I like das Original
von Martina Metzner | 31.01.2014
Gemeinsam auf Tour über die imm cologne: Architekt Marc Bailly aus New York mit Stylepark-Vorstand Robert Volhard. Alle Fotos © Leyla Basaran, Stylepark
Marc Bailly ist ein gefragter Interior-Architekt in New York. Er führte lange Jahre ein Studio mit seinem Kollegen Mark Gage, bevor sich die beiden im vergangenen Jahr trennten. Seitdem betreibt Marc Clemenceau Bailly zusammen mit seiner Frau Nicolette das Studio Bailly & Bailly mit Hauptsitz in New York und einer Dependance in Seattle. Baillys Spezialgebiet sind luxuriöse Appartements und Strandhäuser, Hotels aber auch Shops. Sein Markenzeichen sind elegante und hochwertige Ausstattungen. Auf der imm cologne will sich Marc Bailly inspirieren lassen, es ist sein erster Aufenthalt in Deutschland , der ihn zunächst auf die Domotex nach Hannover und dann nach Köln führt. Ob er in Köln für seine Pent- und Beachhouses fündig wird? Und welche Designs, Marken und Themen sprechen den US-Amerikaner an?
Marc Bailly und Robert Volhard, Vorstand von Stylepark, starten ihren Rundgang in Halle 3.2., am Stand von Thonet. Das Familienunternehmen, das seit über 150 Jahren den Kaffeehaus-Stuhlklassiker „214“ vertreibt, hat sich dieses Jahr der Re-Edition des „S43“ von Mart Stam verschrieben. In sieben neuen Stahlrohrgestellfarben gibt es den Freischwinger nun, in Rot, Senfgelb, Schwarz, Weiß, Schokobraun, Graugrün und Warmgrau. Marc Bailly zeigt sich wenig beeindruckt von den im schummrigen Licht dargestellten Neuauflagen. Was halten Sie von Classics in neuen Farben? „Schwierig“, seine kurze Antwort.
Vivie Thonet mit Marc Bailly. Bild rechts: Tisch „S 1200“ und Sessel „S411“ von Thonet in neuen, frischen Stahlrohrgestellfarben.
Gegenüber, am Stand von e15, begrüßt uns Firmenchef und Designer Philipp Mainzer. „This is Stefan“, sagt er kurz und knapp und zieht den „This“-Stuhl von Stefan Diez hervor. Über das neue Wandregal von Jörg Schellmann „SH06 Profil“ kommen wir in ein weiteres Ambiente und stolpern quasi über den „Backenzahn“, mit dem bei e15 vor nunmehr 18 Jahren alles anfing. „Diesen Kettensägen-Hocker habe ich schon bei meinem Möbelhändler Karkula in Brooklyn/Williamsburg gesehen“, so Bailly.
Marc Bailly am Stand von e15 mit Firmeninhaber Philipp Mainzer – an der Wand das neue Regal „SH06 Profil“ von Jörg Schellmann.
Auch bei Vitra gibt es Déjà-vus. Natürlich kenne er die Produkte von Vitra gut und arbeite auch mit ihnen, so der Interior-Experte. Gleich am Eingang stoßen wir auf der „Eames Lounge Chair“, in schwarzer Sonderedition. Ob er diesen oder einen ähnlichen Lounge Chair zu Hause habe? „Keine Zeit zum Loungen“, entgegnet Bailly. „Ich habe nur zwei Wochen Urlaub im Jahr.“ Aber bei Psychologen in New York sei dieser Stuhl des Öfteren zu sehen.
„Zum Loungen keine Zeit“ – am Stand von Vitra: „Lounge Chair“ von Charles & Ray Eames.
Wir passieren das Karussell von Lorenz*Kaz für Zeitraum im Rahmen der von Stylepark kuratierten Sonderaustellung „Featured Editions“ – Bailly ist entzückt: „Meine Tochter würde es lieben“. Als wir die ersten paar Meter und Stände auf der imm hinter uns haben, wollen wir wissen, wie Bailly die Kölner Einrichtungsmesse im Vergleich zur New Yorker Möbelschau ICFF empfindet? „Sehr viel besser.“
Bei VS dann eine weitere Begegnung mit der Vergangenheit – und mit Design, das eine amerikanische Handschrift trägt: Die Vereinigten Spezialmöbelfabriken haben den „Boomerang Chair“ von Richard Neutra, das Original stammt von 1942, neu herausgebracht. Volhard und Bailly nehmen Platz. „Was halten Sie von der Idee, Klassiker des Designs wieder aufzulegen?“, will Robert Volhard von seinem Begleiter wissen. „Es hängt vom Design ab“, antwortet Bailly. „Beim Boomerang Chair finde ich es sehr gut gelungen, da er ins zeitgenössische und aktuelle Design passt.“
Noch eine Begegnung mit der Vergangenheit: VS hat den „Boomerang Chair“ von Richard Neutra, das Original stammt von 1942, neu herausgebracht.
In Halle 11.2. rauscht es: Axor/Hansgrohe stellt die „LampShower“ vor, einen Hybrid aus Lampe und Duschbrause, die das japanische Designbüro Nendo gestaltet hat. Bailly runzelt die Stirn: „So etwas wäre in den Vereinigten Staaten undenkbar! Das sieht gefährlich aus!“ In der Tat, erklärt Firmeninhaber Philippe Grohe, gebe es in den Vereinigten Staaten aber auch in Japan Probleme beim Export, vor allem wegen der unterschiedlichen Volt-Anschlüsse. Daher kämen Neueinführungen rund sechs Monate später auf diese Märkte, da sie angepasst werden müssten.
„In den USA undenkbar“ – „LampShower“ von Axor/Hansgrohe.
Bei Walter Knoll steht das Sofa „Haussmann 310“, ebenfalls eine Re-Edition, zart und filigran inmitten von ausladenden Polstergruppen. „Eine Revolution für die damalige Zeit, die 1960er Jahre“, erklärt Hartmut Röhrig, Executive Director für Vertrieb und Marketing bei Walter Knoll. Als Protest gegen das Konservative hätten die beiden Schweizer Designer Robert und Trix Haussmann „Haussmann“ entworfen, eine Verbindung aus traditionellen Clubmöbeln mit Bauhauselementen. Marc Bailly scheint allerdings die geräumigen Sitzgelegenheiten den fragilen vorzuziehen: Nur kurz hält es ihn auf „Haussmann“, lieber nimmt er auf dem üppig weißen „Grand Suite“ nebst neuen Beistellkästen „Isanka“ Platz und breitet gemütlich die Arme aus.
Re-Edition „Haussmann 310“ von Trix und Robert Haussmann aus dem Jahre 1962 für Walter Knoll.
Doch schon geht es weiter, vorbei an Alfredo Häberlis neuem Polsterstück „DS-88“ von de Sede, das ein „gefällt mir nicht“ von Bailly kassiert. „Die Rundungen, Nähte und Falten stören mich.“ Schon eher gefallen Bailly die Objekte beim tschechischen Anbieter mm interier, dessen Stand und Möbel komplett in Zahnarzt-Türkis gehalten sind. Wie er zu Farbe stehe? „Ja, aber nur als Akzent.“
Türkis-Total – beim tschechischen Anbieter mm interier.
Bei Ligne Roset hält man es dagegen gedämpft. Deutschland-Marketingleiterin Sabine Böhm führt uns vorbei am Erfolgsmodell „Ploum“ der Bouroullecs – Bailly: „sehr komfortabel“ – zu einem Neuentwurf: „Prado“ von Christian Werner. Ein flexibel wandelbares Sofa, dessen Rückenlehnen separat einsetzbar sind, sogar auf dem Boden. Böhm erklärt, Ligne Roset habe etwa 150 Designer im Programm. Und Volhard erläutert: „Die Marke hat sich sehr positiv die letzten Jahre entwickelt, sie fördern viele junge Designer.“ Unser Blick streift das sehr harmonisch gestaltete Standensemble. „Was wir hier sehen, Sofas, Schränke, Leuchten, Tische, ist natürlich alles aus einem Guss“, sagt der Stylepark-Chef und wendet sich an Bailly: „Aber fehlt da nicht das persönliche Statement, die Selektion, wenn man dies eins zu eins in den Wohnraum übertragen würde?“. „Solche Showrooms, mit so einem Komplettangebot helfen sehr in Sachen Verkäuflichkeit. Meine Kunden verstehen die Möbel dadurch besser. Der Kontext ist da ziemlich entscheidend“, erklärt Bailly. Natürlich gehe es auch anders, etwa wie bei Karkula. „Dort haben sie eine sehr sorgfältig kuratierte Kollektion von Designern. Es werden Accessoires, Möbel und Leuchten gezeigt, die die Macher selektiv aussuchen und zusammenstellen, so dass es ein sehr lebendiges und reales Ambiente wiedergibt."
Ungewöhnliche Sitzprobe bei Ligne Roset: „Prado“ von Christian Werner.
Bei COR ist das Thema Umweltschutz von hoher Relevanz. Inhaber und Geschäftsführer Leo Lübke erklärt: „Seit 1996 sind unsere Möbel mit dem Blauen Engel ausgezeichnet.“
COR-Chef Leo Lübke und Marc Bailly.
Auch hier folgt die obligatorische Sitzprobe, dieses Mal nimmt Bailly auf „Conseta“ Platz, dem Erfolgsmodell von COR aus dem Jahre 1964. „Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit in der Architektur aus? Ist das bei Ihnen auch so ein wichtiges Thema wie bei uns?“, fragt Volhard seinen Gast. „Das ist ein großer Deal, auch in den USA, ja“, sagt Bailly.
Ein „Evergreen“: „Conseta“ von COR, farblich neu abgestimmt.
Durch Zufall entdecken wir den Anbieter Staron by Samsung, der einen Mineralwerkstoff, ähnlich wie Corian, anbietet. Gezeigt werden weiße, kühn geformte Ausstattungen fürs Badezimmer und Bailly ist begeistert davon, lässt seine Hand immer wieder über die geschwungenen Flanken von Duschkabinen oder Badewannen gleiten. Sogar einen Hybrid stellen sie vor, aus Badewanne und Bett. Ja, so etwas könne er sich bei dem ein oder anderen Kunden vorstellen, bemerkt der New Yorker.
Bett-Badewanne und Badezimmerausstattung aus „Staron“ by Samsung – Bailly ist begeistert.
Noch schnell vorbei bei Vorwerk, wo Bailly erneut auf das Thema Teppich stößt – und sich auch nach zwei Tagen Domotex immer noch dafür begeistern kann. Selbstklebende Teppichfliesen, das hat er auf der Domotex nicht gesehen, und schiebt spielerisch die kleinen Teppichflecken an einer Konsole wie bei Tetris auf und ab.
Selbsthaftende Teppichfliesen bei Vorwerk: Marc Bailly mit Georg Maurer von Claudia Neumann Communications.
Unser Rundgang endet in der Design Post. Vorbei an „Traffic“ von Konstantin Gricic für Magis – die Sitzprobe fällt mittelprächtig aus – landen wir im hinteren Bereich und damit beim Mittagessen. Zu uns gesellt sich Architekt Amandus Sattler, die beiden fangen an zu plaudern. Und Bailly zieht Resümee über sein erstes Mal imm cologne: „Die Messe war großartig, die Bandbreite und Vielfalt der gezeigten Designs, und nicht zuletzt die kunstvollen Installationen der Featured Editions. Am meisten beeindruckt haben mich Ligne Roset, e15, Team 7, VS mit der Richard-Neutra-Wiederauflage, Lampert, Vitra und Designer wie Stefan Diez, Konstantin Grcic und Louise Campbell. Und wie viele sagen, dass Köln ein Platz der Widersprüche sei, kann ich das auch bestätigen. Ich habe sehr gutes zeitgenössisches Design neben Reproduktionen moderner Klassiker gesehen – dieser Kontrast war sehr interessant.“ Und fügt verschmitzt hinzu: „I like ‚das Original‘.“
Nach der Design Post weitergezogen: die Architekten Amandus Sattler und Marc Bailly.