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Illusionist und Aufklärer
von Mathias Remmele | 03.07.2010

Ein leerer, nicht allzu großer, hoher Raum im Boros Kunstbunker in Berlin: von der Decke hängt, an einem langen Kabel und ungefähr in Kopfhöhe, ein Ventilator im Stahlkäfig. Leise und doch etwas bedrohlich surrend, trudelt er, bald ganz langsam, bald überraschend beschleunigend, mit nicht genau vorhersehbarem Kurs durch den Raum, zwingt dabei den Betrachter, der sich in seine Nähe wagt, zu Ausweichmanövern und setzt, unbeeindruckt von dessen Reaktion, seine scheinbar zufällige Bewegung fort. „Ventilator" nannte der Künstler Olafur Eliasson diese 1997 erfundene Installation, die er seither mit großem Erfolg an zahlreichen Orten gezeigt hat. Für viele Kenner seiner Arbeit gehört dieses relativ frühe Werk, zu seinen besten, nicht zuletzt, weil hier der (technische) Aufwand und der künstlerische Effekt in einem so günstigen Verhältnis zueinander stehen. In jedem Fall aber vereint „Ventilator" einige zentrale Merkmale des künstlerischen Schaffens von Eliasson in sich: Die Arbeit entfaltet sich im Raum, sie nutzt ein an sich banales physikalisches-naturwissenschaftliches Phänomen, sie animiert das Publikum zur Mitwirkung und Interaktion, sie lädt zur meditativen Betrachtung ein - ganz unglaublich, wie gerne man den brummenden Ventilator auf seinem rätselhaften Wegen durch den Raum beobachtet! - und sie generiert mit stets sichtbaren technischen Mitteln eine überraschende Poesie. Nach diesem Strickmuster funktionieren fast alle Projekte Eliassons, egal ob er nun mit Licht, Farbe, optischer Täuschung, mit Spiegelungen oder mit bisweilen irrwitzig komplexen geometrischen Körpern arbeitet, die ihre Inspiration etwa durch Buckminster Fuller nicht verleugnen. Dabei zeigt er seinem Publikum eigentlich nichts Neues, aber er zeigt es auf eine Weise, die den Zuschauer trotzdem immer wieder in Erstaunen versetzt. Er kreiert bisweilen sensationelle visuelle Illusionen und bricht sie zugleich, indem er die Apparaturen, die technischen Hilfsmittel vor Augen führt, die er dafür nutzt. Und das Schöne daran ist: Die Desillusionierung, wird nicht als Enttäuschung, sondern als Aufklärung begriffen.

Olafur Eliasson, 1967 als Sohn isländischer Eltern in Kopenhagen geboren, gilt heute zurecht als ein Superstar unter den zeitgenössischen Künstlern. Nach dem Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie startete er seine Karriere in Berlin, wo er 1994 das Studio Olafur Eliasson als „Labor für Raumerforschung" gründete und schon bald seinen kometenhaften Aufstieg in die erste Liga der internationalen Gegenwartskunst begann. Seinen Durchbruch markierte das schon heute legendäre „Weather Project" in der Tate Modern in London. Eine in der gewaltigen Turbinenhalle installierte künstliche Sonne lockte 2003/04 sage und schreibe rund zweieinhalb Millionen Menschen ins Museum. Nicht weniger spektakulär fielen jene vier künstlichen Wasserfälle auf dem New Yorker East River aus, die Eliasson im Sommer 2008 anlässlich seiner großen Doppelpräsentation im Museum of Modern Art und in der Außenstelle des MoMa „P.S. 1" realisierte. Bei den „New York City Waterfalls" regte sich freilich auch deutlich vernehmbare Kritik am Gigantismus des Künstlers und an dem mit diesem Projekt einhergehenden Energieaufwand, der sein Öko-Image etwas beschädigte.

Dass Eliasson - auch wenn sein Berliner Studio mittlerweile zu einer Kunstproduktions-Manufaktur herangewachsen ist, in der sich Dutzende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um die Organisation und Durchführung seiner weltweiten Projekte kümmern - noch immer dazu in der Lage ist, mit relativ bescheidenen Mitteln große Effekte zu erzielen, beweist er mit der Ausstellung „Innen Stadt Außen", die in diesem Sommer im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen ist. Da gibt es beispielsweise die Arbeit „Your uncertain shadow": eine Reihe von farbigen Halogenlampen, die nebeneinander aufgereiht am Boden liegen und von den Personen, die sich durch den Raum bewegen, einen x-fach abgestuften Schatten an die Wand werfen. Das ist so einfach und erzeugt so schöne Bilder, dass die Leute fast unwillkürlich zu tanzen beginnen und dabei den eigenen Schattenwurf bewundern.

Einmal mehr zeigt sich Eliasson in Berlin auch als Meister der Farbe und der visuellen Überwältigung. In der Rauminstallation „Your blind movement" sorgen kolorierte Leuchtstoffröhren und künstlicher Nebel für ein unbeschreibliches Farbbad, das an Intensität nicht zu übertreffen sein dürfte und einem für einen kurzen Moment die räumliche Orientierung verlieren lässt. Das ist - wer wollte es bestreiten - ein starkes Erlebnis! Gerade diese Arbeit verweist auf ein Paradox in Eliassons Werk und dessen medialen Erfolg. Denn seine Kunst entzieht sich in ihren wesentlichen Qualitäten der Abbildung. Sie entwickelt ihre Wirkungsmacht nur im unmittelbaren Erlebnis, dann aber umso eindrücklicher. Das hat unbestreitbar bisweilen Event-Charakter und passt insofern gut in unsere Zeit. Manchem kulturpessimistischen Kritiker ist freilich zu viel Spektakel in dieser Kunst, auch zu viel finanzieller und technischer Aufwand. Man kennt derlei Bedenken, die schon gegen Christo und Jean Claude ins Feld geführt wurden, mit denen Eliasson übrigens gerne verglichen wird. Und tatsächlich, seine Arbeit gilt wie die des amerikanischen Paares als leicht zugänglich - sogar Kinder haben Spaß daran -, gefällig, unterhaltsam, sie tut niemand weh, sie bietet sich an als Projektionsfläche für eigene Empfindungen und Gedanken, auch für hochtrabende Theorien und scharfsinnige Analysen, wie sie Kunstkuratoren und -kommentatoren so lieben. Nur notorische Miesepeter können sich dem Zauber dieser Kunst entziehen.

Olafur Eliasson: Innen Stadt Außen
Martin-Gropius-Bau Berlin
28. April bis 9. August 2010

www.berlinerfestspiele.de

The blind pavilion, 2003
Eispavillon, 1998
Your new bike (Urania), 2010
Spiegeltunnel, 2009
Non-stop park, 2009
Berliner Treibholz, 2009-2010
Model room, 2003; Foto: Jens Ziehe
New Berlin Sphere, 2009; Foto: Jens Ziehe
Water pendulum, 2010; Foto: Jens Ziehe
Mikroskop, 2010; Foto: Jens Ziehe; Alle Fotos: © Olafur Eliasson Mit Genehmigung des Künstlers, neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York
Berliner Bürgersteig, 2010; Foto: Jens Ziehe
Succession, 1998; Foto: Jens Ziehe
Twilight stars, 2010
Your blind movement, 2010; Foto: Jens Ziehe
Your uncertain shadow (colour), 2010; Foto: Jens Ziehe
Round rainbow, 2005; Foto: Jens Ziehe
Mikroskop, 2010; Foto: Jens Ziehe
Olafur Eliasson