Ach, die alten Werte! Sie haben heutzutage Konjunktur, nicht nur bei Autoherstellern und nicht nur in Deutschland, sondern generell. Besinnen wir uns also auch zurück auf die Wertigkeit von Dingen, wie es derzeit alle tun, im Rahmen des allgegenwärtigen Wertekonjunkturprogramms. Dann kommen wir schnell zum Selbstgemachten, mit eigenen Händen und viel Mühe Erarbeiteten, zum Umwelt- und Ressourcenschonenden. Da weiß man, was man hat und was man besitzt. In der Autobranche und in der Architektur - plötzlich sind diese Bereiche durchaus artverwandt! - sind die alten Werte derzeit so grün, als ob es noch nie ökologische Probleme gegeben hätte. Und in der Möbelbranche?
Marek Gut weiß schon lange, wo dort die alten Werte liegen. Der junge Designer aus Linz hat sie bei bürgerlichen Möbelstücken entdeckt. „Wir wollten alte Traditionen wieder aufnehmen, weil sie genutzt werden", meint der in Krakau geborene Gestalter. Seit Jahrhunderten erprobt und fest im Leben der Nutzer und Besitzer verankert. Warum sollen wir uns denn gegen unsere eigenen Gewohnheiten wehren, tradierte Alltagsrituale abschaffen und alt Bewährtes aussortieren, wenn es doch so praktisch ist? Besinnen wir uns also zurück auf das bürgerliche Möbelstück, denn es ist gar nicht so schlecht: die Eckbank zum Beispiel, in südlichen Gefilden oft im Herrgottswinkel platziert, oder die Kommode. Als Trendsetter galten diese Möbel in den letzten Jahren sicher nicht, wurden durch allerhand „high boards" und „benches" ersetzt. Marek Gut und sein Team hingegen haben sich der Herausforderung gestellt, mit den Parametern des wahrhaftigen und bürgerlichen Lebens zu entwerfen. Seine „Commode" ist ein Beispiel dafür. Und was für eines!
Mix and Match - seit Jahrhunderten bewährt
Typologisch ein Schrankmöbel, mit Schubladen ausgestattet, früher einmal irgendwo zwischen der Truhe und dem Kabinettschrank angesiedelt. Schon der Begriff beschreibt das Zweckmäßige, Kommode und Bequeme. Der Entwurf habe sich aus dem Spaß am Mix and Match ergeben, erläutert der Designer. Mix and Match seit Jahrhunderten - seit dem 18. Jahrhundert, um genau zu sein, denn so lange gibt es die Kommode als Möbelstück schon. Ein Klassiker, der persönliche und intime Gegenstände aufnimmt, individuelle Schätze, Geheimnisse. Und Marek Guts Commode?
Sie ist anders und doch traditionell. Ein kantiger Kasten, Nussholz furniert, auf ein filigranes Metallgestell gehoben. Sie landet wie ein kubistisches Ufo im modernen Wohnzimmer, falls es das überhaupt noch gibt, bringt alte Traditionen dorthin zurück, neu interpretiert. „Reloaded" hätte man vielleicht noch vor ein paar Jahren gesagt. „Commode" - mit „C" geschrieben - heißt das heute. Ihr Innenleben ist sonderbar seltsam und dennoch vorteilhaft bequem. Da können Schubladen aufgezogen, Nischen aufgeklappt und ganze Teile zur Seite verschoben werden. Marek Guts Commode hat nicht nur ein Geheimfach, sondern viele. Sie kostet die Geheimfachidee genüsslich aus, in versteckten Nischen und verborgenen Fächern an ungeahnten Stellen. Ein Geheimfach-Ufo sozusagen, eine Schatztruhe auf Stelzen, und doch eine bürgerliche Commode. Die leuchtend gelb-goldene Lackierung ihres Innenlebens kommt den verborgenen Schätzen zu Hilfe, unterstreicht deren Wertigkeit noch auf und schafft einen glänzenden Raum für Briefe, Akten und Aktien oder Schmuckstücke. Von Außen freilich, in zugeklapptem Zustand, bleibt das Innenleben unsichtbar. Auch das gehört zum Geheimnis. Und wenn nicht eine goldgelbe Kante das vornehme Nussholzfurnier durchschneiden würde, dann würde der Zweck des Ufos für ahnungslose Betrachter wahrscheinlich ganz im Verborgenen bleiben. „Bürgerliche Möbel sind etwas Schönes", meint Marek Gut. Seine Commode ist es auch. In klassischem, bürgerlichem Sinne.
„Schuster, bleib bei deinen Leisten" sagte sich Marek Gut und beschloss, kein Marketing-Mann zu sein, sondern Designer. Den Vertrieb seiner Commode hat er deshalb der alt bewährten Tischlerei anvertraut, in der das Möbelstück gefertigt wird: