STYLEPARK HEIMTEXTIL
Neues Gleichgewicht schaffen
Anna Moldenhauer: Anja, du hast für die Heimtextil Trends 22/23 die Regieführung der Trendaktivitäten übernommen. Was ist dir hierbei wichtig umzusetzen?
Anja Bisgaard Gaede: Wir wollen mit den Trends beispielhaft darstellen, welche Möglichkeiten wir haben, die Zukunft der textilen Einrichtungsbranche nachhaltig zu gestalten – und mit welchen Produkten wir das erreichen können. Während der Trendanalyse waren wir mitten in der ersten Hochphase der Covid 19-Pandemie, dennoch hat sich in dieser Zeit bereits sichtbar abgezeichnet, um welche Fragestellungen es aktuell geht. "Next Horizons" beschreibt so eine neue Denkweise für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und die Veränderung des bisherigen Produktionssystems. Die textilen Produktangebote sollten im Einklang mit einer langfristigen und zirkulären Denkweise geplant, hergestellt und wieder in Umlauf gebracht werden.
Zu Beginn des Jahres 2021 und auch für den Januar 2022 musste die Heimtextil aufgrund der Covid 19 Pandemie abgesagt werden. Wie viel von den Inhalten der ursprünglich geplanten "Nothing New, Everything New"-Ausgabe konntest du im Anschluss wieder aufgreifen?
Anja Bisgaard Gaede: Trends sind dynamisch, sie enden nicht abrupt, daher konnten wir fließend an die Arbeit für "Nothing New, Everything New" anknüpfen und diese mit neuen Erkenntnissen weiterentwickeln. Wir verstehen die Nachhaltigkeit zudem nicht direkt als Trend, sondern eher als ein notwendiges Prinzip. In dessen Kontext schauen wir, welche neuen Möglichkeiten des Recyclings von Materialien es für Textilien gibt. Für den Trendspace setzen wir im Detail unser bestehendes Material-Manifest fort, zeigen parallel aber auch eine neue Erweiterung. Auf dieser Fläche werden nur Materialien präsentiert, die unseren Nachhaltigkeitsanforderungen gerecht werden.
Warum habt ihr euch für die vier Trendthemen "Deep Nature", "Hyper Nature", "Beyond Identity" und "Empowered Identity" entschieden?
Anja Bisgaard Gaede: Bei der Festlegung der Trends schauen wir, dass wir möglichst einem breiten Publikum das Konzept unserer Forschung vermitteln können. Die Inhalte werden sowohl auf der physischen Fläche wie online präsentiert – daher ist es sehr wichtig, dass wir jede der unterschiedlichen Zielgruppen ansprechen. Die vier Trends haben so also auch einen ganz pragmatischen Aspekt, denn sie sollen dem Verständnis des großen Ganzen dienen.
Inwieweit wird der Trendspace dieses Mal digital präsentiert?
Anja Bisgaard Gaede: Wir arbeiten bei der Onlinepräsentation mit einer Vielzahl an Visualisierungen, wie Filme, Fotografien und einem Soundtrack. Die neuen Online-Trendwelten werden so mehrdimensional dargestellt. Wir möchten den unterschiedlichen BesucherInnen die Möglichkeit geben, unsere Ergebnisse digital zu erforschen und ihnen dabei möglichst viele Ansatzpunkte bieten. Die Future Materials Library wird darüber hinaus dieses Mal als reine Online-Materialbibliothek zukunftsweisende Materialien für Interieur-Anwendungen vorstellen, kuratiert von dem Londoner Designstudio FranklinTill.
Du bist Trendforscherin und hast hierzu eine eigene Methode entwickelt, die "Spott-Methode", wie bringen Sie diese in Ihrer Arbeit mit dem Trendcouncil ein?
Anja Bisgaard Gaede: Bei der Spott-Methode führe ich Kundenanalysen auf neurowissenschaftlicher Basis durch, um das Verhalten der VerbraucherInnen zu verstehen und vorherzusagen. Im Trendcouncil bringen wir alle jeweils unsere eigene Forschung ein, suchen aber gleichzeitig eine gemeinsame Basis. Ich finde es immer wieder faszinierend, dass wir diese auch jedes Jahr finden, obwohl wir alle eigene Ansätze haben. Von meiner Seite her entwickle ich so beispielsweise die Richtlinien für jeden Trend, analysiere wer die Zielgruppe ist sowie den ästhetischen und inhaltlichen Ansatz.
Was kann die Textilindustrie in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung deiner Meinung nach besser machen?
Anja Bisgaard Gaede: Ob wir schnell zu einem nachhaltigen Umdenken in der Textilindustrie kommen, hängt stark davon ab wieviel Aufwand diese hierfür betreiben möchte. Ich denke, dass wir uns beeilen sollten. Wenn wir zu spät reagieren, wird die Zeit am Ende knapp und die Industrie hinkt der Entwicklung hinterher.
Du bist in Silkeborg, Dänemark, ansässig. Wie beeinflusst die Arbeit von diesem Standort aus deine Perspektive auf die Branche?
Anja Bisgaard Gaede: Kopenhagen als Hotspot ist von Silkeborg nicht weit entfernt, dennoch bin ich der Ansicht, dass man die Zentren öfter mal verlassen sollte, um das normale Leben zu verstehen und somit auch die Mechanismen des Marktes.