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STYLEPARK ISH
Chancen nutzen

Im Vorfeld der ISH, die vom 13. bis zum 17. März 2023 in Frankfurt am Main stattfindet, haben wir uns mit zwei Experten der SHK-Branche unterhalten: Jens J. Wischmann, Geschäftsführer der Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e.V. (VDS) und Claudio Paulus, Mitglied der Geschäftsführung des Heizungs- und Klimatechnikbetrieb E. Engelhardt GmbH + Co.KG. Was der Status quo ist und welche Themen an Bedeutung gewinnen werden, sagen sie uns im Interview.
09.03.2023

Anna Moldenhauer: Wie hat sich die Branche aus Ihrer Sicht seit der ISH 2019 verändert?

Claudio Paulus: Natürlich haben wir gerade im Heizungsbereich viele Entwicklungen hinter uns, vor allem mit Blick auf die Themen Wärmepumpen, nachhaltige Heizungssysteme und energiesparende Heizungssysteme. Da hat sich schon viel getan. Auf der Sanitärseite ist das noch nicht so weit, da gibt es eher einzelne Energiesparmöglichkeiten, wie mit Hilfe von Wassersparperlatoren oder Wassersparduschköpfen, aber diese verändern nicht das große Ganze. Wir haben zudem keinen Einfluss darauf, ob deren Produktion nachhaltig ist.

Jens J. Wischmann: Ich verstehe Herrn Paulus – auf der Seite der Energieerzeugung stehen wir im Zuge der Energiewende, des Krieges in der Ukraine und seinen Folgen vor große Herausforderungen. Für den Sanitärbereich sind diese fundamentalen Umwälzungen zum Glück nicht vorhanden. Hier geht es eher um Fragen der zukünftigen Qualität des Trinkwassers und der Warmwassererzeugung, woher die Energie stammen soll, die hierfür benötigt wird. Ich glaube schon, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Branche angekommen ist. Die Fragen, die uns aktuell beschäftigen, drehen sich um die Trinkwasserzukunft, um Stagnation des Wassers in leerstehenden Gebäuden, um eine funktionierende Kaltwasserversorgung, auch bei starker Dämmung. Wasserknappheit war in Deutschland nie ein Thema, aber langsam stellen wir fest, dass es auch hierzulande Gebiete gibt, die in Dürrezeiten oder über Verseuchungen in den Böden mit dieser Reduktion konfrontiert werden. Die Betriebe sind da eher im Bild als die VerbraucherInnen. Nachhaltigkeit ist für BauherrInnen bei einem Umbau des Bades nicht immer das Erste, das nachgefragt wird. Ebenso woher die Materialien stammen, und ob es einen Recyclingkreislauf gibt. Dennoch müssen sich auch in den Betrieben die Strukturen verändern, sowohl in der Produktion, wie auch in der technologischen Entwicklung. Der Umweltbericht als Feigenblatt reicht nicht. Wir sind gerade dabei einen Nachhaltigkeitsbericht für die SHK-Branche zu erstellen und bei der Recherche zeigt sich, wie vielfältig das Engagement der Branche ist. Trends haben das Potential über die Zeit zu großen Veränderungsbewegungen heranzuwachsen, und ich bin überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit in unserer Branche zukünftig mehr Kraft bekommen wird als bisher.

Herr Paulus, Sie bilden gemeinsam mit Ihren Brüdern die dritte Generation des familiengeführten Handwerksunternehmen E. Engelhardt GmbH+Co KG, ein Heizungs- und Klimatechnikbetrieb aus Nürnberg. Die Leistungen, die Sie anbieten, reichen vom Neubau über die Modernisierung bis zum Service und Kundendienst. Welchen Bedarf spüren Sie aktuell von Ihren KundenInnen in diesem Themenfeld?

Claudio Paulus: Wir spüren eine enorme Verunsicherung der VerbraucherInnen, gerade beim Thema Heizungstechnik, auch befeuert mit den Ankündigungen von politischer Seite für ein mögliches Verbot der Öl- und Gasheizungen. Viele scheuen den Aufwand einer energetischen Sanierung, die mit dem Einbau einer Wärmepumpe einhergeht und setzen stattdessen auf eine moderne Version der bestehenden Öl- oder Gasheizung. Somit steigt entgegen der Energiekrise aktuell wieder die Nachfrage für diese Technik, denn sie ist vertraut und bietet für die AnwenderInnen eine Sicherheit. Natürlich können wir nur unseren Blickwinkel als Unternehmen sehen, dass in erster Linie im Nürnberger Innenstadtbereich arbeitet – tonangebend sind hier die klassischen Mehrfamilienhäuser mit Gasetagenheizungen. In dieses System lassen sich erneuerbare Energien nur schwer integrieren. Beim Konzept der Wärmepumpe sind zudem für die EigentümerInnen viele Fragen offen, von rechtlichen Belangen bis über ganz praktische Situationen, wie das System bei einer Sandsteinfassade beispielsweise funktioniert, oder wie vermieden werden kann, das die Betriebsgeräusche eine Lärmbelästigung für die AnwohnerInnen verursachen. Dazu kommen die strengen Regularien für Abstandsflächen hier in der Region. Auch steckt hinter vielen Fernwärmenetzen der Betrieb mit Gas. Wo da der Vorteil sein soll, weiß ich nicht. Wenn die Wärmepumpe mit Kohlekraftwerken betrieben wird, ist der Ansatz im Schluss nicht nachhaltig. Da muss noch viel Konzeptarbeit geleistet werden, um eine Investitionssicherheit zu gewähren.

Herr Wischmann, sehen Sie die Komplexität des Systems und ihrer Vermittlung ähnlich?

Jens J. Wischmann: Ich bin kein Heizungsspezialist, aber ich habe sicher in meiner Zeit beim Handwerksverband einen guten Einblick bekommen. Ich sehe es hundertprozentig genauso. Die Politik hat ein höheres Ziel, aber der Teufel steckt im Detail. Die Stromquellen, um diese Maßnahmen schnell umsetzen zu können, haben wir aktuell nicht. Jedes Gebäude hat zudem eine eigene Handschrift und braucht ein individuelles Energiekonzept. Eine Fachmesse wie die ISH ist sehr wichtig, um sich in der Branche untereinander auszutauschen, welche Herausforderungen bestehen, und wie wir hierfür unser Angebot am besten kombinieren können. Die Branche braucht wie die VerbraucherInnen eine Investitionssicherheit. Es geht um langfristige Lösungen, das Motto "rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" funktioniert da nicht. Man kann nicht alle fünf Jahre eine neue Heizung oder ein neues Badezimmer einbauen. Ich bin von Haus aus Jurist und wenn man die Gesetze dauernd ändert, schafft man kein Vertrauen. Es geht um Sicherheit, um einen Planungshorizont. Das ist auch das Petitum an die Politik, diese Sicherheit wiederherzustellen. Die Branche ist bereit, die Lösungen dafür zu entwickeln, produktseitig und auch installationsseitig. Wir brauchen hierfür aber eine Grundlage.

Finden Sie die Förderungen nachhaltiger Lösungen ausreichend, die aktuell für die Branche angeboten werden?

Claudio Paulus: Ich bin kein großer Freund von Förderungen, weil sie sich in der Regel auf die Produktpreise niederschlagen. Eine schlichte steuerliche Anerkennung von einer energetischen Sanierung wäre viel sinnvoller, weil dann auch der Marktpreis eines Produkts gerechtfertigt wäre. Die Personen, die in die energetische Versorgung ihres Hauses investieren, sollten davon auch profitieren, zum Beispiel in Form eines Zuschusses vom Staat. Die Mehrkosten, die heute ein energetisches Heizungssystem mit erneuerbaren Energien mit sich bringt, werden von der Förderung letzten Endes nicht komplett abgedeckt. Für meine Begriffe wäre eine einfache Lösung wie die steuerliche Förderung für die Modernisierung besser als die KFW-Förderung oder die BAFA-Förderung, die im Moment laufen.

Was meinen Sie, Herr Wischmann?

Jens J. Wischmann: Absolut. Ich bin für eine steuerliche Absetzbarkeit, auch wenn die Politik dagegen ist. Da heißt es oft: „Die steuerliche Absetzbarkeit kommt nur denen zugute, die Steuern zahlen." HausbesitzerInnen zahlen aber auch Steuern. Ich freue mich über eine Förderung, aber ordnungspolitisch bin ich wie Herr Paulus der Meinung, dass es die Produktpreise hochzieht. Allen ist geholfen, wenn wir die Subventionen schneiden und dann lieber den BürgerInnen mehr Geld in der Tasche lassen. Zudem geht es nicht nur darum Anreize für die Nachhaltigkeit mit einer Förderung zu schaffen. Das Bewusstsein, dass dieses Thema eine Priorität hat, ist ebenso bedeutsam.

Claudio Paulus: Für die Antwort auf diese Frage muss ich mir nur meinen Neffen anschauen, der die vierte Generation in unserem Familienbetrieb ist – er hat die klare Erwartungshaltung, dass wir uns diesen Themen viel stärker widmen als bisher. Ein weiterer Punkt wären die Pflegebäder. Altersgerechte Badlösungen werden zukünftig vermehrt benötigt werden. Auch hierfür erhoffen wir uns von der ISH neue Impulse, denn Pflegebäder können durchaus ästhetisch sein. Darüber hinaus ist es immens wichtig, junge Menschen für den Beruf in der Sanitär- und Heizungsbranche zu begeistern, wie seitens „Zeit zu starten", einer bundesweiten Ausbildungsinitiative für Berufe im SHK-Handwerk, die derzeit über den Zentralverband Sanitär Heizung und Klima und seiner Landesverbände angeboten wird. Wir freuen uns auf einen guten Dialog, über eine starke Diskussion, die auch in der Bevölkerung das Interesse für die Möglichkeiten der Branche weckt.

Herr Wischmann, mit welcher Erwartungshaltung werden Sie die ISH besuchen?

Jens J. Wischmann: Wir wünschen uns, dass die ISH eine große Strahlweite hat, die zeigt, dass es bei den SHK-Themen um eine Lebensbegleitung geht, die sichert, dass wir es warm haben, dass die Wasserversorgung funktioniert und das wir auch im Alter in selbstgenutzten Eigenheimen wohnen können. Die Gesellschaft stellt an die Branche hohe Herausforderungen und wir brauchen einen entsprechenden Austausch um für diese Lösungen zu finden. Es geht auf der ISH nicht nur um neue Farben für Armaturen, sondern um die Optimierung von Systemen, um neue technische Lösungen. Ebenso thematisiert das Angebot auf der ISH die existenziellen Fragen der Branche, unsere Weltsicht und was der Fleiß der Tüchtigen wert ist. Die ISH bietet uns die Option in den Dialog zu treten und dieser sollte auch nach dem letzten Messetag weitergeführt werden.

Ich würde mit Ihnen gerne noch ein wenig genauer auf das Thema Modernisierung von Bestandsbauten blicken. Inwiefern sehen Sie eine Chance für die Sanitär- und Heizungsbranche, hierfür passende Lösungen zu entwickeln?

Claudio Paulus: Der SHK-Branche kommt da eine ganz entscheidende Rolle zu, denn die ArchitektInnen haben haustechnisch meist nicht den großen Durchblick, das ist nicht ihre Aufgabe. Die PlanerInnen und InstallateurInnen, die die ArchitektInnen an dieser Stelle unterstützen, müssen daher vernünftig geschult sein, um optimale Lösungen für die Haustechnik im Bestand bieten zu können.

Jens J. Wischmann: Über 70 Prozent des Umsatzes läuft über die Renovierung und Sanierung. Konzepte für den Erhalt von Bestandsbauten zu entwickeln, die auch bezahlbar sind, ist unabdingbar. Der Trend der Förderung geht zudem in Richtung Mehrfamilienhaus. Wir wollen in Deutschland im Bau gerne die eierlegende Wollmilchsau, von der gewünschten Ausrichtung der Fenster, über die Dämmung, einer altersgerechten und barrierefreien Ausstattung, einer ökologischen Gesamtbilanz et cetera. Parallel haben wir für jeden Punkt eine Vorschrift beschlossen, die es einzuhalten gibt. Und am Ende kommen dann noch die Vorgaben des Brandschutzes hinzu. Ich denke manchmal muss man bereit sein, bei den Wunschvorstellungen ein paar Abstriche zu machen und stattdessen neue Ideen für eine Optimierung des Bestands auszuprobieren, wie Modulbauweisen.

Wie sinnvoll können regenerative Energien von der Branche derzeit genutzt werden?

Claudio Paulus: Wir versuchen natürlich, das Thema so gut wie möglich einzubringen. Der Klassiker ist die Solaranlage am Dach. Das ist eine ausgereifte Technik, die relativ unkompliziert ist und da unsere Sommer auch hierzulande mittlerweile sehr warm sind, kann die Warmwassergewinnung fast komplett darüber funktionieren. Wenn es um die Heizung geht, tendieren wir in Richtung Brennstoffzelle, Blockkraftheizwerke. Aber das sind Angebote, die derzeit noch sehr kostenintensiv sind, da sie noch in der Pilotphase sind. Da wird sich sicherlich etliches tun, aber die Versorgungswege müssen erst entsprechend angepasst werden. Sprich, wenn ich statt Gas irgendwann einmal Wasserstoff durch eine Leitung schieben will, dann habe ich ein technisches Problem, weil Wasserstoff sehr viel kleinere Atome hat. Der Anteil an Wasserstoff, der sich derzeit bei einer Gasversorgung zumischen lässt, ist relativ gering, um die 15 Prozent. Wir stehen da noch ganz am Anfang. Eine andere Möglichkeit ist biogenes Flüssiggas, das erfordert einen Umbau der Gasheizung, ist aber theoretisch möglich. Ich würde allgemein sagen, dass im Bereich der regenerativen Energien viele Ideen auf dem Weg in den Markt sind, da wird sich noch viel tun. Und wir sind mit dabei.

Jens J. Wischmann: Leuchtturmprojekte, die zeigen, dass eine Veränderung möglich wäre, sind an der Stelle immer wichtig – wie das Dekadenprojekt „Roadmap H2E" für eine Wasserstoffregion Emscher-Lippe, das gut 40 konkrete Projekte umfasst. Zudem braucht es auch den Mut, die positive Wirkung der Aktionen auf die Umwelt über den Profit zu stellen. Wenn der Unterbau stimmt, setzt sich auch die Technologie durch, das konnten wir bei der Entwicklung der Solartechnologie gut beobachten. Ich wünsche mir nur, dass wir es schaffen diese Schritte für eine nachhaltige, autarke Energieversorgung zu gehen, ohne erneut von einer anderen Regierung abhängig zu werden. Zudem muss das SHK-Handwerk wie das Elektrohandwerk die Kapazitäten aufbringen können, um die entsprechenden Komponenten anzubieten. Je eher die neuen Lösungen verfügbar sind, umso schneller werden sie in die Systeme eingebunden und dazu zählen auch die bestehenden Haushalte.

Gibt es etwas, das Sie sich aktuell in der Kommunikation mit ArchitektInnen und PlanerInnen wünschen?

Claudio Paulus: Das Verständnis und die Anerkennung der jeweiligen Expertise. ArchitektInnen sind optische PlanerInnen und für die Haustechnik sollten sie sich auf unseren Fachbereich verlassen, denn das ist unser Metier. Das Verständnis für die Technik wird uns von ArchitektInnen mitunter abgesprochen, stattdessen versuchen sie abenteuerliche Lösungen zu finden und wir sind dann die Bösen, wenn wir diese aus guten Gründen nicht umsetzen wollen.

Jens J. Wischmann: Wir wissen zu schätzen, wenn ArchitektInnen sagen: „Wir haben einen guten TGA-Fachpartner, wir haben einen guten ausführenden Betrieb. Wir befruchten uns gegenseitig." Die integrative Planung wird auch in der Ausbildung zu wenig vermittelt. Ebenso ist es für einen mittelständischen SHK-Handwerksbetrieb schwierig in der Kommunikation sowohl die EndverbraucherInnen wie die ArchitektInnen anzusprechen. Es geht allgemein um mehr Offenheit und Neugier für das Zusammenwirken der Bereiche. Gerade weil wir weniger Neubauten errichten, ist der integrative Planungsprozess entscheidend. Und dafür dient auch die ISH – denn diese bietet die Möglichkeit, sich über die entscheidenden Aspekte zu informieren.

Als Ausblick – wo sehen Sie in der Branche im Moment ein Wachstum?

Claudio Paulus: Auf drei Bereichen: Der eine betrifft die nachhaltige Energieversorgung, Warmwasseraufbereitung, Heizung. Da sind wir wie erwähnt gerade erst am Anfang von einem Umbruch, der uns die nächsten Jahre sicher stark beschäftigen wird. Der zweite Bereich bleibt das Pflegebad. Wir sind eine alternde Gesellschaft und nicht jede Person möchte ab einem bestimmten Punkt in ein Pflegeheim umziehen, beziehungsweise wird sich dieses leisten können. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns so lange wie möglich in unseren Wohnungen selbst versorgen können. Wir brauchen zudem vernünftig ausgebildete Fachleute, Personen, die sich den Herausforderungen stellen können, die die neue Technik mit sich bringt. Unser Betrieb beschäftigt aktuell elf Auszubildene. Um dieses Level halten zu können, sind wir auf eine verlässliche Unterstützung seitens der Politik angewiesen, auch im Sinne von Aktionen, die zeigen, dass der akademische Ausbildungsweg nicht er Einzige ist erfolgreich zu werden, sondern die duale Ausbildung mit Meisterausbildung im Handwerk mindestens genauso erfolgreich sein kann. Die Chancen sind groß, wir müssen sie nur anbieten wollen.

Jens J. Wischmann: Da schließe ich mich an. Nicht nur in Nürnberg gibt es SHK-Fachbetriebe, die das, was landläufig unter "Handwerk" verstanden wird, weit überholt haben, stattdessen bieten sie High-Engineering. Und das ist auch eine Aufgabe für die ISH, das Verständnis zu erweitern, was das Handwerk bereits leistet, und darüber hinaus noch anbieten kann. Die notwendige Ernsthaftigkeit der Diskussion ist auf der ISH in hohem Maße gegeben. Und darauf freue ich mich.


ISH 2023 Weltleitmesse für Wasser, Wärme, Luft
13. bis 17. März 2023
Ludwig-Erhard-Anlage 1
60327 Frankfurt am Main

Claudio Paulus
Jens J. Wischmann