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Expressionistische Formen: Der Pavillon von UN Studio und MDT-tex auf der Messe "Techtextil" in Frankfurt am Main.

STYLEPARK TECHTEXTIL
"Manchmal ist die Industrie weiter, als wir Architekten wissen"

Mit einem textilen Pavillon demonstriert Ben van Berkel, Gründer von UN Studio, was bald an Hochhäusern Anwendung finden kann. Wir haben mit dem Architekten über seine Forschung gesprochen.
10.05.2017

Gemeinsam mit dem deutschen Textilspezialisten MDT-tex forscht das Amsterdamer Architekturbüro UN Studio und sein Gründer Ben van Berkel intensiv an Anwendungen für technische Textilien in der Architektur. Nach einem ersten aufsehenerregenden Pavillon für das Amsterdam Light Festival 2016 wird jetzt auf der Messe Techtextil in Frankfurt am Main der Nachfolger präsentiert. Hier werden unter einem gewölbten Dach aus dreidimensionalen Textilelementen und Metallprofilen zwei miteinander verbundene Raumeinheiten geschaffen. Die Textilelemente bestehen dabei aus PTFE, einem Material, das unter dem Namen "Teflon" berühmt wurde. Fabian Peters hat Ben van Berkel über sein Interesse an textilen Baumaterialien gesprochen.    

Der Architekt Ben van Berkel.

Fabian Peters: Sie haben mit dem deutschen Hersteller MDT-tex einen Pavillon für die Messe Techtextil umgesetzt, dessen Außenhaut vollständig aus dem Gewebe PTFE besteht. Was fasziniert Sie an textiler Architektur?

Ben van Berkel: Wir forschen bei UN Studio intensiv und sind begeistert von der Zusammenarbeit mit MDT-tex. Wir interessieren uns sehr für neue Materialien, für eine nachhaltige und gesunde Architektur. Was mich an textiler Architektur und insbesondere an PTFE-Gewebe so fasziniert, ist die Langlebigkeit, die Fähigkeit sich selbst zu reinigen und die Belastbarkeit des Materials. Nachdem wir es an mehreren Prototypen getestet haben, werden wir jetzt ernsthaft darangehen, PTFE in und an Gebäuden zu verbauen. Anbieten würde sich zunächst eine Verwendung als zweite Gebäudehülle, etwa als Sonnen- und Hitzeschutz.

Sie haben bereits 2016 in Zusammenarbeit mit MDT-tex einen aufsehenerregenden Pavillon für das Amsterdam Light Festival entworfen und gebaut: "The Eye Beacon". Die Form des Amsterdamer Projektes war von der Welt der Tiefsee inspiriert. Welche Überlegungen spielten für den Frankfurter Entwurf eine Rolle?

Ben van Berkel: Hier stand stärker der Gedanke des Zeltes im Mittelpunkt. Außerdem ist der Entwurf auch ein wenig als Verneigung vor dem Werk von Richard Buckminster-Fuller zu verstehen. Es sollte eine gewisse formale Disziplin herrschen, gleichzeitig aber die universelle Anwendbarkeit erkennbar sein. Wir wollten, dass man sich anhand des Pavillons vorstellen kann, wie ein solches System auch an einer Fassade Anwendung findet.

Welche Chancen haben technische Textilien als Baumaterial in der näheren Zukunft?

Ben van Berkel: Riesige! Diese Materialien sind mittlerweile enorm widerstandsfähig und vielseitig. Und sie bieten sich für das digitale Zeitalter förmlich an – man kann inzwischen zum Beispiel LEDs einweben. Zudem sind die Textilien hochgradig farbbeständig. Da können hergebrachte Baustoffe kaum mithalten. Zunächst werden technische Textilien wahrscheinlich an Fassaden erscheinen, aber sie werden wohl bald auch als Konstruktionsmaterial zum Einsatz kommen.

Die textilen Elemente aus PTFE-Gewebe lassen sich fast unbegrenzt formen.

Worin besteht – im Vergleich zu traditionellen Baumaterialien – der Unterschied, mit technischen Textilien zu bauen?

Ben van Berkel: Das Faszinierende an diesen Werkstoffen ist, dass man sie in jede Form bringen kann – wie man an unserem Pavillon sieht. Sie lassen sich unbegrenzt biegen und modellieren. Das erzeugt völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten für die Architektur. Die Architekten werden sich vielleicht erst noch daran gewöhnen müssen. Manchmal ist die Industrie weiter, als wir Architekten wissen. Deshalb ist es immer wichtig, mit den Herstellen das Gespräch zu suchen, um die Möglichkeiten eines bestimmten Materials auszuloten.

Wie kam es zu Ihrer Zusammenarbeit mit MDT-tex?

Ben van Berkel: Sowohl wir, als auch MDT-tex forschen seit langem intensiv in unserem jeweiligen Gebiet. Im Bereich der technischen Textilien hatten wir sehr ähnliche Interessen, aber ganz unterschiedliche Kompetenzen. Wir haben unsere Kräfte gebündelt, um zunächst gemeinsam Grundlagenforschung zu betreiben. Erst in einem zweiten Schritt ging es um konkrete Anwendungen. Jetzt werden wir den Einsatz von technischen Textilien an Fenster- und Fassadensystemen erproben. Ich gehe davon aus, dass wir bereits in den nächsten ein bis zwei Jahren soweit sind, unsere Entwicklung an einem unserer Projekte zum Einsatz zu bringen! Beispielsweise könnte die Umgestaltung von traditionellen Bürobauten zu Campus-Gebäuden für Tech-Unternehmen ein wichtiges Anwendungsfeld für solche Fassadenlösungen sein.

Der Pavillon bildet den Mittelpunkt des Sonderareals "Living in Space" auf der Techtextil.
Das Konstruktionssystem des Pavillons wird derzeit für die Anwendung an Gebäudefassaden weiterentwickelt.