Was für eine Urvorstellung von einem Sessel! Sanfte Kurven, Wölbungen und Wellen, die an Mutters Schoß erinnern, den Körper umschließen und auffangen - mit mütterlicher Fürsorge. Vielleicht ist das Sitzen weiblich und die Urform dieser Körperhaltung an Assoziationen des Weiblichen geknüpft. Eine archaische Vorstellung, der Gaetano Pesce mit seiner „UP"-Serie ein pathetisches Denkmal gesetzt hat. Seine Pop-Art Hommage an die Urmutter feiert nun ihr vierzigjähriges Jubiläum. B&B Italia lässt die Sixties-Ikone romantischer Männerträume heute wieder fertigen - mit Polyurethanschaum und Stretch-Textilien.
Eine kugelrunde Fußstütze ergänzt den weiblichen Torso und ist mit einer Schnur an ihn gebunden. „Natürlich die Nabelschnur!", möchte man gleich denken und dringt über derart pränatale Fantasien tief in die Psychologie des Designers vor. Doch die Psychologie hat ihre Tücken, genau wie Design als expressives Medium, das losgelöst von „form follows function" eigene Wege der Kommunikation mit seinen Nutzern geht. „Ich wollte meine persönliche Auffassung von Frauen erzählen", beschreibt Gaetano Pesce den Entwurfsgedanken. „Ihrem Willen zum Trotz sind Frauen immer Gefangene ihres eigenen Bildes. Meine Idee war, diesem Sessel eine feminine Form zu geben. Ball und die Kette gehören zum traditionellen Bild eines Gefangenen." War Gateano Pesce also eine Art Vorreiter der Frauenbewegung, deren Kritik an der Gesellschaft er sogar in industrielle Prozesse umzusetzen vermochte? Auf jeden Fall versucht sich „Up" in einer neuen Sprache - wider die funktionalistische und rationalistische Ideologie. Futuristisch wolle der Sessel sein, präsentierte sich mit kraftvollem Geltungsdrang, gesellschaftskritisch und gleichzeitig konsumierbar für den Weltmarkt, so lautete damals die Devise. Heute mögen solche Ansätze der Pop-Art vielleicht historisch wirken. Doch Mutters Schoß gehört noch nicht zur Geschichte, sondern ist immer noch lebendig: Zum Jubiläum erscheint die UP-Serie sogar in einer Silber-Version!