Samtweich und geräuschlos drehen sich die vier karusselartigen Gebilde im Innenhof der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Via Cavalieri del Santo Sepolcro. Die Besucher, die sich hier eingefunden haben, erscheinen wie Statisten in einem modernen Stummfilm. Manche stehen in respektvollem Abstand, andere sitzen auf den Flächen dieser monumentalen futuristischen Installationen, die sich unentwegt im Kreise drehen. Sanft wiegen sich die am Dach angebrachten blauen Stoffstreifen im Fahrtwind. Und jeder fragt sich, was das bloß zu bedeuten hat? „Quiet Motion“, also „stille Bewegung“, so betitelt BMW dieses Projekt in Zusammenarbeit mit dem französischen Designerduo Erwan und Ronan Bouroullec, mit dem der Autobauer zum diesjährigen Salone del Mobile Designer, Presse und Messebesucher zum Stelldichein lädt, um über Mobilitäts-Konzepte der Zukunft sinnieren.
Mensch, Mobil und Landschaft
„Dieses Projekt bietet uns viel“, so BMW-Chefdesigner Adrian van Hooydonk. „Inspiration, Austausch, Diskussion. Es hilft uns, mit anderen Designern zu arbeiten, um Dinge zu validieren, die wir tun.“ Seit einigen Jahren schon ist BMW mit Designerprojekten während des Salone del Mobile präsent, unter anderem in Kooperation mit Persönlichkeiten wie Patricia Urquiola. Dieses Jahr sind es also die Bouroullecs. „Wir wollten über Stille und Bewegung sprechen“, so Ronan Bouroullec. Sein Bruder Erwan fügt hinzu: „Wir sind nicht an der Power von Fahrzeugen interessiert. Wir interessieren uns eher dafür, inwiefern der Mensch und das Mobil Teil einer Landschaft sein können.“
Nachhaltiges Im-Kreise-Drehen
Zwei Jahre haben die Brüder an der Installation für BMWi gearbeitet. Hier ein paar Fakten: Siebzehn mal vierzehn Meter Platz nehmen die vier Plattformen ein. Um der Vision der Sub-Marke BMWi zu entsprechen, unter der in diesem Jahr das erste E-Mobil des Konzerns auf den Markt gebracht werden soll, wurden Elemente aus dem umweltfreundlichen Autobau verwendet. So werden die Karussells mit einem Elektromotor angetrieben, das für den Leichtbau geeignete, mit regenerativer Energie hergestellte Carbon kam an den Säulen zum Einsatz, ebenso wie ein mit pflanzlichen Tanninen gegerbtes Leder für die Sitzflächen und Kork aus nachhaltigem Anbau für die Plattformen.
Die Idee des geräuschlosen, schadstoffarmen Fahrens, bei dem man seinen Blick auf die vorbeiziehende Landschaft schweifen lassen kann, stand Pate. „Das moderne Nomadentum haben wir auf poetische Weise abstrahiert, indem wir die Bewegung im Einklang mit der Umwelt, und auch ein Beobachten wie aus einem Autofenster heraus, sichtbar gemacht haben“, so Erwan Bouroullec. So poetisch er das neue Mobilitätskonzept auch sieht, so pragmatisch sind die Ziele von BMW, damit Erfolg zu haben – und nicht zuletzt einen Beitrag zur umweltfreundlicheren Automobilität zu leisten. Denn: Das E-Autos ist noch lange nicht dort, wo die Macher es sehen. Ein Land wie Deutschland beispielsweise, das sich durch neuste Solartechnologien auf dem Gebiet der regenerativen Energiegewinnung weltweit einen Namen machen konnte, so gab die Bundesregierung jüngst bekannt, bleibt in der angestrebten Nutzung von E-Mobilität noch zurück.
Das Unterfangen, BMW mit den Bouroullecs zusammenzubringen, war kein Leichtes. Dass die Brüder keine großen Autofreaks sind, ist unverkennbar. Eher kann man sich vorstellen, dass die beiden mit dem Fahrrad oder einfach zu Fuß oder mit der Metro in Paris unterwegs sind. Daher ist es nur folgerichtig, dass sie für das BMWi-Projekt einer alternativen Mobilität Ausdruck verleihen wollen. Adrian van Hooydonk zeigt sich begeistert über die Kooperation mit den Bouroullecs. Mit größter Achtung und Respekt seien sie aufeinander zugegangen, so Hooydonk, da sie ja beide zu den größten in ihrer jeweiligen Branche gehören. Die Chemie stimmte sofort, Hooydonk hebt ihre bescheidene Art hervor, und dass sie Könner auf dem Feld des Produzierens seien.
Die Schönheit einer Sub-Marke
„Bei BMWi drücken wir die Reset-Taste“, erklärt der Designer. Mit dem neuen Mobilitätskonzept, das in diesem Jahr mit dem BMW i3 als serienfähiges Modell vom Band geht, will BMW neue Käuferschichten ansprechen – ohne die alten zu verprellen. Die neuen, jüngeren Kunden interessiere weniger die PS-Zahl als Aspekte wie Nachhaltigkeit und Effizienz, ist Hooydonk überzeugt. Es gehe weg vom „mehr und mehr“. Es sei das Schöne an einer Sub-Marke, solche Ziele nun für BMW verwirklichen zu können. Und er unterstreicht dabei die Bedeutung der Zusammenarbeit mit dem Bouroullecs: „Die Möbelmesse ist eine gute Plattform, den Diskurs über Designprojekte anzuregen. Auf einer Autoshow muss ich ein Produkt in drei Minuten erklären. Was die Bouroullecs realisiert haben, würde dort nicht funktionieren.“ Er selbst als passionierter Mini-Fahrer kann die Marktreife des neuen BMW i3 kaum abwarten und will damit dann auch in München umherflitzen.
Sicher ist die Installation manchen zu abstrakt. Für echte Automobil-Liebhaber ist ein Concept Car, wie es Ross Lovegrove für Renault geschaffen hat und in der Triennale vorgestellt hat, eher ein Hinweis auf zukunftsträchtiges Autodesign. Wiederum manche sehen es als PR-Gag – die neusten Leuchten der Bouroullecs für Flos waren integriert – oder womöglich als Anmaßung von Produkt-Designern, sich in die Kunstwelt vorzuwagen. Jedoch: Die Idee, geräuschlose, schadstoffarme Mobilität zur Botschaft einer Installation zu machen, ist charmant und prägt sich ein. Ein Projekt von Designern mit und für Designer, das zum Verweilen, zum Nachdenken und nicht zuletzt zur Diskussion anregt, kann womöglich ja doch dazu beitragen, dem politisch erklärten Ziel einer umweltverträglichen Mobilität Auftrieb zu geben.