Japanisches Design gilt in Europa als Inbegriff von Schlichtheit und Poesie. Es präsentiert sich in Formen, die kaum mehr in Frage gestellt werden können. Bei genauerem Hinsehen hat aber auch das „typisch Japanische“ viele verschiedene Facetten – die Suche nach dem gemeinsamen Nenner ebnet daher oft Klischees und Verallgemeinerungen den Weg. Etwas konkreter wird es, wenn man die Designer selbst ins Blickfeld rückt – etwa die doch recht unterschiedlichen jungen Designbüros Tokujin Yoshioka, Nendo und Nosigner.
Während der 1967 geborene Tokujin Yoshioka noch eher als klassischer Designer betrachtet werden kann – er studierte Design an der Kuwasawa Design School und war lange Zeit bei Issei Miyake und Shiro Kuramata tätig –, haben die beiden etwa zehn Jahre jüngeren Designer von Nendo und Nosigner zunächst Architektur studiert, um erst nach ihrem Abschluss in die Designbranche einzusteigen. Der Unterschied in ihrem Selbstverständnis zeigt sich schon allein in der Namenswahl der Büros: Tokujin Yoshioka vermarktet die von ihm gestalteten Produkte unter seinem eigenen Namen; Nendo versteht sich als Designkollektiv, in dem der Designer Oki Sato jedoch die führende Rolle einnimmt. Nosigner hingegen wählte bewusst die Anonymität als Markenzeichen.
Ein routinierter Umgang mit dem Material – oft weißer, transparenter oder semitransparenter Kunststoff – und die filigrane Ausführung prägen viele Arbeiten aller drei Büros. Tokujin Yoshioka etwa gestaltete 2006 mit vielen tausend Plastikstrohhalmen ein wolkenartiges Schaufenster-Display für das Modelabel Hermès. Seine Stuhlentwürfe, wie „Pane“ für Lexus und „Kimono“ für Vitra zeigen die Spanne auf, in der sich der Designer bewegt: Ersterer entstand aus einer Kunststofffasermatte, die er in Form bog und schließlich in einem Ofen „backen“ ließ; für letzteren hüllte er ein einfaches Stahlgestell auf raffinierte Weise in ein Kleid aus künstlichem Gewebe. Eine gewisse Verwandtschaft mit „Pane“ lässt sich bei zwei aktuellen Projekten von Nendo beobachten. „Diamond Chair“ für Lexus und „Cabbage Chair“ für Issei Miyake wurden ebenfalls jeweils aus einem einzigen Material geformt. Allerdings arbeiteten die Designer hier mit einer CNC-Fräse beziehungsweise einem Bündel kunstharzbeschichteten Papiers, das sie durch einfaches Umstülpen in eine Sitzgelegenheit verwandelten.
Um die Dinge so einfach und natürlich wirken zu lassen, bedarf es vor allem exzellenter Handwerkstechniken und den Willen zur Präzision. In der japanischen Kultur ist beides seit jeher stark ausgeprägt – Kalligrafie, Teezeremonie, Kampfsport oder Kochkunst sind nur einige Beispiele hierfür. Die disziplinierte Ausführung ist dabei nicht aufgesetzt, sondern zeigt den Respekt für die tiefere Bedeutung dieser Kunst- und Kulturformen.
Auch im Design gibt es oft ein solches „Herz“, das die japanische Ästhetik in sich weiter trägt. Bei manchen Arbeiten lässt sich das leise ahnen, während andere deutlich auf ihre Inspiration verweisen. So etwa die Leuchte „Hanabi“ (dt. Feuerwerk; wörtlich: Blumenfeuer) von Nendo, die sich in ausgeschaltetem Zustand geschlossen wie eine hängende Blüte zeigt und sich beim Einschalten entfaltet.
Auch Nosigner scheint die lyrischen Qualitäten seiner Arbeit gerne in den Vordergrund zu rücken, wie die gefiederte Leuchte „Pokkari“ (dt. leicht, schwebend) oder „Arborism“, ein zierlicher Tisch mit verästelten Beinen, zeigen.
Die Arbeiten der vorgestellten Büros zeigen verschiedene Ansätze, die uns dennoch allesamt „japanisch“ erscheinen. Was also ist es, das uns an diesem Design so fasziniert? Wohl die Ahnung, dass die Schlichtheit hier kein Stilelement ist, sondern tief in der Kultur wurzelt, und dass das Poetische oft aus der ganz eigenen, dem Zen verbundenen Ästhetik (Wabisabi) geboren wurde.