Im Spannungsfeld
Linda Pezzei: Frau Jeglinska-Adamczewska, gibt es noch Momente, die Sie bei Ihrer Arbeit überraschen?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Jeder Kunde und jeder Kontext ist anders, daher ist es immer ein großer Findungsprozess. Die Dinge wiederholen sich also nie. Auch wenn die Pandemie einiges verändert hat, entwickelt sich die Gesellschaft durch die Gestaltung von Möbeln weiter und auch der öffentliche Raum verändert sich stetig. Wir haben unsere Wohnräume lange Zeit vernachlässigt und oft nur oberflächlich betrachtet. Das war der Status Quo. Jetzt geht es mehr darum, was unser Zuhause wirklich für uns bedeutet. Es gibt also jeden Tag eine Menge Überraschungen, Design ist für mich ein nie endender Lernprozess.
Da Sie für Kunden aus unterschiedlichen Bereichen arbeiten – gibt es für Sie einen Unterschied in der jeweiligen Herangehensweise?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Der Prozess ist im Allgemeinen immer der gleiche, aber es geht um die Wahl des richtigen Werkzeugs. Während die Annäherung zu Beginn eines jeden Projekts recht ähnlich ist, entwickeln sich der Kontext und der Inhalt in unterschiedliche Richtungen. Wenn man Möbel entwirft, sieht man meist erst nach der Fertigstellung, wie sie von den Kunden wahrgenommen werden. Wenn man eine Ausstellung macht oder als Kurator arbeitet, geht es auch darum, den Betrachter wie ein Regisseur zu führen und sich auf die Interaktion zu konzentrieren. Beides muss am Ende aber seinen Zweck erfüllen.
Sie arbeiten international orientiert – hat sich das im letzten Jahr geändert?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Eigentlich hat sich meine Arbeit nicht so sehr verändert. Ich arbeite die meiste Zeit von meinem Büro aus. Aber wenn man weniger Meetings hat, muss die Kommunikation präziser werden. Es gibt mehr Diskussionen. Als ich letztes Jahr für AHEC gearbeitet habe, hatten wir zum Beispiel nur virtuelle Meetings. Es gab also keine Möglichkeit der Serendipität, was ich sonst an meiner Arbeit sehr schätze. Persönliche Meetings sind großartig, um Vertrauen aufzubauen und auch, um Dinge im Kontext vor Ort zu entdecken. Es ist im Moment schwieriger, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen. Normalerweise verlasse ich mich darauf, dass unerwartete Dinge während der Arbeit mit dem Kunden passieren. Wenn ich zum Beispiel eine Fabrik besuche, kommen die Ideen vielleicht von selbst zu mir. Im Homeoffice zu arbeiten ist also möglich, aber es mangelt doch an wichtigen Aspekten. Deshalb wird sich das hoffentlich wieder ändern. Wir erleben einen Moment des "slow down" – was gut und schlecht zugleich sein kann.
Wie lange dauert es normalerweise vom ersten Treffen mit einem neuen Kunden bis zur Markteinführung des fertigen Produkts?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Das kommt natürlich auf das Projekt an. Die Arbeit mit Kunden wie Kvadrat oder AHEC kann manchmal recht schnell gehen, weil sie ihre Prozesse und ihre DNA für sich schon recht gut definiert haben. Bei diesen Projekten handelte es sich allerdings um einmalige "Freibriefe", bei denen es um das Experimentieren mit dem vorgegebenen Material ging, Textil und Holz. Trotzdem dauert es am Ende mindestens ein Jahr, bis man zum gewünschten Endergebnis kommt.
Gibt es ein herausragendes Projekt, an das Sie bis heute oft denken?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Dafür habe ich noch nicht genügend Projekte verwirklicht. Ich mag sie alle und ich hoffe, dass es so weitergehen wird. Als DesignerIn kann man zwar versuchen, verschiedene Dinge zu initiieren, aber man kann das Ergebnis nicht kontrollieren. Umso schöner, wenn es sich ergibt, dass ähnliche Arten von Projekten gleichzeitig "passieren". 2019 beispielsweise hat mich das Kunstgewerbemuseum in Budapest gebeten, ein Stück aus deren Sammlung auszuwählen und eine Reaktion darauf zu schaffen. Also habe ich Sándor Mikós Sessel ausgewählt, ein Möbelstück aus der kommunistischen Ära. Mir gefiel der politische und ökonomische Kontext dabei und ich wollte ein aussagekräftiges Objekt kreieren. Also entwarf ich einige tragbare Wände: hier ist es der Kontext, der den Wert und die Bedeutung eines gestalteten Objekts definiert. Daraufhin habe ich auf Einladung von Jasper Morrison die "Bellevue Bench" für die Fiskars Village Berlinale entworfen, die in einer kleinen Stadt außerhalb von Helsinki stattfand. Die Bank gibt es immer noch. Ich mag sie, weil sie funktional und nützlich ist. Eine Bank, die von archetypischen Metallbänken aus dem 19. Jahrhundert inspiriert und in einem sehr kräftigen Blau lackiert ist. Sie ist letztlich ein Werkzeug, das einen Blick auf den umgebenden Kontext ermöglicht. Ein Aussichtspunkt zwischen privatem und öffentlichem Raum für den Flaneur.
An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Im Mai 2021 wird Trame einen neuen Teppich und eine neue Vase auf den Markt bringen. Für Plato, eine polnische Möbelmanufaktur, arbeite ich an einem Schranksystem, zu dem auch kleine Accessoires wie Beistelltische, Hocker, Spiegel und so weiter gehören. Bei der Arbeit geht es darum, die DNA dieser Firma herauszufinden, das ist sehr spannend. Außerdem wurde ich vom Adam-Mickiewicz-Institut beauftragt, an einem Projekt mit Majolika Nieborów mitzuarbeiten. Es geht um eine kleine Manufaktur außerhalb von Warschau, die der Herstellung von Majolika-Töpferwaren diente. Sie wurde 1883 gegründet, bestand nur einige Jahre und wird heute von ihren Nachkommen wiederbelebt.
Entwerfen Sie lieber im Team oder alleine?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Das kommt auf das Projekt an. Normalerweise arbeite ich alleine. Aber ich schätze es sehr, Teil eines Teams zu sein, und zwar in dem Sinne, dass verschiedene Professionen zusammenkommen. Das Kuratieren von Ausstellungen funktioniert so zum Beispiel sehr gut. Außerdem mag ich es, in enger Zusammenarbeit mit meinem Kunden zu arbeiten. Je besser man den Kunden kennenlernt, desto besser weiß man, worum es geht. Mein Ziel ist es, über einen langen Zeitraum mit meinen Kunden zusammenzuarbeiten, eine Beziehung aufzubauen, damit ich eigene Ideen einbringen kann und wir das Briefing gemeinsam erstellen können.
Eine Sache, die Sie gerne entwerfen würden, wenn Sie die Chance dazu bekämen?
Maria Jeglinska-Adamczewska: Da gibt es eigentlich viele Dinge, zum Beispiel Objekte mit Fokus auf das Aluminium-Strangpress-Verfahren oder verschiedene Hölzer. Vielleicht war AHEC dafür der Anfang. Ich würde auch gerne das Gesamtkonzept für einen bestimmten Raumkontext entwerfen, beispielsweise ein Museum oder eine öffentliche Einrichtung. Das gesamte Interieur, jedes einzelne Stück im Raum, nicht nur eine bestimmte Sache.