Möbel zeigen Gesicht
Für den bevorstehenden Karneval, ob in Venedig, Köln oder Mainz, sind Jaime Hayons jüngste Kreationen eher nicht gedacht. Überhaupt werden Masken heutzutage, abgesehen von indigenen Völkern, wo sie in rituellen und schamanistischen Kontexten Verwendung finden, nur noch selten öffentlich getragen, auch wenn die Maske in jüngster Zeit bei politischen Protesten wieder auftaucht: Die Internet-Aktivisten von Anonymous etwa ziehen sich eine Guy-Fawkes-Maske auf, wenn sie für die Unabhängigkeit des Internets und gegen Urheberrechte demonstrieren. Auch Hiphop-Stars wie Crow oder Marshmello zeigen sich ihrem Publikum gern mit Maske – und setzen dabei auf den starken Wiedererkennungswert.
Für Jaime Hayon hatte das stilisierte Gesicht immer schon eine besondere Anziehungskraft. So zeigte er jüngst im Rahmen der Interior Design Show in Toronto eine Installation unter dem Titel „Stone Age Folk“ mit raumgreifenden Objekten in Form von Masken, die zwischen Design und Kunst zu balancieren scheinen. In Zusammenarbeit mit dem Quartz-Spezialisten Caesarstone präsentierte Hayon unter anderem Tische mit einem langnasigen, pinocchiohaften Profil als Platte oder mit einem Fuß aus schwarz-weißen Streifen, der an Zirkuspodeste erinnert. Teil seines heiteren Maskenspiels ist auch ein kleiner Schrank, dessen Türen ein gespiegeltes schwarzes Gesichtsprofil bilden. Sämtliche Objekte sind aus dem speziellen Signature Quartz von Caesarstone hergestellt und wirken wie eine Einlegearbeit aus Marmor, Terrazzo oder Estrich.
Mit seiner verspielten Installation knüpft Hayon an seine langjährige bildnerische und angewandte Auseinandersetzung mit der fantastischen Welt des Zirkus und der Commedia dell’Arte an, die 2005 ihren Anfang in der Installation „Mon Cirque“ mit Bosa Vasen genommen und seitdem immer neue Blüten getrieben hat – in Sonderausstellungen, aber auch in seinen vielfältigen Möbelentwürfen. Im Fall von „Stone Age Folk“ setzt Hayon das zur Maske stilisierte Gesicht nun zweidimensional um, sodass deren Lebendigkeit und Mimik vor allem grafisch zum Ausdruck kommt. Unweigerlich muss man an Landsmänner Hayons wie Pablo Picasso oder Salvador Dalí denken.
Für Jaime Hayons Schaffen sind diese freieren und wiederkehrenden Installationen ein unabdingbares Muss. Denn, so sehr sich der Harlekin der Designwelt auch nach dem Applaus des Publikums sehnen mag, so sehr benötigt er offenbar auch die Freiheit, sich in und hinter der Maske – deren Wortwurzel im Übrigen im Arabischen zu finden ist, wo „Maskharat“ für Narr, Posse, Hänselei oder Scherz steht – auszuleben. Und so heißt es dann auch im Begleittext der Ausstellung: „Jede Maske erzählt eine Geschichte. Jaime Hayon kreiert sie aus seinem eigenen Kosmos heraus, die Phantasie mit Handwerkskunst und Qualität vereint.“
Wer sich „Stone Age Folk“ anschauen möchte, der hat beim kommenden Salone del Mobile in Mailand die Gelegenheit dazu, wo die Installation im Palazzo Serbelloni zu sehen sein wird.