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Fundstücke: Urhütte & Vogelhaus
von Sandra Hofmeister | 01.07.2008

Keine leichte Entwurfsaufgabe, auch wenn der Rahmen überschaubar bleibt: Typologisch sind Vogelhäuser vielfältig. Symbolträchtig sind sie obendrein, egal ob kleine Kästen oder große Anwesen. Ernstzunehmende Statikkünste und künstlerischer Humor mögen mit ins Spiel kommen, wenn sich Gestalter Gedanken über Häuser für Vögel machen. Der Münchner Designvermittler Tobias Glaser hat 25 Architekten, Designer und Künstler zu diesem Wagnis eingeladen. Insgesamt 40 ihrer Vorschläge für Vogelhäuser sind nun in der Galerie für Angewandte Kunst in München ausgestellt.

Vogeldisco und Schwarzwaldvilla

Tiefe Einblicke tun sich in den Galerieräumen auf: Als Architektur in kleinem Maßstab stehen Vogelhäuser in der Tradition von Einfamilienhäusern. Sie machen eine ästhetische Haltung sichtbar und berücksichtigen Aspekte der Funktionalität, des Materials oder der Ökologie. In kleinen Serien produziert sind die Brutstätten und Schutzdächer auch Industriedesign. Manche Vorschläge in der Ausstellung wiederum passen in keine der beiden Kategorien, weil sie sich als Kunstobjekte dem Thema verweigern. Taubenvergrämungsdraht, zu den Konturen eines Satteldachhauses geformt, ergibt das unbewohnte Vogelhaus Münchner Designers Herwig Huber. Ungebetene Gäste oder gar Hausbesetzer werden standhaft abwehrt. In den Galerieräumen des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins sind blob-artige Futterstellen, Fertighäuser zum Selbstzusammenbauen und zufällige Fundstücke zu sehen, die aus ihrem Kontext gelöst und an einen Ast gehängt überraschende Häuser abgeben. Sogar eine Vogeldisco gibt es – schließlich war die Entwurfsaufgabe frei formuliert und schon der Zweck der Unterkunft – Schlafen, Essen oder Singen – konnte unterschiedlich ausfallen. Vogelhäuser sind Metaphern, egal ob aus Porzellan oder Rapid Prototyping gefertigt, aus Kunststoff oder Holz. Sie stehen für die Urhütte, jenes viel beschworene Konstrukt, das in den Architekturtraktaten seit der Antike aufgegriffen wird und noch lange nicht ausdiskutiert ist. Allein aus historischer Sicht gibt es viele Abstufungen, auch für Vogelhäuser: modernistische Betonkiste oder rustikale Schwarzwaldvilla? Wäre diese Frage für das deutsche Eigenheim geklärt, dann wären auch Vogelhäuser einheitlich gestaltet. Und natürlich viel weniger symbolisch.

Bis zum 19. Juli ist die Ausstellung „Vogels Haus“ noch in der Galerie für Angewandte Kunst in München zu sehen (Pacellistraße 6-8, Montag bis Samstag, 19 bis 18 Uhr)

www.kunsthandwerk-bkv.de

Jan Ott und Markus Schmid von Triebwerk Design
karhard architektur + design aus Berlin