Mondäne Mittelschicht
„Luxus ist nicht das Gegenteil von Armut, sondern das Gegenteil von Gewöhnlichkeit.“
Es darf aktuell gerne etwas schicker sein in der Welt des Wohnens – die Tendenz zum eleganten Wohnraum ist überall vernehmbar. Das fühlt sich etwa so an: Im gedimmten Licht der messingfarbenen Stehleuchte sinkt man auf das bordeauxrote Bett aus herrlich weichem Samt, während der mattgoldene Beistelltisch nebenan mit den metallischen Fäden der seidenen Gardinenschals um unsere Aufmerksamkeit buhlt. Am Stand von Nya Nordiska bestätigt sich der Eindruck: Hier spricht man von einer „Neuinterpretation von Art Deco-Elementen“ wenn es um opulente Dekostoffe geht und zeigt glänzende Blattmotive und aufgedruckte Schaumapplikationen, die wie Plättchen aus Metall wirken. „Art Deco“ mag als historische Kategorie nicht immer ganz passen, die Experimente erinnern gleichwohl an vergangene Zeiten, in denen Bescheidenheit noch ein Fremdwort war. Eine schmückende Ornamentik und geometrische Muster durchzog die Stoffe und im Holz der schweren Möbel zeichneten sich feine Intarsien ab. Stilvoll und mit einem Hauch Extravaganz soll der luxuriöse Glanz nun mit gedeckten Farben in die gegenwärtige Wohnräume des gehobenen Mittelstands einziehen, ohne dabei in den peinlichen Schick der „Nouveau riche“ abzugleiten.
Ein klares Bild der hier und da aufscheinenden Tendenzen zeichnet sich noch nicht ab: Ausreißer nach oben sind durchaus erwünscht. Wie der in verschiedenen Nuancen schimmernde „Pli Table“ aus geschliffenen Edelstahl, den Victoria Wilmotte für Classicon entworfen hat. Was Eleganz angeht, müssen auch klare Linien kein Hindernis sein: Das Sideboard „Jorel“ von Philipp Mainzer für Interlübke setzt mit seiner schlichten Form und goldfarbenen Oberfläche darauf etwas Besonderes zu sein, das sich ohne Weiteres in die Ästhetik der mit Edelmetall gespickten Wohnlandschaft einfügt.
Der neue Glanz im eigenen Zuhause hat gleichwohl einige Fallstricke: Akzente müssen mit Bedacht gesetzt werden, ansonsten wirkt das Ganze schnell überladen. Paillettenkissen, wie bei Christian Fischbacher gesehen, geraten leicht in die Nähe des Kitsches. Umso besser ins Bild passen dagegen die floralen, fächerartigen und leicht changierenden Verzierungen des Stoffes „Belle Epoque“ aus der aktuellen Kollektion, die an die populären Muster zu Beginn des beginnenden 20. Jahrhunderts erinnern.
Indem man dekorative Elemente besser hervorhebt, soll auf Qualität und bewährte Stilelemente verwiesen werden: Schwere Stofflichkeit trifft auf kühles Edelmetall und dunkles Holz. Wo in den letzten Jahren das Material Bronze viel gezeigt wurde, sieht man jetzt verstärkt Gold- und Messingtöne. Diese mondäne Ausstattung sorgt für einen Glanz in den eigenen vier Wänden, der auch jeder ehrwürdigen Lounge gut zu Gesicht stehen würde.