Mut zur Farbe
Mit einem mitwachsenden Kinderbett und dem Entwurf einer Küche fing vor zehn Jahren alles an. Damals hatten Sina Gwosdzik und Jakob Dannenfeldt frisch ihr Produktdesignstudium abgeschlossen und ihr erster Sohn kam auf die Welt. Inzwischen bieten sie mit ihrem Studio Studio Jäll & Tofta, das nach dem schwedischen Wohnort Jälluntofta von Jakobs Mutter benannt ist, Lösungen für private Wohnräume und Büros an – vom Garderobenschrank über Küchen bis zur vollständigen Einrichtung.
Judith Jenner: Mit welchen Vorstellungen wenden sich Kunden an Sie, die sich eine neue Küche wünschen?
Sina Gwosdzik: Einige Kunden kommen gezielt, weil sie sich eine maßgeplante, vom Tischler gefertigte Küche wünschen und die Wertigkeit schätzen. Andere haben sich bereits mit Lösungen befasst, die bestehende Systeme ergänzen – in der Planung fühlen sie sich aber überfordert und merken, dass sie mit etwas minderwertigen Korpussen samt Innenleben und Beschlägen immer einen Kompromiss eingehen. Das wollen eigentlich viele Kunden nicht mehr, wenn sie eine eigene Wohnung kaufen. Zu uns kommen sie dann mit dem Wunsch nach einem Rundum-Sorglos-Paket. Sie suchen jemanden, der nach ihren Wünschen fragt, eigene Ideen einbringt, den Tischler besorgt und am Ende auch den Bau mitbetreut.
Sie sind von Hause aus ProduktdesignerInnen. Gehen Sie anders an Projekte heran als InnenarchitektInnen?
Jakob Dannenfeldt: In der Planung geht es bei uns immer viel um Details und darum, dass eine Küche nicht nur eine Küche ist, sondern auch ein Objekt, an dem man lange seine Freude hat. Bei der Küchenplanung kämpfen wir um jeden Zentimeter Stauraum. Das ist wie beim Tetris Spielen. Wohnraum in der Stadt ist einfach begrenzt.
Sina Gwosdzik: Was wir auch aus dem Produktdesignstudium mitgenommen haben ist ein großes Interesse an Materialien. Wir schauen immer, was sich gerade auf dem Markt bewegt, was sich anders nutzen oder kombinieren lässt. Auch um sich ein wenig zu lösen von den Standards Edelstahl, Stein und Holz als Arbeitsplatte und den üblichen Varianten für die Fronten. Von der Konstruktion und der Gestaltung her versuchen wir eine Küche nicht per se als ein reines Arbeitswerkzeug zu sehen, sondern als das Herz des Wohnraums.
Jakob Dannenfeldt: Allgemein haben wir das Gefühl, dass es den Leuten wichtiger wird, womit sie sich zu Hause umgeben. Das hat sicherlich auch mit der Pandemie zu tun. Wenn man viel zu Hause ist, erkennt man einfach eher, wo es Optimierungsbedarf geben könnte.
Bekommen Sie mehr Anfragen als sonst?
Sina Gwosdzik: Unsere Aufträge haben sich seit Beginn dieses Jahrs verdreifacht. Vor einem Monat haben wir deshalb einen neuen Kollegen im Team eingestellt und sind zusammen mit einer freien Mitarbeiterin jetzt zu viert. Ich beobachte, dass die Menschen mehr Zugang zu Möglichkeiten entdeckt haben und Innenraumgestaltung als selbstverständlichen Service begreifen. Es bedeutet kein Eingeständnis mangelnden Geschmacks mehr, sich die Wohnung von einem Profi einrichten zu lassen. Das ist ja auch Quatsch, denn eine Innenraumgestaltung bedeutet immer gemeinsame Entscheidungen.
Mit welchen Materialien arbeiten Sie bei Küchen?
Jakob Dannenfeldt: Das Schwierige an Küchen ist immer, ein gutes Arbeitsplattenmaterial zu finden. Da ist die Auswahl relativ begrenzt, weil sie einer großen Belastung standhalten muss. Bei einigen Projekten haben wir mit recycelten Kunststoffplatten gearbeitet. Da gibt es gerade viele neue Entwicklungen aus Holland und England. Bei neuen Materialien ist natürlich immer die Frage, wie sie sich mit der Zeit verhalten werden. Aber wenn der Kunde mitgeht, finden wir so etwas sehr interessant.
Sina Gwosdzik: Spannend finden wir auch, Materialien zu kombinieren und so einen Kontrast zu schaffen, beispielsweise wenn ein Kunststoff neben einem Stein liegt oder neben einem Linoleum.
Wie setzen Sie Farben in der Küche ein?
Sina Gwosdzik: Natürlich unterliegen Farben immer einer gewissen Mode und einem Zeitgeist. Von diesem Einfluss kann sich kein Mensch freimachen. Wir versuchen zu schauen, für wen wir die Küche entwerfen und ermutigen die Leute, auf ihr Gefühl zu vertrauen. Wenn man sich mit einer Planung wohlfühlt, ist das oft etwas, was über Jahre trägt. Einige Kunden werden unsicher, wenn viel zu entscheiden ist, und greifen zurück auf sichere Grau-Weiß-Lösungen. Aus meiner Erfahrung bereut man das später mehr als sich für eine mutige Farbe entschieden zu haben. Es bleibt ein langweiliger Kompromiss.
Wie läuft der Planungsprozess üblicherweise ab?
Jakob Dannenfeldt: Meistens steht am Anfang ein Telefonat. Danach wird die Wohnsituation analysiert, ein Aufmaß genommen und erste Dinge besprochen. Und dann gehen wir bereits in die Konstruktion.
Sina Gwosdzik: Das für uns als Gestalter etwas unangenehme Thema Kosten versuche ich gleich im ersten Gespräch anzusprechen, damit wir wissen, ob das Projekt im Budget des Kunden liegt. Oft ist nicht unbedingt die Gestaltungsleistung, sondern das Handwerk das Teure. Wenn das geklärt ist, fahre ich zum Kunden. Ich finde es sehr wichtig, sich persönlich kennenzulernen und zu gucken, ob man auf einer Wellenlänge schwingt. Wir haben einerseits sehr designaffine Kunden. Andererseits gibt es aber auch viele Kunden, die das nicht sind und einen großen Wunsch nach Veränderung mitbringen. Durch gezielte Fragen und Beispiele versuchen wir dann nach und nach das Projekt zu skizzieren.
Woher bekommen Sie Ihre Inspirationen?
Sina Gwosdzik: Momentan findet Inspiration fast ausschließlich digital statt. Wir interessieren uns aber auch sehr für Kunst. Da geht es dann gar nicht so um Trends, sondern um eine Atmosphäre, die sicherlich in unsere Entwürfe einfließt. Mir kommen aber auch Ideen, wenn ich in unserem Garten arbeite und die Natur genieße.