zum einen auf das Design und die Qualität. Aber auch Zuverlässigkeit in Organisation und Logistik – das ist sehr wichtig! Bei uns gibt es einen großen Apparat, der nichts Anderes macht, als sich um die Modeindustrie zu kümmern. Wir sind achtzehn Stunden am Tag erreichbar, weil wir sowohl mit der West- wie der Ostküste der USA, mit China und Europa sprechen. Wie geht man mit Krisensituationen um? Wie serviceorientiert ist man? Außerdem musste ich mit der Modeindustrie Vereinbarungen treffen über die Arbeitsbedingungen in der Produktion. Die dürfen jederzeit in jede meine Werkstätten rein und jeden Stein umdrehen.