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Nani Marquina feiert in diesem Jahr den dreißigsten Geburtstag ihres gleichnamigen Labels.

Im Gespräch: Nani Marquina
Alle guten Dinge sind drei

Seit 1987 produziert Nani Marquina handgefertigte Designteppiche. Als Pionierin im Teppichdesign setzte sie neue Standards. Anna Moldenhauer hat sich auf der imm cologne mit ihr über die aktuelle Kollektion „Tres“ unterhalten und festgestellt, wie fasziniert sie vom traditionellen Webhandwerk ist.
30.01.2017

Ihr Label besteht nun 30 Jahre, herzlichen Glückwunsch! Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie zurückblicken?

Nani Marquina: Mein Ziel war es immer, den traditionellen Teppich in ein zeitgenössisches Design zu übersetzen. Ich bin dafür viel gereist und habe die traditionelle Produktion in den Ländern erleben können, in denen die Teppiche hergestellt werden. Es ist ein Prozess, von dem beiden Seiten profitiert haben, die Weber und ich. Man lernt zusammen. Für mich war der wichtigste Meilenstein, als ich beschlossen habe, die Produktion nach Pakistan und Indien zu verlegen.

Wie kam es zu diesem Entschluss?

Nani Marquina: 1993 erhielten wir einen umfangreichen Auftrag, den wir mit unser bis dato mechanischen Produktion in Spanien nicht lösen könnten. Die bisherige Technik beschränkte unsere Kreativität. Das Projekt war für uns entscheidend, daher entschlossen wir uns zu einem Abenteuer: Nach Indien zu reisen, mit dem Wunsch die lokalen Handwerkstechniken kennenzulernen sowie die Kultur und die Symbolik zu den Teppichen zu entdecken. Diese Einführung in die traditionelle Teppichherstellung führte zu neuen Produktionsmethoden, die jeden Teppich in Design und Qualität einzigartig machen – ein kennzeichnendes Merkmal der Marke. Nach diesem Test beschlossen wir, die Produktion nach Nordindien zu verlagern, wo wir noch heute produzieren. Indien bietet für die Herstellung von Teppichen unbegrenzte Möglichkeiten. Und die Wolle ist anders, weil das Klima anders ist. In Pakistan verwenden die Weber Wolle aus Afghanistan, die dank der Berge sehr resistent und dick ist. Das liegt auch daran, dass dort die ganze Wolle des Schafs weiterverarbeitet wird, nicht nur die „schönen“ Teile. Wenn man diese Wolle färbt, bekommt man viel natürlichere Ergebnisse, weil die Basis nicht so „clean“ ist. Dazu werden für die Färbung meist natürliche Materialen verwendet, die im Gegensatz zu chemischen Farben auch einen unberechenbaren Faktor haben.

Beeinflusst die Herstellung in Pakistan und Indien Sie auch beim Design?

Nani Marquina: Der Einfluss der Kultur auf das Design ist immer gegeben. Die Leidenschaft dieser Länder kommt wie von selbst in meine kreative Arbeit. Auch seitens der Designer mit denen ich zusammenarbeite, wie bei „Doshi Levien“. Nipa Doshi hat britische und indische Wurzeln, das fließt in ihre Arbeit ein und damit schlussendlich auch in das Design des Teppichs, das wir zusammen erarbeiten. Die Einflüsse sind überall. Zwischen Pakistan und Indien gibt es allerdings den Unterschied, das in Pakistan eher die Farben der Erde prominent sind, Brauntöne. In Indien hat man die ganze Palette, ein reines Festival der Farben.

Wenn Sie Ihrem jüngeren Ich einen Ratschlag geben könnten, was wäre das?

Nani Marquina: Ich hatte schon zu Beginn eine starke Verbindung zu meiner Arbeit mit den Teppichen, aber eine Distanz zum Markt. Der Ratschlag an mich selbst wäre aus heutiger Sicht, nicht die Bedürfnisse der Kunden aus den Augen zu verlieren, selbst wenn man mitten im Entwicklungsprozess steckt.

Ihr Vater Rafael Marquina war ein Pionier für spanisches Design. Hat er Sie unterstützt, als Sie beschlossen haben selbst Designerin zu werden?

Nani Marquina: Ich bin dank meines Elternhauses mit Design aufgewachsen. Mein Vater zögerte allerdings, als ich ihm von meinem Vorhaben, Designerin zu werden, erzählt habe. Zu der Zeit war Design in Spanien kein großes Thema. Er sagte, Nani, das wird kompliziert. Die Leute haben kein Verständnis für Design und für eine weibliche Designerin wäre es doppelt schwierig. Er meinte, es wäre besser für mich, in dem bestehenden Interieur-Markt zu arbeiten. Er hat mich zu Beginn nicht wirklich unterstützt, er hat wohl eher versucht mich zu beschützen. Aber ich habe einen rebellischen Geist und bin trotzdem eine Designerin geworden. Nur die Beziehung zu den Kunden war für mich anfangs schwierig. Wenn man designt, ist man mit sich alleine im kreativen Prozess. Den Markt in seiner kreativen Arbeit zu berücksichtigen und nach vorne zu gehen, zu verkaufen, das ist mir schwer gefallen. Ich habe später gelernt, dem Markt zuzuhören und darauf zu reagieren. Die aktuelle Kollektion ist ein guter Mix aus meiner Kreativität und der Nachfrage des Marktes.

In kräftigem Grün oder Blau: Die Teppiche der aktuellen Kollektion „Tres“ sind in verschiedenen Farben erhältlich.

Haben Sie eine Designphilosophie?

Nani Marquina: Ein Teppich ist im Haus sehr präsent, er ist oft das Erste was man sieht, wenn man einen Raum betritt. Daher sind die Emotionen wichtig, die man mit dem Teppich transportiert. Für mich ist die Textur des Teppichs das Wichtigste, die Oberfläche. Ich genieße es, bei dem Webprozess dabei zu sein. Dazu ist die Natur an sich eine große Inspiration für mich. Ich möchte die Faszination, die ich fühle, wenn ich in der Natur bin über meine Teppiche weiterreichen. Ich denke, das ist auch das, was die wichtigsten Fashion Designer erfolgreich macht. Das sie es schaffen, dass Menschen sich durch ihre Produkte wohler fühlen. Es darf nicht zu kompliziert sein, denn das Leben an sich ist schon schwierig genug.

Welche Emotion wollen Sie mit der aktuellen Kollektion „Tres“ transportieren?

Nani Marquina: „Tres“ ist eine Hommage an das traditionelle Webhandwerk. Ich habe drei Teppiche aus drei unterschiedlichen Fasern – Wolle, Filz und Baumwolle – kombiniert. Es geht darum, Traditionen wertzuschätzen und die Schönheit der Details zu erkennen. Der Herstellungsprozess ist bei „Tres“ offengelegt, man kann die unterschiedliche Dicken der Fäden gut erkennen und auch die Fransen sind echt und wurden nicht nachträglich angenäht. Es ist dazu der erste Teppich mit Fransen, den ich entworfen habe. Ich mag die Kollektion sehr gerne, weil sie so lebendig und offen ist, nichts wird verschleiert. Es ist als würde ich selbst den Teppich weben, der kreative Prozess ist gut sichtbar. Die Zahl Drei ist dazu sehr harmonisch, drei Fasern, drei Teppiche – ein Triptychon.

Woher kommt Ihre Faszination für das traditionelle Webhandwerk?

Nani Marquina: Sicher auch durch die Prägung in meiner Familie. Dazu habe ich keine gute Beziehung zur Technologie. Ich mag Kunstfasern nicht, Wolle verbindet mich einfach mehr mit der Natur. Wenn ich in der Natur bin, die Schönheit der Landschaften auf Reisen sehe, dann bin ich glücklich. Das traditionelle Webhandwerk sehe ich als Basis, um über den Tellerrand hinaus zu denken. Wie bei der Kollektion „Bicicleta“: Traditionelles Handwerk, aber das Material sind Fahrradschläuche. Damit haben wir eine neue Textur mit einem alten Handwerk erschaffen, die zudem auch noch sehr widerstandfähig und Outdoorgeeignet ist. Manchmal entdecke ich Webtechniken auch durch Zufall, wie bei einem Rock aus Ghana, wofür eine ähnliche Technik verwandt wurde wie bei „Tres“ – die Kombination von vielen einzigartigen Teilen zu einem großen Ganzen. Dazu kaufe ich auf Reisen sehr viele Stoffe.

Sie legen sehr viel Wert auf Umweltschutz und humane Arbeitsbedingungen. Wie kontrollieren Sie die Produktion vor Ort?

Nani Marquina: Wir haben großes Vertrauen in unsere Lieferanten. Dazu ist die Qualitätskontrolle bei uns im Haus sehr streng. Das Designteam reist auch zwei oder drei Mal im Jahr zu den Produktionsstandorten, um die Bedingungen zu prüfen. Wir wollen um jeden Preis verhindern, dass Kinder für unser Unternehmen arbeiten und unterstützen soziale Projekte vor Ort wie die „Care & Fair“ Initiative, um ihnen eine Schulbildung zu bieten. Bei diesen Projekten entstehen auch neue Ideen, wie das Design für „Kala“, das von einer Zeichnung eines Schülers aus den „Care & Fair“ Schulen in Indien inspiriert ist. Wir versuchen den Webern die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu bieten und gleichzeitig sicherzustellen, dass das Wissen um das traditionelle Handwerk nicht verloren geht, die Kultur des Teppichwebens Bestand hat. Vor allem in Indien wächst die Technologieindustrie sehr stark und drängt das traditionelle Handwerk beiseite. Das ist sehr schade. Wenn das Wissen in den Familien weitergetragen wird, weil sie eine Chance haben, durch diese Arbeit zu bestehen, dann kann die Tradition weiterleben.

Die Teppiche sind alle in Handarbeit gefertigt und nachhaltig hergestellt. Warum ist das für Sie von Bedeutung?

Nani Marquina: Viele Designer sind immer auf der Suche nach Perfektion und wählen wohl auch aus diesem Grund synthetische Materialen, wegen der Brillanz, dem perfekten Endergebnis. Ich bin nicht generell gegen künstliche Fasern, verwende sie aber nur, um Akzente zu setzen und wenn das Design danach verlangt. Ansonsten würde ich immer eher zu dem natürlichen Material greifen. Meine Verbindung zur Natur ist sehr stark und ich finde die Farbenvielfalt – etwa beim Sonnenaufgang und Sonnenuntergang – immer wieder faszinierend. Mit künstlichen Materialen entsteht für mich diese Verbindung nicht.

Für die Teppiche von Nani Marquina wird nur Wolle aus Afghanistan und Neuseeland verwendet, da diese besonders dick und widerstandsfähig ist.

Natürlichkeit und Nachhaltigkeit sind Themen, die gerade von vielen Designern aufgegriffen werden – denken Sie der Trend wird auch in Zukunft Bestand haben?

Nani Marquina: Die Technologie wächst und wächst, aber der Mensch braucht die Waage. Je mehr ich gezwungen bin, auf mein Handy zu schauen, umso mehr brauche ich die Arbeit mit der Wolle. Oder das Reisen, um sich wieder zu erden.

Also kann man sagen, je moderner, virtueller und hektischer die Welt wird, umso mehr braucht der Mensch ihrer Meinung nach die Natur und nachhaltige Produkte?

Nani Marquina: Exakt.

Sie haben schon mit vielen internationalen Designern zusammengearbeitet, Milton Glaser, Ron Arad, Javier Mariscal – um nur einige zu nennen. Haben Sie aktuell eine Kooperation mit einem Designer?

Ja, wir arbeiten gerade an einer Kooperation, aber es ist noch ein Geheimnis (lacht). Wir werden das Ergebnis auf dem Salone del Mobile in Mailand im April präsentieren. Wir arbeiten darüber hinaus immer noch mit Ronan und Erwan Bouroullec, weil sie sehr minimalistisch, sehr natürlich sind. Wir teilen eine Vision und dass macht die Zusammenarbeit für beide Seiten angenehm.

Vom Design bis zur Produktion setzt Nani Marquina auf Naturfasern und Nachhaltigkeit.
Jeder einzelne Teppich wird von Hand geknüpft und ist deshalb ein Unikat.

Was ist für Sie ausschlaggebend, wenn Sie eine mögliche Zusammenarbeit mit einem Designer prüfen?

Mal kontaktieren uns die Designer, mal kontaktieren wir sie. Mir ist für eine mögliche Zusammenarbeit sehr wichtig, dass sie die Kultur von Nani Marquina verstehen. Sie müssen sich mit dem Unternehmen, der Philosophie verbunden fühlen, das muss der Grund sein warum sie mit uns arbeiten wollen. Die Balance, die gemeinsamen Werte müssen da sein.

Ihre Tochter Maria ist mittlerweile der CEO im Unternehmen, was ist der Vorteil, was der Nachteil der Zusammenarbeit von Mutter und Tochter?

Am Anfang war es schwierig, weil wir unterschiedliche Dinge wollten. Maria ist sehr praktisch und logisch veranlagt, ich bin mehr die Künstlerin (lacht). Aber in der Kombination funktioniert es jetzt sehr gut. Sie übernimmt das Strategische und ich kann mich mehr auf die kreative Arbeit konzentrieren. Unsere Zusammenarbeit ist wie bei „Tres“, es ist eine Spannung da, eine Differenz zwischen den einzelnen Teilen. Aber das Ergebnis ist perfekt.

Jeder Teppich der „Tres“-Teppich-Kollektion besteht aus drei Teilen und drei Materialen: Wolle, Filz und Baumwolle.

Ihre Karriere ist die einer starken Frau und zeugt für mich von Durchhaltevermögen und Selbstvertrauen. Wie sehen Sie die Situation für weibliche Designer aktuell, hat sich etwas verändert?

Was die Gleichberechtigung angeht, gibt es immer noch viel zu tun. Frauen und Männer sind sicher unterschiedlich, denken anders, haben andere Bedürfnisse und eine unterschiedliche Sichtweise auf Design. Aber wenn die Situation für beide gleichberechtigt, ausgeglichen wäre, würde es eine große Revolution in der Designwelt geben, da bin ich mir sicher. Ich hoffe, dass das bald geschieht. Als ich studiert habe, war ich die einzige Frau im Seminar, heute gibt es viele weibliche Designer. Eine Veränderung ist bereits im Gange, vor allem in Spanien, die weiblichen Designer erfahren dort viel Anerkennung. Das ist wunderbar und ich hoffe das diese Bewegung weitergeht.

Firmengeschichte in Zeitraffer: 30 Jahre NaniMarquina in fünf Minuten.
„Ein Teppich ist im Haus sehr präsent, er ist oft das Erste was man sieht, wenn man einen Raum betritt.“, so Nani Marquina.
Zur Kollektion „Tres“ gehört auch ein Pouf, der mit demselben Stoff des Teppichs bezogen ist.