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Occhio-Gründer und -Designer Axel Meise

Systemtheorie

Occhio ist tonangebend im deutschen Lichtdesign. Robert Volhard hat Unternehmensgründer und Designer Axel Meise zum Interview getroffen.
04.04.2019

Axel Meise denkt in großen Zusammenhängen. Sein Unternehmen Occhio ist mittlerweile einer der wichtigsten deutschen Premiumhersteller im Bereich Leuchten und Lichtsysteme. Ihm ging es nie um ein Produktsortiment, das aus einer Ansammlung unterschiedlichster Designerprodukte besteht. Universalität und logische Zusammensetzung des Portfolios waren von Beginn an die Devise. Das Leuchtenprogramm "Sento" mit seiner charakteristischen Linsenoptik ist heute längst ein moderner Klassiker. Und auch das Design der Leuchte "Mito" ist ein Musterbeispiel für reduziertes und elegantes Design. Anders als viele Mitbewerber entwickelte Occhio von Beginn an seine Elektronik selbst, anstatt sie einfach zusammenzukaufen. Auch wenn es gewiss der mühseligere Weg war – nur so konnte man eine technische Architektur aufbauen, in der die einzelnen Komponenten nahtlos zusammenpassen. Damit legte Occhio den Grundstein für eine Vielzahl technischer Innovationen, die das Unternehmen seitdem vorgestellt hat: Sei es eine berührungslose Lichtsteuerung, die der Nutzer durch Handgesten reguliert; sei es die Konnektivität via Bluetooth und App, die bei vielen Leuchten Standard ist. 

Robert Volhard: Du hast deine Firma Axel Meise Licht, aus der dann Occhio wurde, im Jahr 2000 gegründet – im gleichen Jahr wie wir Stylepark. Was würde der Axel Meise von damals sagen, wenn er die heutige Firma Occhio sähe?

Axel Meise: Well done! 

Was war das erste Produkt, das du herausgebracht hast?

Axel Meise: Es gab kein erstes Produkt, es gab gleich ein System, denn ich habe nie in Einzelprodukten gedacht. Das erste System war "Puro", das bereits das markante Linsensystem besessen hat, welches auch das wichtigste Gestaltungsmerkmal der Serie "Sento" ist. 

Heute ist aber nur noch "Sento" im Occhio-Programm!

Axel Meise: Das stimmt! Als wir etwa 2010 begonnen haben, unser Portfolio auf LEDs umzustellen, haben wir uns entschieden, diesen Schritt nur mit "Sento" zu gehen, weil sie mehr konnte und formal nochmals allgemeingültiger war. Daher haben wir die "Puro" nicht mehr weitergebaut. Das ist typisch für Occhio – keine Redundanzen. 

Wandleuchte "Sento verticale" aus der ikonischen "Sento"-Serie von Occhio

Wäre es nicht einfacher gewesen, ein ganz neues System für den LED-Einsatz zu entwerfen?

Axel Meise: Zu diesem Zeitpunkt wurde Occhio mit "Sento" identifiziert – so wie Porsche mit dem 911. Also war die Aufgabe, den Charakter von "Sento" auch in der LED-Version zu bewahren, das System aber trotzdem weiterzuentwickeln. Und der Sprung war gewaltig: Wenn du die zwei Versionen nebeneinanderlegst, treffen eine Leuchte mit Metallreflektor und ein Hightech-Instrument aufeinander. Diese Evolution war natürlich mit wirtschaftlichen Herausforderungen verbunden, denn das Produkt war auf einmal doppelt so teuer – die Kunden waren aber natürlich nicht bereit, das Doppelte zu zahlen. Durch höhere Stückzahlen konnten wir glücklicherweise aber die Kosten reduzieren. 

"light is evolution" war lange der Occhio-Claim. Jetzt habt ihr mit "a new culture of light" einen neuen Slogan. Ist das Ausdruck eines neuen unternehmerischen Ansatzes? 

Axel Meise: Es ist eher so, dass etwas Anderes in unserem Denken in den Vordergrund getreten ist. Dass Licht der Ursprung der Evolution ist, war von Beginn an unser Leitmotiv. Dieses Bild lässt sich wunderbar auf Occhio mit seiner evolutionären Arbeitsweise anwenden. Kultur dagegen ist menschgemacht, gutes Licht eine kulturelle Errungenschaft. Und diese Errungenschaft, die uns bei Occhio gelungen ist, möchten wir möglichst vielen Menschen zugänglich machen. Das ist die Botschaft unseres neuen Claims. 

Wie würdest du die DNA von Occhio beschreiben?

Axel Meise: Die DNA von Occhio ist vor allen Dingen ganzheitlich. Zudem sind wir definitiv immer auf den Anwender ausgerichtet. Natürlich ist auch das Thema Qualität zentral – und das auf den verschiedensten Ebenen: Produktqualität, Designqualität, Lichtqualität. Zu guter Letzt: joy of use – es muss etwas Besonderes sein, eben Freude machen, mit Occhio umzugehen.

"Mito sospeso" vereint Design und Innovation

Als ich vor einiger Zeit eure Stehleuchte "Sento lettura" ausgepackt habe, wurde mir klar, dass bei euch der Designprozess nicht bei der Leuchte beendet ist, sondern die Verpackung ebenso Teil davon ist wie der Occhio store – ein bisschen wie bei der großen Firma aus Cupertino.

Axel Meise: Das ist genau das Thema – die Kunden sind "verdorben", wenn sie das erste Mal ein iPhone ausgepackt haben, die usabilityerlebt haben und die Qualität, das unbedingte Zusammenspiel von Design, Funktionalität und joy of use. Man kommt heute nicht umhin, möglichst nah an dieses Erlebnis heranzukommen. Das haben wir von Anfang an versucht. Es ist wirklich entscheidend, dass man immer wieder die occhios – die Augen – aufhält: wie sich die Dinge, mit denen sich die Menschen umgeben, entwickeln; wie sich die Gesellschaft und wie sich die Kunden entwickeln – und daraus muss man dann die richtigen Schlüsse ziehen.

Occhio store Brienner Quartier in München

Du warst Vorreiter mit der Produktion deiner Produkte in China. Wie reagierst du auf Skepsis von Leuten, die deshalb bei euch die Verarbeitungsqualität bezweifeln und gleichzeitig ihr iPhone in der Hand halten, welches bekanntlich ja auch in China hergestellt wird?

Axel Meise: Ganz selbstbewusst. Wir haben die ersten Jahre in Italien produziert, sind dann aber nach China gegangen – nicht wegen des Preises, sondern wegen der Qualität. Wir haben in China das Glück, einen hervorragenden Partner zu haben. Die Einstellung dort, immer besser werden zu wollen, ist einfach nicht mit der saturierten Haltung vergleichbar, die wir teilweise hier in Deutschland erleben. 

Wie ordnet sich die neue "Mito linear" in euer Produktportfolio ein?

Axel Meise: Wir haben ein Produktportfolio, das klar aufeinander aufbaut und recht einfach strukturiert ist: in M, L, X sowie E – External – für Außenleuchten und C – Control – für die übergeordnete Steuerung. Diese Ordnung hat mit der physischen Größe, der Leistung und auch mit dem Preis zu tun. "Mito linear" ist beispielsweise unter X eingeordnet.

Die Leuchtentypen "Mito volo", "Mito alto" und "Mito alto side" aus der Leuchtenserie "Mito linear"

Welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich Occhio mit der "Mito linear"?

Axel Meise: Die "Mito linear" erschließt für uns ganz neue Einsatzbereiche, im privaten Bereich wie im Büro. Man kann die Pendelleuchten der Serie etwa sowohl über den Esstisch als auch über den Schreibtisch hängen. Wir haben vor einiger Zeit bei einem tollen Projekt für ein Bürogebäude mitgearbeitet. Der Eigentümer hatten verstanden, dass ihr Gebäude, wenn sie Occhio Leuchten einbauen, wertvoller wird und dass sich das etwas höhere Investment in das Licht dreifach rechnet. Wir haben das gesamte Gebäude mit Leuchten ausgestattet – nur bei den Büros mussten wir passen. Uns fehlte das passende Produkt. Jetzt könnten wir solche Projekte komplett anbieten. Das hat natürlich wirtschaftlich eine ganz andere Dimension. Und die dort Arbeitenden haben den Mehrwert, dass nicht nur in Teilbereichen, sondern im kompletten Haus eine einheitlich hohe Lichtqualität herrscht.

Die "Mito volo" als Arbeitsplatzbeleuchtung

Provokant gefragt: Ist die "Mito linear" mehr als eine geradegebogene "Mito"?

Axel Meise: Zunächst hat sie alle Funktionen der klassischen "Mito", etwa touchless control, up/down fading, Höhenverstellbarkeit oder die Occhio air Option zur Steuerung per App. Bei den mobilen Ausführungen der "Mito linear" haben wir dann noch die typischen Bürofunktionen eingebaut. Etwa einen presence sensor und eine ambient light control, die das Licht der Leuchte an das jeweilige Tageslicht anpasst, sodass man am Arbeitsplatz eine konstante Helligkeit hat. Das ist im Office-Bereich Standard, aber wir bieten mehr: Etwa, dass man Uplight und Downlight separat steuern und auch von Uplight zu Downlight faden kann. Oder die höchste mögliche Lichtqualität CRI 95. Und nicht zuletzt color tune, ein Feature, dass das Verändern der Lichttemperatur erlaubt. Alle Sensoren kann man übrigens dauerhaft ausschalten. Das ist mir ganz wichtig. Es soll eben nicht so sein wie bei einem Auto, bei dem man beispielsweise den Spurenassistenten nach jedem Neustart erneut deaktivieren muss.

Das alles unterscheidet die "Mito linear" von der zirkularen "Mito". Aber trotzdem ist sofort zu erkennen, dass "Mito linear" zur "Mito"-Familie gehört. Um auf Deine Frage zu antworten – faktisch ist es natürlich genau anders herum: Das sehr aufwendige Biegen entfällt bei der "Mito linear".

Indoor, Outdoor, Office: Mittlerweile spielt Occhio in allen wichtigen Produktsegmenten mit. Was kommt als nächstes?

Axel Meise: Tatsächlich ist unser Portfolio nun relativ vollständig. Mir fehlt aber noch ein Produkt in der Kategorie S – ein kleines, schlankes Modell, mit dem man an Stellen arbeiten kann, wo man weniger Licht braucht und die Leuchte deshalb kompakter sein kann. Da sehe ich noch ein spannendes Potenzial.

Occhio stellt 2019 das erste Mal seit 2007 wieder auf dem Salone del Mobile in Mailand aus. Was hat Euch dazu bewogen?

Axel Meise: Auf der großen deutschen Beleuchtungsmesse, der Light + Building in Frankfurt, sind wir mittlerweile ein bisschen der Platzhirsch. Dort treffen wir uns alle zwei Jahre mit unseren Partnern und Kunden. In Mailand haben wir dagegen die Chance, mit Leuten in Kontakt zu kommen, die wir noch nicht kennen und die uns noch nicht kennen. Insofern ist die Rückkehr auf den Salone folgerichtig.  

Occhio finden Sie in Mailand auf dem Salone del Mobile 2019 in Halle 13, Stand C01–D08.

Mobile Steh- und Schreibtischleuchte "Mito terra 3d"
Deckenleuchte "Mito alto"
Wallwasher "Mito alto side"