Verkäufer besitzen besondere Talente. Die „Peach Property Group“ präsentiert ihr Projekt wie ein Filmverleih seinen neuesten Blockbuster. Der heißt in diesem Fall „Yoo Berlin – inspired by Starck“. Den Verkäufer gibt der populäre Meisterdesigner gleich selbst. In charmantem französischem Akzent spricht er seine Kunden an: „Guten Tag, my name is Philippe Starck, and I must tell you: Isch liebe disch!“. Er bekennt, es ist der einzige Satz, den er auf Deutsch sagen kann. Denn, so erklärt er weiter, seine Frau sei in Deutschland geboren und er selbst im 16. Jahrhundert Deutscher gewesen, nun sei er eben Franzose – „I am sorry, nobody is perfect“.
Selbst schuld, wer hier nicht glücklich ist
Was aber verbirgt sich hinter dem Namen „Yoo“? Starck kennt den Speck, mit dem man Mäuse fängt: „A piece of art, full of big and small details ...“ Nichts sei hier normal, alles eine Kreation. Was die Wohnungen in dem zehnstöckigen Gebäude („a good size“) angeht, um deren Verkauf es hier geht, so teilt er seinen potenziellen Kunden mit, es gebe sie in den Ausstattungsvarianten „Classic“, „Culture“, „Minimal“ und „Nature“. Schließlich hat sich hier, wie auf der Website zu lesen ist, das „Können des berühmtesten Designers der Welt“ mit „dem Weitblick des internationalen Immobilienentwicklers John Hitchcox verbunden“. Was solche Videos für gewöhnlich verschweigen, hier wird es ausgesprochen: Der Preis beginnt bei 5.000 Euro und endet bei 8.700 Euro pro Quadratmeter. Was ist das schon, wenn einem mitten in Berlin das Paradies versprochen wird: „This will be a sort of island, of paradise. If you are not happy in this place, it’s because you don’t want to be happy“. Nun wir wissen bescheid: Wenn wir hier keine Wohnung kaufen, wollen wir einfach nicht glücklich sein.
Leben in der Wohlfühlzone
Von Zeit zu Zeit kann es nicht schaden, den Realitäten ins Auge zu sehen. Im Fall sogenannter Investoren- und Real-Estate-Projekte bedeutet das, nicht allein die architektonische Qualität neuer oder einem neuen Nutzen gefügig gemachter Gebäude oder Areale unter die Lupe zu nehmen, die von Immobiliengesellschaften und -entwicklern, von Fonds und Risikokapitalgebern finanziert werden. Denn vor dem Bauen oder Umbauen steht das Anpreisen. Derartige Großprojekte wollen schließlich finanziert werden. Also führen eigens produzierte Werbefilme und Marketingbroschüren vor, wie man sich das Leben in einer gehobenen Wohlfühlzone vorstellen muss. Hier geht es ja nicht um das Reihenhausprojekt in der Vorstadt. Man weiß, was man sich und seinen Kunden schuldig ist. Verkauft werden Träume. Was die leckeren, zumeist computergenerierten, von Musik und sonoren Sprecherstimmen untermalten Bilder versprechen, ist nicht weniger als ein luxuriöses Rundum-sorglos-Paket, geboren aus dem Geist kapitalistischer Ökonomie. Zweifel daran, dass es weiter aufwärts geht und die Rendite stimmt, haben hier keinen Platz. Gepriesen wird die Metropole mit ihrem stets sauberen, eleganten, exklusiven und einzigartigen urbanen Leben. Willkommen in der schönen neuen Immobilienwelt.
Ultra Luxury Rentals
Frauen und Männer, die hier wohnen oder besser residieren sollen, sind stets gut in Form, sie sind attraktiv und entsprechen dem gängigen Schönheitsideal. Blondinen werden bevorzugt. Die Männer sind erfolgreich und trainiert. Der Ausblick aus den Appartements ist nicht weniger als spektakulär, die Ausstattung edel, repräsentativ, aber unpersönlich. Auch für Sicherheit, Sport, Unterhaltung und Entspannung ist gesorgt. An leicht zu identifizierenden Statussymbolen – Frau wird selbstverständlich im Bentley zum Flughafen chauffiert – herrscht nicht der geringste Mangel. Den Rest an nobler, nie langweiliger Stimmung besorgt der Soundtrack.
Video © Battersea Project Land Company Limited
Batman war schon da
Es kann nicht schaden, wenn der Ort, an dem ins Wohnen der besonderen Art investiert werden soll, sich bereits als „location“ für spektakuläre Sport- oder Konzertveranstaltungen einen Namen gemacht oder sogar als Filmkulisse gedient hat. Selbst wenn „Gotham City“, die Stadt von Bruce Wayne alias Batman, nicht unbedingt der Ort ist, an dem sich die wohlbehüteten Zukunftsträume der Superreichen ohne Mord und Todschlag erfüllen würden, so geht doch nichts über den „iconic status“ eines altehrwürdigen Baus wie der „Battersea Power Station“. Schließlich wird aus dem maroden Erbe eines von 1933 bis 1983 befeuerten Kraftwerks am Südufer der Themse nun ein kosmopolitischer Stadtteil mit jeder Menge Wohnungen, Büros, Läden, Event- und Unterhaltungs-Areas und einem am Fluss gelegenen Park. Eine „neue Energie für London“ eben, eine „grüne“ zumal, soll das Riesenprojekt doch das größte klimaneutrale Gebäude der Welt werden: „A 21. Century Place like no other“.
In der ersten Reihe
Auch in Frankfurt am Main, das sich, wenn es darum geht, international zu erscheinen, gern „Mainhattan“ nennt, blickt man nach Manhattan oder London. Also wird das Angebot mit leckeren Bildern von Manhattan und London garniert. Denn: „Schon immer haben die Menschen die Nähe zum Wasser gesucht, doch leider, da wo es am schönsten ist, in der ersten Reihe, da ist wenig Platz.“ Sozialer Wohnungsbau klingt anders. Als sei der Main lange Zeit ausgetrocknet gewesen, hat nun „auch Frankfurt seinen Fluss wiederentdeckt“. Wo es in Frankfurt angeblich am schönsten ist, wächst nun das Bankenviertel an den Main und es entsteht mit dem „Maintor“ nichts geringeres als „The Riverside Financial District“ – ein „Business-Quartier auf höchstem internationalen Niveau“. Versprochen wird ein Stadtteil im Kleinen, ein „Nutzungsmix“ aus Büros, Einzelhandel und Gastronomie“, mit dem der Traum vom „Leben und Arbeiten am Main Wirklichkeit“ wird – die wichtigsten „Hospots“ in „Sachen Kunst und Kultur, Livestyle, Gastronomie und Shopping“ sind selbstverständliche „perfekt zu erreichen“. Und weil für das Projekt nur die besten Architekten begeistert werden konnten – Jürgen Engel, Professor Christoph Mäckler, Jo. Franzke und Sergio Canton – steht das „imposante Ergebnis“ längst fest und jede Art von Kritik daran erledigt sich von selbst: „Ein Ensemble spektakulärer Architektur-Highlights“.
Schaut man sich mehrere solcher Videoclips hintereinander an, erkennt man schnell die Stichworte, auf die gebaut wird: Einzigartig ist das Projekt auf jeden Fall. Fast immer ist die Rede von einem Maximum an Komfort und Effizienz, von einer perfekten Verbindung von Business und Lifestyle, samt absoluter Premium-Ausstattung – repräsentativ und von internationalem Format. Alles in diesem Reigen glatter Bilder und Oberflächeneffekte ist „State of the Art“. Da verwundert es kaum, dass die Architektur die Funktion einer Nanny für betuchte Erwachsene übernommen hat, die lauter „Work-Life-Oasen“ mit perfekter Rundumversorgung garantiert. Ganz nebenbei erfährt man auch, dass der New Yorker „High-Line-Park“ nun in den „Embassy Gardens“ in London eine Entsprechung finden soll.
Eine neue Gründerzeit
Bei den „Kronprinzengärten“ ist es eine dunkelhaarige Schöne, die zu sanft perlender Klaviermusik den Gendarmenmarkt überquert und bei Louis Vuitton vorbeischaut, bevor sie beim gehobenen Speisen (mit dem Partner oder etwa dem Makler?) zu Streicherklängen unter der silbernen Glosche eine gerenderte Phantasie aus der Investorenküche entdeckt. Nostalgisch, gediegen, gewürzt mit dem Flair gründerzeitlicher Beschaulichkeit samt Pferde- und Motorkutsche, weißem Flügel, Dachterrasse und Blick auf den Deutschen Dom – alles ohne Worte als pure Stimmung, bis ganz am Ende der Satz erscheint: „Schreiben Sie die Geschichte fort ...“
Wenn im Interessenten freilich ein Indoor-Pool, Hunde auf dem Laufband und Gourmet-Küchen stecken, dann ist dieser in New York und bei „MiMA“ richtig, wo er „The Luxury of Related in the Middle of Manhattan“ genießen kann. Klingt nicht ganz so exklusiv. Es sei denn, er bevorzugt „One Madison“, einen sehr schmalen, sehr hohen Wohnturm mit einer „dynamischen Nachbarschaft“, der, wie könnte es anders sein, in seiner Materialität als „very special“ und „unique“ beschrieben wird. Spektakuläre Ausblicke auf jedem Stockwerk inklusive. John Cetra, der „principal architect“ des Gebäudes, bringt die Verkaufsstrategie auf den Punkt, wenn er sagt: „Die Menschen, die sich dafür entscheiden, hier zu leben, kaufen ein Stück von New York.“ Nur scheinbar anders und doch aus dem gleichen strategischen Geist („make the impossible possible – to rise and rise“) wird im Fall der Luxus Appartements von Redrow London agiert. Denn auch hier zählen am Ende der Aufstieg und der herrschergleiche Blick über die Stadt, in dem sich der Kunde selbst und seinen Erfolg bestätigt: „I did this.“
Es ist ein Spiel mit unterschiedlichen Schlüsselreizen mondänen urbanen Lebens, mit dem man es hier zu tun hat. Geschickt werden Namen von Luxusmarken und Galerien zeitgenössischer Kunst eingestreut, die so kurz aufblitzen wie der blinkende Köder, mit dem man Fische an den Haken bekommt. Falsch – oder listig – an diesen harmlos auftrumpfenden Werbefilmen ist nicht, was sie zeigen und sagen, sondern was sie verschweigen.