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Handwerkskunst für Idealisten

Robert Comploj ist ein seltenes Exemplar seiner Art: In seinem Studio vereint er Kunst, Design und Handwerk in Form der Glasbläserei. Aktuell bieten Gehsteige, Kanaldeckel, Hydranten oder Straßenbahnschienen die Basis für seine Arbeiten.
von Linda Pezzei | 02.02.2023

“Die Ausbildung der Glasbläserei dauert viele Jahre, eigentlich Jahrzehnte, man lernt nie aus”, sagt Comploj. Für diese ist der gebürtige Tiroler bereits viel gereist, von New York City, wo er seine ersten praktischen Erfahrungen in den Studios sammelte, über London, wo er als Glasbläser für Unternehmen arbeitete, bis nach Dänemark, Australien und Deutschland. Das er parallel gelernter Tischler ist, kam ihm dabei oft zugute. Sein aktueller Standort ist Wien. Hier setzt er sich auch mit Kursen und Workshops an Universitäten für die Förderung des Verständnisses für die Arbeit mit dem Material Glas ein: “Dieses Kunsthandwerk wird in Österreich leider nicht gefördert, dabei fragen oft junge DesignerInnen bei mir an, die sich für die Arbeit mit Glas interessieren.” So bleibt es InteressentInnen – wie auch Comploj seinerzeit – meist selbst überlassen, Initiative zu ergreifen, Engagement zu zeigen und das Wagnis einer langen Reise einzugehen. Complojs KundInnen wissen vor allem den Innovationsgeist zu schätzen, der hinter seinen Kreationen steckt. Im Moment lässt sich das Team des Studios von den Ecken und Kanten inspirieren, die das urbane Umfeld Wiens vor der Haustüre bietet. So ersetzen Gehsteige, Kanaldeckel, Hydranten oder Straßenbahnschienen die sonst üblichen Formen, gegen die das Glas geblasen wird. In kurzen Videos lässt sich auf Instagram die Entstehung der ungewöhnlichen Objekte miterleben – Glaskunst, die über das reine Produkt hinausgeht und Geschichten zu erzählen weiß.

Nachgefragt bei Robert Comploj

Worin liegen die Herausforderungen und Besonderheiten bei der Arbeit mit Glas?

Robert Comploj: Glas ist ein schwieriges Material, das sich niemals gleich verhält. Bei der Verarbeitung bist du immer im Moment gefangen: das Objekt kurz weglegen und später weitermachen ist schlicht nicht möglich. Dann gibt es schlechte Tage und gute Tage, die Arbeit mit Glas ist immer emotional. Derzeit beschäftigt natürlich auch uns die Energiekrise. Davon abgesehen bedeutet die Verarbeitung des Materials an sich einfach eine unglaublich schöne Tätigkeit – und stellt uns jeden Tag vor neue Herausforderungen.

Sie stammen aus Tirol und arbeiten nach einigen Jahren im Ausland mittlerweile in Wien – was macht den Standort für Ihr Studio so interessant?

Robert Comploj: Tatsächlich war auch Tirol einmal eine Option für uns, letztlich ist es dann zuerst Linz und seit gut sechs Jahren Wien geworden. Die Internationalität, die kurzen Wege und der "Grätzl"-Lifestyle, also die Nachbarschaftlichkeit, passen einfach perfekt zu unserer Arbeit. Wir haben hier unsere PartnerInnen, viele ArchitektInnen und andere interessante Menschen sowie natürlich auch eine entsprechend relevante Laufkundschaft für unser Ladengeschäft in Reichweite. Die Freiheit und der weite Horizont beflügeln zudem unsere Kreativität.

Glasbläsereien haben als Kunsthandwerk eine lange Tradition, auch in Österreich – erleben Sie hier im Moment eine "zweite Blütezeit" oder leisten Sie Pionierarbeit?

Robert Comploj: Ich sehe mich in Österreich in den letzten Jahren schon als Pionier auf dem Gebiet. Sicherlich ist es uns in gewisser Weise gelungen, das Handwerk wieder bekannter zu machen, was fehlt ist dennoch der Nachwuchs. Für die Arbeit mit Glas braucht es sehr viel Geduld, die Lehrzeit ist extrem lang – das widerspricht dem Trend des heutigen Zeitgeists und so mangelt es an jungen InteressentInnen. Auch die nötige Infrastruktur ist nicht vorhanden: eine entsprechende Werkstatt auszustatten kostet gerne einmal eine halbe Million Euro und auch an den Universitäten hierzulande spielt diese Form des Kunsthandwerks – wenn überhaupt – nur eine unbedeutende Nebenrolle. Die wirtschaftliche Herausforderung, mit dem Beruf später auch Geld zu verdienen, tut ihr Übriges. Ich sehe die Zukunft eher kritisch.

Wer sind Ihre KundInnen und wie eng ist Ihre persönliche Bindung an Ihre Designstücke?

Robert Comploj: Früher bin ich sicher mehr an jedem einzelnen Objekt gehangen, heute bin ich froh, wenn ich unsere Kreationen in guten Händen weiß und damit sozusagen Platz für Neues geschaffen wurde. Wenn Einzelstücke von bekannten Persönlichkeiten gekauft werden, erfüllt mich das schon mit Stolz. Ich denke aber, dass eher unsere KundInnen eine persönliche Bindung zu unseren Objekten aufbauen, schließlich haben sie viel Geld investiert und sich den Kauf gut überlegt – egal ob Privatperson, ArchitektIn, SammlerIn, Künstlerin oder Hotel- und Gastronomiebetriebe.

Ein Projekt, das Sie in Zukunft realisieren möchten?

Robert Comploj: Zu viel kann ich noch nicht verraten, aber wir planen derzeit den Bau einer großen neuen Werkstatt in Wien. Die wird mit einer bis dato in Österreich völlig neuen Technik ausgestattet sein. Ihr dürft also gespannt bleiben!