SALONE DEL MOBILE 2019
Gute Connections
Aus Gemeinschaftsprojekten von Designstudierenden und Herstellern ergeben sich meist für beide Seiten spannende Perspektiven. Jungdesigner profitieren von der Fertigungserfahrung, die sie qualitativ über das Stadium des Prototypenbaus hinausbringt. Firmen schöpfen aus frischen Denkansätzen, die sie möglicherweise auf unbeschrittene Wege führen. An der Universität für angewandte Kunst Wien hat Stefan Diez im vergangenen Wintersemester Blum für eine Kooperation gewinnen können. Seit dem Frühjahr 2018 hat der Münchner Designer hier eine Professur im Fach Industrial Design inne. Nach einem Projekt mit Zumtobel ist die Zusammenarbeit mit dem österreichischen Beschlägehersteller bereits die zweite Kooperation dieser Art für die Klasse.
"Es lohnt sich sehr, sich mit diesen kleinen unscheinbaren Dingen zu befassen", berichtet Stefan Diez beim Rundgang durch die Werkstätten der Angewandten. "Denn wenn man Gewöhnliches auch nur in Feinheiten verändert, ändert sich bei Beschlägen und Verbindern mitunter gleich das große Ganze." Hersteller aber bewegen sich lange im Rahmen ihres gewohnten Sortiments. Zwar sehen Klappen-, Scharnier- und Auszugsysteme für Möbel, auf die sich Blum spezialisiert hat, heute filigraner aus als früher. Doch beschränkt sich die Produktentwicklung und deren Innovationen hauptsächlich damit, die Beschläge immer unsichtbarer zu machen. Im Semesterprojekt "Fittings and Joints" geht es um mehr: Was, wenn man beispielsweise den Berührungspunkt zwischen Schranktür und Korpus einmal komplett neu denkt? Welche Rolle spielen Beschläge in der Architektur und der Mode? Welche Methoden lassen sich eventuell aus ganz anderen Bereichen auf das Thema Verbindungen übertragen?
Die Studentin Nina Melbinger hat so zum Beispiel eine Kombination aus Scharnier und Griff entwickelt. Für ihr Produkt "Rio" durchlief sie fast alle Werkstätten, die die Angewandte zu bieten hat: von der Gipsbearbeitung über die Metallwerkstatt, bis hin zur Holzverarbeitung und Lackierung. Die eigentliche Erfindung gießt sie aus rotem Silikon. Das Möbel lässt sich mithilfe der Verbindung und einer auf Schienen gelagerten Tür an zwei Seiten gleichzeitig öffnen.
"Die Studierenden haben in dem Projekt die Gelegenheit, sich in das Thema Produktentwicklung und Engineering vorzuwagen und kommen dabei mit vielen Herstellungsmethoden und Materialien in Berührung, die die meisten Studenten bisher nur aus der Theorie kannten", bestätigt Diez. Während manches Produkt eher technisch ist, wie etwa Philomena Stracks Klapp-/Steck-Regalsystem "Flip Shelving System", wählen andere angehenden Gestalter wie Jakob Niemann nahezu poetische Ansätze. Für "Timber to tree" kehrt der Student den Herstellungsprozess von Holzbrettern um: Seine Sitzbank steht auf Beinen, die genau im Winkel der zuvor entkernten Astlöcher ausgerichtet sind, womit das Möbel sein vormaliges Dasein als Baum betont. (mh)
Zur bevorstehenden Milan Design Week werden insgesamt 12 Produkte höherer Semester sowie mehrere kleinere Erstsemesterergebnisse gezeigt. Stefan Diez freut sich über die Begeisterung bei den Studenten, mit der sie die Qualität der Objekte anlässlich der Ausstellung innerhalb weniger Wochen noch einmal auf ein ganz neues Level bringen. "Nach 4 Monaten Semesterprojekt gibt man sich oftmals mit einem guten Konzept, einem Mock-up und einem fotorealistischen Rendering zufrieden. Weil wir die Teile für unsere Ausstellung benutzbar machen wollten, sind hier gerade auf den letzten Metern noch einmal richtig gute Ideen entstanden."
"Fittings and Joints" ist zu sehen vom 9. bis 14. April 2019 in der Zona Tortona: Studio, Via Novi 2, 20144 Milano; Dienstag bis Samstag 10–20 Uhr, Sonntag 10–14 Uhr