PORTRAIT
Nichts von der Stange
"Unser Ansatz ist sehr weit gefasst und wir sind glücklich so vielfältig arbeiten zu können", sagt Sven Petzold, der gemeinsam mit Tobias Petri vor gut zwanzig Jahren Holzrausch gegründet hat. Ihren Projekten gemein ist die ganzheitliche Herangehensweise, die mit einer intensiven Analyse des Bestands beginnt. "Wir orientieren uns an der architektonischen Idee und passen diese der Situation an, alles wird individuell entworfen, geplant und produziert", so Petzold. Der Name "Holzrausch" ist dabei eher als Eigenname zu verstehen, denn Tobias Petri und Sven Petzold haben zwar beide eine Ausbildung als Schreinermeister, das Materialspektrum, mit dem sie arbeiten, ist allerdings nicht auf Holz beschränkt. Glas, Naturstein und Metalle gehören ebenso ganz selbstverständlich zum Portfolio, auch mit Blick auf deren Eigenleben und den jeweiligen Effekt auf die Raumatmosphäre. Wie verändert sich die Oberfläche über die Zeit, bekommt sie eine Patina? Kann der Innenausbau komplett aus einem Material bestehen oder bietet sich eine abwechslungsreiche Kombination an? Sind ausgesuchte Akzente für das stimmige Gesamtbild hilfreich oder braucht es ein klares Statement in der Form? All diese Fragen beantworten Holzrausch gemeinsam mit den Kunden, schauen welche Materialien die Architektur vorgibt, suchen großflächige Muster aus, die diese in Ruhe in Augenschein nehmen können. "Wir beziehen die AuftraggeberInnen gerne aktiv mit in den Prozess ein, erklären unsere Wahl der Materialien, und deren Eigenschaften, lassen ihre Wünsche und Ideen miteinfließen. Das ist auch unsere Verantwortung, damit sie sich mit dem Endergebnis wohlfühlen", so Petzold. Ganz nach dem Prinzip "alles aus einer Hand" gestalten sie mitunter auch mal den kompletten Innenausbau eines Gebäudes, vom Bodenbelag über die Wandverputzung bis zum Türgriff.
Neben ihrem Expertenwissen spielt für Holzrausch dabei die Intuition eine entscheidende Rolle: "Wir haben alles, was wir bis jetzt getan haben, aus dem Bauch heraus entschieden", sagt Sven Petzold. Das sie sich auf ihr Gespür verlassen können, zeigt bereits ihre Entwicklung auf: 1998 in München gegründet, um die Basis für eigene Entwürfe zu haben, statt nur auszuführen, wurden die "Architekturmöbel", individuelle Inneneinbauten, schnell zum Erfolg. Der besondere Blick für das Detail, für stimmige Proportionen und die ganzheitliche Wirkung im Raum sprach sich schnell herum – heute arbeiten Holzrausch mit knapp 80 Mitarbeitern an Projekten quer über den Globus, von Deutschland bis nach Russland. Von der Standsanierung bis zum Neubau reicht die Spanne – viele private Bauten haben sie seither ausgestattet, aber auch Restaurants, Bars, Messestände und Showrooms.
Der neue Leica Store, den sie in Zusammenarbeit mit Office Heinzelmann Ayadi (OHA) entworfen haben, wurde beispielsweise Ende 2020 in München eröffnet und schafft mit natürlichen Oberflächen eine angenehme Atmosphäre, in der man sich gerne aufhält. Die Unterbauten der Vitrinen sowie die Einbauten aus nachhaltigem Holz bieten eine angenehme Haptik und überlassen den Produkten die Bühne. Das Pendant wird gerade in Tokio entwickelt, von Holzrausch entworfen und ganz im Sinne der Nachhaltigkeit von den lokalen HandwerkerInnen produziert. Gemeinsam mit Grünecker Reichelt Architekten haben sie zudem das "Turmhaus Tirol" erdacht, das sich an der regionalen Bauart orientiert, charakteristische Merkmale der umliegenden Höfe aufgreift und neu interpretiert. Aktuell entwirft Holzrausch zudem gemeinsam mit befreundeten DesignerInnen eigene Produkte, "quasi Projekte im Projekt, von der Beleuchtung bis zum Möbel", so Petzold. "In dem Moment, in dem eine Aufgabe einen ganzheitlichen Ansatz hat, wird es interessant für uns", resümiert er.
Ihre Formensprache ist dabei immer klar, nie überladen und in sich stimmig. "Auch wenn das Haus komplett ausgestattet ist, darf es nicht ausgestattet aussehen, sondern muss sich handwerklich perfekt in die Architektur einfügen. Die Basis sollte zurückhaltend sein und nur an manchen Stellen aufblitzen", so Petzold. Auch die Ausstattung der Küche haben Holzrausch neu gedacht: 2018 präsentierten sie gemeinsam mit OHA und Relvão Kellermann das revolutionäre Küchensystem "J.Gast", einen konstruktiven Baukasten als Grundgerüst für hochwertige Küchen, der anders als bei den industriell gefertigten Modellen nicht aus standardisierten Einzelelementen besteht, sondern eine Konstruktion bietet, die nur mit einer Trennwand auskommt. Dafür entwickelten sie eine technische Lösung, deren Grundbestandteile Rahmen und Zwischenelemente sind und den Charakter eines Möbels bietet. Blenden und Abdeckungen kamen nicht in Frage, die Konstruktion sollte lesbar bleiben. "Dank des Rahmenprinzips, aus dem die unterschiedlichen Basiskörper entstehen, ist das Design flexibel, wandelbar, frei skalierbar und materialeffizient", so Sven Petzold. Je nach Aufbau, Material und Positionierung im Raum kann der Fokus auf der Funktion liegen oder die Küche zum Hingucker werden lassen, ganz entsprechend der Architektur des Raumes. Mittlerweile ist das neue Einbauküchensystem patentiert und kommt in Kürze auf den Markt. Fortschrittlich gedacht, perfekt ausgeführt. Typisch Holzrausch eben.