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Geschichten vom Harlekin und seiner kindlich-bunten Traumwelt
von Sandra Hofmeister | 13.01.2009
All photos © Dimitrios Tsatsas, Stylepark

Bücher mit Goldschnitt wollen unbedingt auf sich aufmerksam machen und ihre Wertigkeit zur Schau stellen. Oft sind es besondere Gebetsbücher oder Bibelausgaben. Die ledergebundene Karl May-Ausgabe im Wohnzimmerschrank meines Onkels hat gold glänzende Schnittkanten, und jetzt gibt auch noch Jaime Hayons kürzlich erschienene Monografie damit an. Den satten Überfluss in Buchform ganz ungeniert zur Schau zu stellen, mag nicht unbedingt zu den jüngsten Entwicklungen passen. Doch der Band des spanischen Designers erschien noch in den goldenen Zeiten vor der Wirtschaftstalfahrt. Und als Geste passt der Goldschnitt ohnehin treffsicher zu Hayon: Der kreative Clown aus Barcelona entwickelt seine Ideen ohne Angst vor Geschmacksverirrungen und Kitsch. Die Übertreibung, das Märchenhafte und das barocke, opulente Farb- und Formenspiel sind seine Wegbegleiter, sein Skizzenbuch eine Art Bibel, die eine in fantastisch abdriftende Sicht auf die Welt enthält und das kindliche Staunen aus der Sicht eines Harlekins beschreibt. Hayons buntes Bilderbuch breitet den Kosmos des Designers und Künstlers in vielen Zeichnungen, Fotos und Collagen aus. Die Monografie zeigt Auszüge aus seinen großartigen Skizzenbüchern, schildert Projekte und erzählt Geschichten von Prototypen, fertigen Produkten und Ideen, die nicht für die serielle Herstellung bestimmt sind. Jaime Hayons Ansichten, sein Humor und seine Arbeiten müssen nicht jedem gefallen. Aber in sich stimmig ist die Märchenwelt des Spaniers allemal - seine Haltung gegenüber der Welt und dem Design kann offenbar auf einen enormen Fundus an kreativen Ideen zurückgreifen und sich dabei ständig selbst erneuern.

Ob Sinn oder Unsinn interessiert den Künstler nicht.

Spontan und intuitiv sei seien seine Entwürfe, sagt Hayon in einem einführenden Interview mit Suzanne Wales. Er überlege nicht lange, sondern lasse seinen Ideen einfach freien Lauf. Statt einer Biografie zeigt der bunte Bilderbogen des Goldschnittbuches recht persönliches aus Hayons Leben, in Schnappschüssen festgehalten: Der kleine Jaime in Cowboymontur auf einem Pony - offenbar war er schon früh ein Verkleidungskünstler! Später dann ein ziemlich waghalsiger Skater und schließlich ein einfühlsamer Künstler, der seine Inspiration auch aus seinen Urlaubserlebnissen mit Freunden zieht. Für seine erste Ausstellung, 2003 in der David Gill Gallery in London, entwickelte Hayon eine Landschaft aus überdimensionierten Keramik-Kakteen. So ein Unsinn, mögen sich Kritiker denken. Doch ob Sinn und Unsinn interessiert Jaime Hayon erst gar nicht. Wahrscheinlich ist er gerade von den unsinnigen, frivolen und überflüssigen Details angetan. Das Sinnvolle und nur Funktionale scheinen nicht seinen Maßstäben zu entsprechen. Der Tisch seiner Mon Cirque-Installation hat gut ein Duzend Beine, gedrechselt und geschwungen, hochglänzend in Weiß lackiert. Auf ihm stehen rätselhafte Keramik-Formen, eine Art abstrahiertes Figuren- oder Puppenkabinett mit goldenen Schnörkeln, Nasen oder Schnäbeln. Dass diese Installation von Barcelona nach Paris, Köln und Kuala Lumpur wanderte, mag überraschen und doch plausibel sein: Jaime Hayons barocker Überfluss wurde zum Befreiungsschlag der Designwelt vom ewig Nützlichen, dessen Ernst sich überall ausgebreitet hatte. Viele von Hayons Entwürfen sind serienproduziert und einige von ihnen, zum Beispiel die lustigen Tischleuchten in Pilz-Form, sind durchaus alltagspraktikabel. Doch bei den eigentlichen großen Würfen, die den Spanier auszeichnen, entpuppt er sich mehr als Künstler denn als Designer: Sein monströses grünes Schaukelhuhn etwa bleibt ein Einzelstück. Eine Sonderanfertigung, unverkäuflich und unvergänglich. Besonders, wenn Jaime Hayon selbst in seinem Harlekinskostüm darauf sitzt und selbstverliebt schaukelt.

Jaime Hayon Works
Von Jaime Hayon, in Englisch, Gestalten Verlag 2008, gebunden, 320 Seiten, € 69,90

www.gestalten.com

All photos © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
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