Im Sommer kommt es ans Licht: Die Städte erobern ihre Ufer an Fluss, See oder Meer zurück. Selbst wenn, wie am Rhein, das Baden heute nur am Oberlauf erlaubt ist – die Strandbäder kehren zurück. Anderswo lockt bei heißem Wetter die Strömung. Wer beispielsweise auf die Webseite des Flussbades „Unterer Letten“ geht – dem ältesten, 1909 an der Limmat bei Zürich errichteten Kastenbad –, der kann folgenden lakonisch-präzisen Kommentar lesen: „Die Menschen sprangen von einer Brücke ins Wasser. Die Strömung war beträchtlich. Die Menschen schwammen bewundernswert.“ Was früher, als es noch keine oder nur wenige Freibäder mit diversen Schwimmbecken gab, ganz selbstverständlich war, hat in Zeiten von Wasserverschmutzung und mit Schwermetallen verseuchtem Schlamm etwas Exotisches: Baden im Fluss. Mit der Strömung dahinzutreiben oder gegen sie anzukämpfen, ist eben ein besonderes Vergnügen.
JDS Architects aus Dänemark sind so etwas wie Spezialisten für öffentliche Flussbäder, im vergangenen Dezennium haben sie so einige entworfen. 2003 erweiterten sie den „Harbour Park“ in Kopenhagens Stadtteil Islands Brygge bis ins Wasser und entwarfen das „Harbour Bath“, einen Ort, an dem man Schwimmen, aber auch in der Sonne liegen, spielen, Leute treffen, sich entspannen kann. Nicht nur dieses Bad steht für eine generelle Entwicklung, in deren Verlauf Freizeit- und Badekultur in die Städte zurückkehren und Areale, die einst industriell genutzt wurden, zurück erobert werden. Weitere, nicht realisierte Entwürfe von JDS folgten: 2006 ein „Harbour Bath“ für Aalborg, 2007 eines für Dublins Docklands. 2013 wurden in Kopenhagen die „Kalvebod Waves“ in Kalvebod Brygge fertiggestellt, ein urbanes Gegenüber zum „Harbour Bath“. Wo zuvor anonyme Bürobauten wenig öffentliches Leben zuließen, liegen die Kopenhagener jetzt während der Sommermonate auf den „Wellen“ in der Sonne oder nutzen die künstliche Landschaft aus betonierten und holzbeplankten Flächen für einen Sprung ins kühlende Nass.
Eben erst fertiggestellt wurde das von JDS entworfene „Faaborg Harbour Bath“ am südlichen Ende der dänischen Insel Fünen, in diesem Fall also ein Meeresbad. Es basiert auf der Idee, ein offenes Areal zum Baden im Meer mit diversen Piers zu kombinieren, die wie Finger in die See ausgreifen, wodurch zwischen den einzelnen Stegen verschiedene Badebereiche entstehen. In Faaborg sind es vier „Finger“ unterschiedlicher Länge und Breite, die sich ins kühle Nass erstecken. Jede Seebrücke bietet Zugang zum Wasser, jedes Becken hat seine Bestimmung. Die aus Holz gefertigten Piers bestehen aus Rampen und Treppen. Auf ihnen befinden sich Umkleidekabinen ebenso wie Bereiche zum Sitzen, kleine Becken für Kinder, eine Sauna und ein Meeting Point für Bootstouristen. Das maritime Leben, es hat, ob am Fluss, im Hafen oder an der See, begonnen, sich wieder intensiver mit dem urbanen Leben zu verbinden.
Einen ebenso mutigen wie skurrilen Vorschlag zeigten JDS Architects 2010 bei der Architekturbiennale von Venedig. Unter dem Titel „Venice 2.0“ imaginierten sie eine um die alte Lagunenstadt herum gelegte Girlande aus Hochhäusern, eine italienische Copacabana, die bei anhaltendem Klimawandel nicht nur das alte Venedig vor Hochwasser schützen, sondern auch einen schier endlos langen Strand mit tropischen Pflanzen bilden könnte. Mit grandiosem Blick auf die Serenissima.
Wer oft am Wasser ist, der träumt eben gern. Bis zur nächsten Abkühlung beim Schwimmen im Fluss. Oder, wie es in einem Kommentar zum Limmatbad „Unterer Letten“ auf Schwyzerdütsch heißt: „Beschte wo git“.
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