Nein, es ist nicht die Messe 100% Design am Earl's Court, die vom Besuch in London Ende September in Erinnerung bleibt. Wie die meisten anderen Designmessen leidet auch sie sichtbar an Aussteller- und Besucherschwund, inzwischen ist die Veranstaltung auf eine Halle zusammengeschrumpft, die Internationalität ist ebenso wie die Qualität auf der Strecke geblieben. Wo sich noch vor wenigen Jahren die Großen der Szene tummelten, breitet sich jetzt ein scheinbar wahllos zusammen gewürfeltes Potpurri an Ausstellern und Sonderflächen aus - ein müder Abgesang auf die guten alten Zeiten. Die Highlights lassen sich an zwei Händen abzählen: Die kleine, aber feine Präsentation des jungen britischen Designers Robin Grasby, dessen Entwürfe handwerkliches Können und gelungenes Design verbinden, die Ausstellung der Materialplattform Materia, der Auftritt von Philips, das mit Lumiblade die neusten Entwicklungen in der OLED-Technologie vorstellt und damit ein aktuelles Thema aufgreift, der gut besuchte Stand von RAL, auf dem das neue Farbtrendbuch des Instituts vorgestellt wird, die kleine Sonderschau des Designers Sebastian Bergne, der seine Designplattform Spunique präsentiert, der Auftritt der kanadischen Firma Molo Design mit ihren faszinierenden Papier-Kreationen und die englische Firma David Mellor, einer der wenigen hochkarätigen Aussteller im Accessoire-Bereich. Insgesamt deutlich zu wenig für eine wirklich gute Messe.
Wer sich aber in der Stadt auf die Spuren von Design, Architektur und Kunst begibt, der wird reichlich belohnt. Sei es die wunderbare kleine Ausstellung von Paul Kelley in der Fumi Gallery (bis 18. November), die Präsentation des Labels plusminuszero von Naoto Fukasawa bei twentytwentyone in der River Street, der neue Shop von Jasper Morrison, der von den Bouroullec Brüdern gestaltete Showroom von Kvadrat oder die Präsentation des Sofas Quilt von Established&Sons - es gab viel zu entdecken. Ein Highlight auch die von Gareth Williams kuratierte Ausstellung „Telling Tales" im Victoria&Albert Museum (noch bis 18.Oktober), die das Phänomen der immer populäreren „Limited Editions" an der Schnittstelle von Design und Kunst untersucht.
Einer der spannenden Orte für Kunst in London dürfte zurzeit die Royal Academy of Arts sein. Die große Anish Kapoor-Schau (noch bis 11. Dezember) sprengt die Grenzen herkömmlicher Ausstellungen und greift dramatisch in das ehrwürdige Museumsgebäude ein. Spektakulär und poetisch zugleich.
Im hinteren Bereich der Royal Academy hat sich temporär die Galerie Haunch of Venison eingemietet. Ungläubig wandert der Besucher durch die prächtigen Räume, in denen bis vor kurzem das „Museum of Mankind" residierte. Bis zum 31. Oktober läuft hier noch eine atemberaubende Ausstellung mit Werken von Donald Judd, Günther Uecker, Dan Flavin und Enrico Castellani. Ebenfalls sehenswert: Die Aluminium-Bänke des Designers Thomas Heatherwick, der diese mithilfe der größten Extrudierpresse der Welt hergestellt hat.
Wer jetzt immer noch nicht genug hat, dem sei ein kleiner Ausflug in den Hyde Park zur Serpentine Gallery empfohlen. In diesem Jahr hat das japanische Architekturbüro Sanaa den temporären Pavillon entworfen - ein amöbenförmiges luftiges Gebilde, einfach und genial zugleich.
So dürfen wir auf das nächste Ereignis der europäischen Hauptstadt für Design, Kunst und Architektur gespannt sein: vom 15. bis 18. Oktober steigt die Messe für zeitgenössische Kunst „Frieze Art Fair" im Regent's Park.
www.robingrasby.com
www.materia.nl
www.lumiblade.com
www.ral.de
www.spunique.com
www.molodesign.com
www.davidmellordesign.com
www.galleryfumi.com
www.twentytwentyone.com
www.royalacademy.org.uk
www.haunchofvenison.com
www.serpentinegallery.org
www.sanaa.co.jp
www.friezeartfair.com