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Executive Briefing Center in München von Gensler für Celonis

Künstliche Intelligenz & New Work
Das Büro als Erlebnismultiplikator

Künstliche Intelligenz und New Work – zwei aktuelle Themen, die das global agierende Design- und Architekturbüro Gensler stetig erforscht. Einen Einblick in ihre Arbeit geben im Interview Lukasz Platkowski, Principal und Managing Director bei Gensler in Berlin, und Philip Tidd, Principal und Managing Director bei Gensler in München.
21.08.2024

Anna Moldenhauer: Wie setzt Gensler Deutschland derzeit künstliche Intelligenz ein?

Lukasz Platkowski: Jedes Jahr veröffentlicht Gensler seinen Design Forecast – eine Zusammenstellung der wichtigsten Trends, die unserer Meinung nach die Zukunft von Design und Architektur prägen werden. Ein Trend, den wir immer wieder beobachten, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Designprozess. Vor einigen Monaten haben wir einen unserer Technologiekunden gebeten, die Überlegungen über die Zukunft der Technologie im Design mit uns zu teilen. Sie erklärten, dass künstliche Intelligenz die frühen Phasen des Designs unterstützt und den Ausgangspunkt des konzeptionellen Denkens verbessert. KI ist für sie ein Werkzeug, mit dem sich Ideen entwickeln oder ein Briefing sehr schnell erstellen und präsentieren lassen. Dies deckt sich mit unserer Forschung und Arbeit, denn sobald diese Grundlage geschaffen ist, kann der eigentliche Designprozess, die Architektur und Innovation, beginnen. Der zweite Einsatzbereich der KI, der in der Welt des Designs potenziell wesentlich größere Auswirkungen hat, ist die Fähigkeit, während der Entwurfsphase einen digitalen Zwilling des realen Gebäudes zu entwickeln. Dieses digitale Modell wird verwendet, um den Prozess zu rationalisieren, die besten nachhaltigen Lösungen zu finden und sicherzustellen, dass wir die richtigen Entscheidungen für den Bau und den Betrieb des Gebäudes treffen. Trotz seiner Vorteile hat der Einsatz von KI auch einige Nachteile. Wir achten auf die Vertraulichkeit mit unseren KundInnen, da das Urheberrecht an mit KI erstellten Arbeiten nicht automatisch dem Unternehmen gehört, welches das Bild oder die Ergebnisse erstellt hat. Oft können diese Daten von anderen eingesehen und weitergegeben werden.

KI hat also auch einen wachsenden Einfluss auf Ihre Arbeit – und was bleibt indes von der Idee der Neuen Arbeit, von der wir während der Pandemie gesprochen haben?

Philip Tidd: Die disruptive Kraft der KI, New Work und die Post-Pandemie-Ära sind alle miteinander verbunden. Ganze Kategorien von Aufgaben, die in den Bereich der Büroarbeit oder der Wissens- und Arbeitsaufgaben fallen, können zunehmend von Plattformen wie Chat GPT erledigt werden, und der Arbeitsprozess wird sich in diesem Zuge verändern und anpassen. Im Jahr 2016 erschien ein lesenswertes Buch mit dem Titel "The Second Machine Age: Work, Progress, and Prosperity in a Time of Brilliant Technologies". Der Autor Erik Brynjolfsson kommt darin zu dem Schluss, dass "in Zukunft alles, was automatisiert werden kann, auch automatisiert wird". Sich wiederholende Tätigkeiten können zunehmend von KI übernommen werden. Während der Pandemie bedeutete die Arbeit von zu Hause aus, dass sich auch unsere Prozesse und Bedürfnisse veränderten. Interessanterweise haben sich diese großen Veränderungen in der Büroarbeit in Deutschland nur selten in einer Neugestaltung von Arbeitsplätzen niedergeschlagen. Laut unserer 2024 Global Workplace Survey wurden in den letzten drei Jahren weniger als 30 Prozent der Arbeitsumgebungen neu gestaltet – auch in Deutschland. Wenn man darüber nachdenkt, hat sich in den letzten drei Jahren der "Post-Pandemie-Ära" die Machtdynamik zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern deutlich verschoben und die Unternehmen müssen sich damit auseinandersetzen. Das Büro sollte ein Ort sein, an dem die Menschen gerne arbeiten und Ideen mit Kollegen und Gleichgesinnten austauschen. Die Tatsache, dass sich die Bürogestaltung bisher kaum verändert hat, ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum viele ArbeitnehmerInnen in Deutschland derzeit lieber von zu Hause aus arbeiten.

„Interessant ist, dass die Menschen im Durchschnitt etwa 51 Prozent ihrer Zeit im Büro und etwa 20 Prozent von zu Hause aus arbeiten – unabhängig davon, wie das Unternehmen das Verhältnis der physischen Anwesenheit vorschreibt. Auch Geschäftsreisen und Termine außerhalb des Büros zählen als Fernarbeit. Ich denke, das ist ein sehr interessanter Hinweis darauf, dass selbst Unternehmen, die eine Vollzeitpräsenz im Büro anstreben, dies nicht umsetzen können.“

Philip Tidd

In der Publikation "Design for a Radically Changing World", die von den Gensler-Vorsitzenden Andy Cohen und Diane Hoskins verfasst wurde, geht es unter anderem darum, dass der Arbeitsplatz ein Erlebnismultiplikator sein sollte, in dem Menschen einzigartige Erfahrungen machen können. Was bedeutet das für die Gestaltung des Arbeitsplatzes?

Lukasz Platkowski: Wir sehen, dass sich Erfahrungsmultiplikatoren in allen Bereichen des Designs auszahlen – im Masterplan, in der Landschaft, in der Architektur und im Digitalen – nicht nur am Arbeitsplatz. In unserer Forschung sprechen wir von einer Kombination aus Effektivität und Erfahrung. Bei der Effektivität geht es um die funktionale Seite von Büroräumen. Dazu gehört, dass der Raum für seine Nutzung geeignet ist, zum Beispiel in Bezug auf die Akustik. Bei der Erfahrung hingegen geht es darum, wie sich die Menschen in dem Raum fühlen, es geht also um Emotionen, die weniger greifbar sind als Funktionen, aber wohl mehr Wirkung haben. Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist der Schlüssel für einen effizienteren Arbeitsplatz.

Welche Art von Fragen erhalten Sie von Ihren KundInnen zu diesem Thema?

Lukasz Platkowski: Es gibt viele Fragen zu leerstehenden Räumen und deren Nutzung sowie warum MitarbeiterInnen lieber zu Hause als im Büro arbeiten, obwohl die Räume optisch ansprechend gestaltet sind. Unsere Arbeit basiert auf Forschung und Analyse – mit Hilfe von Daten können wir die jeweils richtige Antwort ermitteln.

Philip Tidd: Wir helfen unseren internationalen KundInnen neue Arbeitsumgebungen zu schaffen, die verstärkt auf den Erlebnisaspekt ausgerichtet sind. In Deutschland denkt man selten an Büros als Orte, die den Menschen ein positives, freudiges Erlebnis bieten sollen. Bei der Inneneinrichtung von Gaststätten, Hotels oder Clubs ist dies jedoch völlig selbstverständlich. Die Büroumgebung hinkt in Bezug auf das Erlebnis hinterher. Nach unseren weltweiten Untersuchungen ist Indien das einzige Land, in dem bei der Gestaltung von Arbeitsräumen das Erlebnis Vorrang vor der Effektivität hat. Hinzu kommt, dass die klassischen Arbeitsformen inzwischen durch den virtuellen Raum erweitert und aufgewertet werden. Interessant ist, dass die Menschen im Durchschnitt etwa 51 Prozent ihrer Zeit im Büro und etwa 20 Prozent von zu Hause aus arbeiten – unabhängig davon, wie das Unternehmen das Verhältnis der physischen Anwesenheit vorschreibt. Auch Geschäftsreisen und Termine außerhalb des Büros zählen als Fernarbeit. Ich denke, das ist ein sehr interessanter Hinweis darauf, dass selbst Unternehmen, die eine Vollzeitpräsenz im Büro anstreben, dies nicht umsetzen können. Gleichzeitig freuen sich MitarbeiterInnen, die den größten Teil ihrer Arbeit aus der Ferne erledigen, ab und an ins Büro zu kommen.

„Unsere Aufgaben als DesignerInnen werden durch die Werkzeuge der KI unterstützt, aber im Grunde bleiben sie dieselben.“

Lukasz Platkowski

Können Sie absehen, wie KI unsere Branche verändern wird?

Lukasz Platkowski: Meiner Meinung nach sind die Entwicklungen in der KI und der Technologie oft miteinander verbunden. Wir wissen nicht genau, wo die Technologie endet und die KI beginnt. Wir müssen unsere neuen Werkzeuge so gut wie möglich nutzen – Computer definieren die Fragen nicht, sie beantworten sie. Neue Technologien beschleunigen Prozesse und schaffen neue – und doch hat sich in der Immobilienbranche und im Bauwesen die Zeit, die für die Entwicklung eines Projekts benötigt wird, in den letzten 50 Jahren nicht verringert. Wir erzielen einfach andere Ergebnisse, der Prozess selbst ist für uns nicht weggefallen. Wir schaffen Räume, die von Menschen erlebt werden, und dafür müssen wir das menschliche Verhalten verstehen. Unsere Aufgaben als DesignerInnen werden durch die Werkzeuge der KI unterstützt, aber im Grunde bleiben sie dieselben.

Im Herbst 2024 findet die Orgatec in Köln statt. Welche Markttrends sehen Sie aktuell, die das Angebot der Leitmesse für moderne Arbeitswelten beeinflussen könnten?

Philip Tidd: In den letzten Jahren hat sich der Fokus auf Büromöbel verlagert, die wohnlich wirken, so dass sie sowohl in die eigene Wohnung passen als auch Parallelen zum Hospitality-Bereich aufweisen. Die Herausforderung besteht darin, unsere Denkweise zu ändern, vor allem in Deutschland, denn heute und besonders in dieser post-pandemischen Ära wird Büroarbeit nicht mehr durch die Zeit definiert, die man am Schreibtisch vor einem Monitor sitzt. Die Arbeit findet heute an den unterschiedlichsten Orten und in verschiedenen Räumen statt, manchmal sogar während anderer Tätigkeiten. Eines der diesjährigen Themen auf der Orgatec – wo wir unsere Forschungsergebnisse der Global Workplace Survey 2024 vorstellen werden – könnte biophiles Design und die Einführung von mehr Natur am Arbeitsplatz sein. Die Menschheit arbeitet seit etwa 250 Jahren in Innenräumen, in Fabriken und Bürogebäuden, aber unser Geist ist seit etwa 500.000 Jahren darauf programmiert, draußen in der Natur zu leben. Wir wissen aus unserer Forschung, dass sich Menschen in einem Raum mit mehr Pflanzen und natürlichen Elementen wohler fühlen.

Lukasz Platkowski: Ein weiterer Trend, den wir erwarten, ist die Nachhaltigkeit. Dazu gehören die Kreislaufwirtschaft und die Entwicklung von langlebigen Produkten. Wir müssen nicht nur sicherstellen, dass die Materialien kohlenstoffneutral hergestellt werden, sondern auch, dass die Kreislaufwirtschaft berücksichtigt wird. Wir unterstützen dieses Ziel, indem wir beispielsweise mit Unternehmen zusammenarbeiten, die unsere eigenen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, die in dem von uns kürzlich veröffentlichten Instrument – den Gensler Products Sustainability Standards (GPS) – beschrieben sind. Durch unsere Arbeit mit KundInnen auf der ganzen Welt gestalten wir jedes Jahr über 1,25 Milliarden Quadratmeter Fläche. Angesichts der riesigen Menge an Produkten, Oberflächen und Möbeln, die wir bei unseren Projekten weltweit verwenden, können wir in unseren Gemeinden, Vierteln und Städten etwas bewirken.

Woran forschen Sie gerade?

Lukasz Platkowski: Wir arbeiten bereits mit unseren weltweit führenden DesignerInnen und SpezialistInnen zusammen, um den Design Forecast 2025 zu erstellen. Unsere gesamte Forschung wird von unserem Gensler Research Institute veröffentlicht, das sich zu einer wertvollen Ressource für die Branche entwickelt hat.

Philip Tidd
Lukasz Platkowski