Unverwechselbare Erscheinung
Fabian Peters: Alles wartet auf den ersten MINI mit vollelektrischem Antrieb, der 2019 präsentiert werden wird. Wie weit sind Sie mit der Entwicklung?
Oliver Heilmer: Jetzt, ein Jahr vor dem Launch, arbeiten wir eigentlich nur noch an den letzten Verfeinerungen – vor allem im Bereich der Industrialisierung, das heißt an den Produktionsabläufen bei der Herstellung.
Wie wird sich der vollelektrische MINI von seinen benzinbetriebenen Geschwistern unterscheiden? Und was ist mit der sprichwörtlichen Dynamik des MINI?
Oliver Heilmer: Die besitzt er auf jeden Fall! Als wir im Jahr 2008 das erste Mal eine Kleinserie von elektrischen MINIs gebaut haben, war das genau unsere Fragestellung: Fühlt sich das Fahrzeug an wie ein richtiger MINI? Und die eindeutige Antwort war: definitiv! Die Prototypen waren noch Zweisitzer, weil an der Stelle, wo normalerweise die Rücksitzbank zu finden ist, die Technik untergebracht war. Das wollten wir in der Serienversion natürlich ändern. Und jetzt freuen wir uns, dass wir beides umsetzen konnten: Ein sehr dynamisches Auto, das gleichzeitig genauso alltagstauglich ist, wie jeder andere MINI.
Anlässlich des berühmten Goodwood Festival of Speed in England hat MINI im Juli quasi als Sneak Preview je eine Designskizze des Grills sowie einer Felge des ersten vollelektrischen MINI präsentiert. Warum gerade diese beiden Bauteile?
Oliver Heilmer: Wie bei der Fahrdynamik war auch beim Design unser Hauptanspruch: Der vollelektrische MINI soll in erster Linie ganz klar erkennbar ein MINI sein. Im zweiten Schritt haben wir dann überlegt, wie und wo wir die besondere Note des Fahrzeugs herausarbeiten. Der Kühlergrill bietet sich da geradezu an, weil er bei einem elektrisch angetriebenen Fahrzeug viel stärker geschlossen sein kann als bei einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Das haben wir für eine ganz besondere Optik ausgenutzt.
Und die Felgen?
Oliver Heilmer: Ich vergleiche Felgen immer gern mit Schuhen. Sie können einem Look den gewissen Twist, das besondere Etwas, verleihen. Sie haben extrem viel Potenzial, um Dinge auszudrücken. Deshalb war es uns bei den Felgen ganz, ganz wichtig, eine wirkliche Neuheit zu entwickeln – eine Felge, die es so noch nicht gegeben hat. Also haben wir eine sehr ungewöhnliche, grafisch anmutende Gestaltung entworfen. Ein asymmetrisches Design, wie wir es hier verwirklicht haben, ist für Felgen absolut ungewöhnlich.
Was machen solche Veränderungen mit dem Charakter des MINI?
Oliver Heilmer: Ich vergleiche das immer gern mit David Bowie, der sich immer wieder neu erfunden hat, der aber trotzdem immer ganz unverkennbar er selbst geblieben ist. Der MINI ist auch so eine unverwechselbare Erscheinung, die durch ihre Wandelbarkeit und ihren Facettenreichtum nur noch faszinierender wird.
Die ikonische Form des MINI entstand ja Ende der 1950er als Konsequenz aus den drei wichtigsten Konstruktionsmerkmalen: Quermotor, Frontantrieb und der Verwendung dieser sehr kleinen Räder, die der classic Mini besaß. Wird der elektrische Antrieb perspektivisch die Form des MINI verändern?
Oliver Heilmer: Ich gehe fest davon aus, dass die Antriebsart die Weiterentwicklung des Designs beeinflussen wird. Andererseits: Auch wenn in Zukunft kein Benzinmotor unter der klassischen MINI Haube mehr sitzt, so brauchen wir sie eben doch, um die heutigen Anforderungen wie beispielsweise an die Crashsicherheit zu erfüllen. Und was viele vergessen: Auch Elektromotoren benötigen Kühlung. Und diese Kühler sitzen idealerweise vorne.
Wie stark nehmen Sie auch Einflüsse außerhalb des Automobildesigns auf?
Oliver Heilmer: Wir sind ein sehr vielschichtiges Design-Team bei MINI, denn wir kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Wir haben etwa Mode-Designer bei uns und Architekten. Und jede dieser Personen bringt ihre eigene Perspektive mit. Was da an Wissen und Einflüssen zusammenkommt, ist für uns ein riesiger Schatz.
Was begeistert Sie beispielsweise?
Oliver Heilmer: Kunst ist für mich als Einfluss äußerst wichtig. Ich finde es etwa extrem spannend, dass der Grafikkünstler Takashi Murakami, mit Persönlichkeiten wie Kanye West zusammenarbeitet und gleichzeitig mit Louis Vuitton kooperiert. In New York war ich vor kurzem in einem Wohnhaus, das von Zaha Hadid designt worden ist. Dort waren die Treppenstufen die einzige rechtwinklige Form – in Summe ein extrem faszinierendes Projekt.
Mit dem Think Tank MINI LIVING erkundet MINI ja sehr intensiv die Zukunft des urbanen Wohnens. Sharing spielt da eine zentrale Rolle. Inwiefern werden solche Überlegungen zukünftig auch beim Design wichtig werden?
Oliver Heilmer: Dieses Thema wird bei uns konsequent weiterverfolgt. Gerade auch im Zusammenspiel mit unserer Forschung im Bereich des autonomen Fahrens. Wir überlegen zum Beispiel bereits heute, welche Materialien sich für "shared mobility"-Anwendungen besonders eignen. Da spielt Langlebigkeit eine Rolle, aber auch die Möglichkeit der schnellen Reinigung beim Benutzerwechsel. Was uns mit MINI LIVING aber vor allem verbindet, ist die geistige Grundhaltung: nämlich maximale Qualität, sei es beim Wohnen oder beim Fahren, auf kleinstem Raum anzubieten.