Kvadrat gehört zu den weltweit einflussreichsten Herstellern von Bezugsstoffen und Wohntextilien. Das seit 1962 geplante und schließlich 1968 im dänischen Ebeltoft von Poul Byriel, Erling Rasmussen und Bent Olsen (er verließ Kvadrat 1977) gegründete Unternehmen ritt Ende der 1960er Jahre auf einer Welle des Erfolgs, als skandinavische Möbel international die Trends setzten und Designer wie Verner Panton mit Sofas, Sesseln und Liegewiesen, bezogen mit den denkbar buntesten Stoffen, für Furore sorgten.
Alljährlich macht Kvadrat mit außergewöhnlichen Installationen in seinen Showrooms oder anderen Kulturinstitutionen wie dem Londoner „Victoria & Albert Museum“ und der „Serpentine Gallery“ von sich reden. Nun legt der Prestel Verlag das Buch „Interwoven – Kvadrat textile and design“ mit Beiträgen unter anderem von Peter Saville, Olafur Eliasson und Sevil Peach vor. Es dokumentiert die Firmengeschichte ebenso wie das Engagement des Unternehmens für die vielschichtige Verbindung von Stoffen mit Design, Kunst und Architektur.
Der Band würdigt eine Firma, deren Name oft nur Insidern bekannt ist. Da Kvadrat-Stoffe nicht von der Rolle an Endverbraucher verkauft werden und viele Kunden nicht wissen, dass sie bei Fritz Hansen, Moroso, Vitra, Thonet und anderen namhaften Herstellern auf Stoffen aus Ebeltoft sitzen, ist das Label zumindest nominell bislang unterrepräsentiert. Vielleicht ändert sich das durch das Gardinen-Set „Ready Made Curtain“ von Ronan und Erwan Bouroullec, das in diesem Jahr auf der imm cologne vorgestellt wurde und als erstes Produkt von Kvadrat im Direktverkauf angeboten wird.
Kvadrat hat den Erfolg des dänischen Möbeldesigns in den sechziger und siebziger Jahren maßgeblich geprägt. Ohne die knalligen Farben der Bezugsstoffe wären die Möbel von Verner Panton in ihrer Wirkung wahrscheinlich nur halb so spektakulär gewesen. Nanna Ditzel hatte die Textilserie „Hallingdal“, die längst zu einem Klassiker avanciert ist, 1965 entworfen. Bis heute sind über 100 Farbvarianten dieses Stoffes erhältlich. Wie sehr sich die Macher von Kvadrat selbst über den Einfluss ihrer Gewebe im Klaren waren, verdeutlicht ein Zitat von Poul Byriel, das 1981 in einer dänischen Tageszeitung abgedruckt wurde: „Ein Möbelstück besteht nicht aus dem Möbelstück selbst und dem Stoff selbst. Das Möbel und seine Polsterung sollten gemeinsam eine höhere Ebene erreichen.“
Das 264 Seiten starke Buch beginnt mit einer Einleitung von Peter Saville, wird fortgesetzt mit der Beschreibung eines Kunstprojektes von Olafur Eliasson und Günther Vogt auf dem Firmengelände von Kvadrat, bevor Denise Hagströmer die Unternehmensgeschichte von 1968 bis in die Gegenwart skizziert. Der mit Fotos, Zeichnungen und Stoffbeispielen von den Anfängen bis zu den aktuellen Kollektionen veranschaulichte Text fängt die Strömungen ein, unter deren Einfluss sich Kvadrat von einem skandinavischen Textilverlag zu einem international agierenden Label entwickeln konnte, dessen Stoffe sich – vom Reichstagsgebäude in Berlin bis zum „Museum of Modern Art“ in New York – in einigen der berühmtesten Bauwerke der Welt befinden. Die Philosophie der Marke, die in ihrer Art etwas vom Renaissance-Model der engen Verflechtung von Patron und Künstler wieder aufleben lässt, wird ebenso deutlich wie der Pioniergeist, der sich in der Kooperation von Architekten, Designern und Textil-Connaisseuren widerspiegelt.
Was dann folgt, ist ein Portfolio mit Kvadrat-Stoffen von Nanna Ditzel bis zu Patricia Urquiola, von Ole Kortzau bis zu Alfredo Häberli und von Nina Koppel bis zu Tord Boontje. Die Fotografien sind perfekt, der Druck lässt jede noch so kleine Nuance erkennen, und doch vermisst man notgedrungen die Haptik der Stoffe, wünscht sich als Leser Stoffproben, wie beim Einband des Buches. Unbezahlbar, gewiss …
Weiter geht es mit Jane Withers Beitrag zur Bedeutung der Farben, mit Bildern des Projektes „Hallingdal 65“, das anlässlich des „Salone del Mobile 2012“ in Mailand veranstaltet wurde, einem Text von Hettie Judah über das Ornamentale bei Tord Boontje und mit Zoë Ryans Artikel über die stille Designrevolution der Brüder Bouroullec.
Es folgen Bilder des Schweizer Fotografen Joël Tettamanti, der im Auftrag von Kvadrat um die Welt reist und vom Sammeln der Wolle über das Garnspinnen bis zum Färben und Weben den gesamten Produktionsprozess dokumentiert. Sevil Peach und Hettie Judah befassen sich mit der an Bedeutung zunehmenden Rolle von Textilien in der Architektur, des Weiteren werden Design- und Kunstprojekte von Kvadrat gezeigt, bis der Band mit einer Erläuterung des speziell für den Einband des Buches produzierten Gewebes endet.
„Interwoven – Kvadrat textile and design“ lenkt den Fokus somit auf kulturell bedeutende Aspekte eines Unternehmens, das sich nicht nur über seine Produkte definiert. Die Gewebe, die maschinell hergestellt werden, verlieren in diesem Prozess nichts von ihrer künstlerischen Integrität. Vielleicht besteht die Kunst der Skandinavier gerade darin: Einerseits ihre handwerklich-künstlerischen Traditionen zu bewahren und sie andererseits immer wieder den Tendenzen und Erfordernissen der Gegenwart anzupassen. So macht der Band nicht nur Lust auf Stoffe, man stellt beim Betrachten des Buches auch fest, dass man sich mehr engagierte Firmen wie Kvadrat wünschen würde.
Interwoven – Kvadrat textile and design
Violette Publications (Hrsg.)
Prestel Verlag
Hardcover, 264 S. ca. 200 Abbildungen, Texte in englischer Sprache
40 Euro
www.prestel.de
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