Ein Haus, das mitwächst
Vom Feriendomizil zum Altersitz: Mit dem Haus S hat das Stuttgarter Architekturbüro Yonder ein kompaktes Wohnhaus im Allgäu für ein Paar aus Berlin entworfen. Als Reaktion auf die steile Hanglage des Grundstücks konzipierten die Architektinnen das Gebäude zunächst als bewohnbaren Hochsitz, unter dessen Dach die einzelnen Geschosse nach Bedarf und mit der Zeit in die Höhe wachsen sollten – ein Ansatz, der durch den Gemeinderat verhindert wurde. In der Folge reduzierten Yonder die Gesamthöhe um einen Meter und entwickelten ein zweigeschossiges Holzhaus, das zusammen mit dem gegenüberliegenden Sauna-Anbau ein Gesamtensemble bildet. Verbunden wird das Ganze über eine Holzterrasse, die als eine Art Hochplateau einen beindruckenden Ausblick auf die Allgäuer Hügel und Vorarlberger Gipfel bietet.
Insgesamt 130 Quadratmeter Wohnfläche umfasst das Haus S, das sich auf einem Restgrundstück im Zentrum des Ortsteils Irsengund in Oberreute befindet. Als einfacher Körper mit Satteldach konzipiert, ist der Gedanke des Hochsitzes immer noch in der Fassade ablesbar: So wird der geschlossen wirkende Holzkörper im ersten Obergeschoss von umlaufenden Holzstützen im Erdgeschoss getragen. Die zurückversetzten Außenwände im Erdgeschoss sind grün gestrichen und betonen als farbiger Hintergrund die einzelnen Stützenreihen. Präzise gesetzte Fenster im ersten Obergeschoss sorgen für eine Plastizität des Gesamtkörpers, die durch das polygonal geschnittene Blechdach zusätzlich unterstützt wird.
Bei der Platzierung des Gebäudes konnten die ArchitektInnen den wertvollen alten Baumbestand erhalten, indem sie die externe Sauna um einen zentralen Baum anordneten. Dieser wird gleichzeitig zu einem Bestandteil des Ensembles aus Wohnhaus, Anbau und Terrasse, wobei die ebenfalls grün gestrichene und eingeschossige Sauna einen halbkreisförmigen Ausschnitt aufweist, die den Baum umfasst. Über eine Verglasung, in der sich auch das Thema der Holzstützen wiederfindet, öffnet sie sich zur Terrasse und tritt gleichzeitig in einen Dialog mit dem Wohnhaus. In dessen Innern entsteht durch eine leichte Drehung des Wohnraums zu den Außenwänden ein dynamisches Raumgefüge, das über eine mittig platzierte zweiläufige Treppe zusammengehalten wird.
Die einzelnen Wohnbereiche sind als offenes und effizientes Raumkontinuum miteinander verbunden, wodurch sich die Verkehrsfläche auf die Treppe reduziert. Im Erdgeschoss sind Schlafzimmer und Bad untergebracht, während sich der Wohn- und Essbereich im ersten Obergeschoss befindet. Unter dem Dach ist zudem eine Galerie angeordnet, die den Raum vertikal öffnet und zusätzliche Wohnfläche bietet. Die Geometrie der Dachform ist dabei als skulpturales Element im Innern erfahrbar, wobei die Architektinnen die Dachbalken sichtbar beließen. Dies erzeugt einerseits mehr Raumhöhe, greift anderseits aber auch die Gliederung der Holzstützen im Erdgeschoss auf. Die Fenster in den jeweiligen Wohnbereichen rahmen die Landschaft, ohne die Innenräume trotz der exponierten Lage des Hauses zu sehr nach außen zu öffnen.
Das Gebäude wurde von Yonder als einfacher Holzbau in Brettsperrholzbauweise konzipiert. Dabei wurden die konstruktiven Oberflächen von Decken und Böden sichtbar belassen, wodurch auf zusätzliche Schichten im Ausbau verzichtet werden konnte. Das Holz der Konstruktion umgibt so die Innenräume, was eine behagliche Atmosphäre erzeugt, ohne in Hüttenkitsch zu verfallen. Trotz des modernen Erscheinungsbilds darf der Kaminofen im Wohnraum nicht fehlen, der das bivalente Heizsystem einer Luft-Wasser-Wärmepumpe ergänzt und gleichzeitig zur alpinen Atmosphäre beiträgt. Damit ist den Architektinnen ein kleines und feines Wohnhaus gelungen, das einen Beitrag zur Nachverdichtung im ländlichen Raum liefert und sich präzise in seinen Kontext einfügt.