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Andrea Trimarchi (links) und Simone Farresin

PREVIEW – SALONE DEL MOBILE & MILAN DESIGN WEEK 2023
Veränderung gestalten

Vom 18. bis zum 23. April 2023 wird der Salone del Mobile.Milano auf dem Messegelände Fiera Milano Rho stattfinden und die Lichtbiennale Euroluce umfassen. Für diese haben Simone Farresin und Andrea Trimarchi, die Gründer des forschungsbasierten Designstudio Formafantasma, modulare Ausstellungsdesigns entworfen. Das Konzept erklärt uns Andrea Trimarchi im Interview.
11.04.2023

Anna Moldenhauer: Andrea, was ist der Kontext eures Ausstellungsdesign für die Euroluce 2023?

Andrea Trimarchi: Die Euroluce wurde dieses Jahr neu konzipiert. Das neue Layout auf dem Messegelände ermöglicht die Schaffung von Plätzen und Gassen und das Team des Salone del Mobile.Milano hat sich die Frage gestellt, welche Art von Inhalten sie in diesen Bereichen anbieten wollen. Die Idee ist eine Erfahrung zu bieten, die nicht nur durch die AusstellerInnen, sondern auch durch die Messe selbst geprägt wird. Das Team von Lombardini22 war für die Neudefinition der Ausstellungsfläche und ihrer Abläufe zuständig, während wir mit der Kreation der großen Arena und der "Cameos", kleinerer Ausstellungen auf dem Messegelände, beauftragt wurden. Die kulturellen Inhalte, mit denen diese bespielt werden, hat der Kurator Beppe Finessi ausgewählt.

Das Experimentieren mit Gestaltung und das Erforschen ungewöhnlicher Materialien ist Teil eurer Arbeit – welche Materialien habt ihr für die öffentlichen Räume, Plätze und Ausstellungen auf der Euroluce gewählt?

Andrea Trimarchi: Wir haben vorzugsweise mit recycelten und recycelbaren Materialien wie Holz und Metall gearbeitet sowie modulare Strukturen geschaffen, die nach dem Euroluce demontiert und wiederverwendet werden können. Bei jedem Schritt haben wir überlegt, welchen Sinn die Wahl des Materials für die Installation als Ganzes hat. Neben der Modularität der Struktur ist für uns jeweils ausschlaggebend, welche Wirkung die Materialien auf die BesucherInnen haben. Für die Arena "Aurore" verwenden wir Textilien wie Samt und Teppiche, um den Bildschirmen einen Kontrast zu bieten, die über den Köpfen der BesucherInnen von der Decke abgependelt werden. Ebenso können wir so eine geschützte, fast wohnliche Umgebung bieten.

"Aurore" von Formafantasma: Arena im Pavillon 13

Du hast es gerade erwähnt – im Zentrum der Messe, in Halle 13, befindet sich die Arena "Aurore", die ihr gestaltet habt. Was war eure Idee hierfür?

Andrea Trimarchi: "Aurore" ist eine Form der Arena, in der die von Annalisa Rosso kuratierte Talks zu den Schwerpunkten Beleuchtung, Technologie und Nachhaltigkeit stattfinden werden. Der Salone del Mobile.Milano wünschte sich einen zentralen Ort, der nach Ende der Talks nicht leer steht. Daher haben wir Sitzgelegenheiten geschaffen, die von sieben von der Decke schwebenden, großformatigen LED-Kränzen gekrönt werden. Wir wollten den Eindruck erwecken, als würde man in den Himmel blicken. Unser Ziel war einen funktionalen Raum für die Präsentationen zu bieten und gleichzeitig anzuregen über die Möglichkeiten und die Verantwortung bei der Gestaltung des Lichts nachzudenken. In diesem Zuge haben wir mit dem Philosophen Emanuele Coccia zusammengearbeitet, mit dem wir bereits zuvor für eine Ausstellung in den Serpentine Galleries kooperiert haben: Im Ergebnis zeigen wir auf abstrakte Weise die Verwandlung des Lichts von einem natürlichen Phänomen in eine von Menschen gesteuerte Technik. Wir haben das Licht hierfür unabhängig von einem Produkt betrachtet und uns beispielsweise damit befasst, wie Licht beim Anbau von Pflanzen genutzt wird. Oder wie Design und Technik eingesetzt werden können, um einen Beitrag zum Wirtschaftswachstum zu leisten. Teil dessen ist auch ein Blick auf das Phoebuskartell, das 1925 von international führenden Glühlampenherstellern gegründet wurde. Eines ihrer Übereinkünfte war die Standardisierung der Lebensdauer von Glühlampen auf 1000 Stunden. Im Grunde war es das erste Mal, dass die begrenzte Haltbarkeit eines Produkts vorab festgelegt wurde. "Aurore" ist so ein funktionaler Ort und ebenso eine Installation mit einer kritischen Perspektive. Wir thematisieren, wie Design ein Ausdruck von Gerechtigkeit und sozialer, kultureller Entwicklung sein kann, aber auch, wie die Technik zum Werkzeug für das Wirtschaftswachstum wird. Die Rolle von Objekten in unserer Gesellschaft wird anschaulich vermittelt.

Ebenso habt ihr die vom Buchverlag Corraini kuratierte Bibliothek gestaltet, was war hier die Idee?

Andrea Trimarchi: Wir wollten einen Raum gestalten, der sich in seiner Funktion und Wirkung positiv abhebt, daher haben wir Sitzelemente eingebaut, damit die BesucherInnen nicht nur die Bücher kaufen, sondern diese in Ruhe anschauen können. Die Fläche ähnelt so eher einer öffentlichen Bibliothek als einer klassischen Buchhandlung.

Buchhandlung Corraini von Formafantasma

Parallel zu euren Installationen und Ausstellungsstrukturen für den Salone del Mobile.Milano zeigt ihr in Kooperation mit zahlreichen Unternehmen viele weitere Werke – etwa für CC-Tapis, Tacchini oder Prada Frames. Kannst du uns hier einen Einblick geben?

Andrea Trimarchi: In Zusammenarbeit mit CC-tapis haben wir die Teppichkollektion "Telegram" entworfen. Die HandwerkInnen treten mit den DesignerInnen über das Produkt in einen Dialog, da sie in der Entstehung von "Telegram" zum Design der Teppiche beitragen konnten. Wir haben ihnen hierzu einige Fragen gestellt, dessen Antworten sie in die Teppiche eingewebt haben. In Kooperation mit Prada Frames bieten wir zudem ein multidisziplinäres Symposium, das sich mit der komplexen Beziehung zwischen der natürlichen Umwelt und dem Design befasst. In die Gespräche über dessen Nachhaltigkeit und Ökologie werden auch Stimmen einbezogen, die nicht Teil der Designdisziplin sind, wie AnthropologInnen, PhilosophInnen oder WissenschaftlerInnen. Komplexe Fragestellungen werden im Dialog zwischen den Disziplinen diskutiert. Gemeinsam mit Tacchini Flock zeigen wir darber hinaus ein neues, nachhaltiges Produktionssystem mit Wolle aus der Brianza, bei dem die Kreislauffähigkeit der Materialien im Vordergrund steht. Den Ansatz ein bestehendes System zu optimieren verfolgen wir parallel auch mit Artek, in dieser Kooperation ist die Produktion mit Holz zentral.

"Costellazioni" von Formafantasma: Sieben Ausstellungsintermezzos", in denen Werke und Inhalte gezeigt werden, die dem Thema Licht gewidmet sind.

Was sind eure Projekte nach der Euroluce?

Andrea Trimarchi: Wir zeigen vom 26. Mai bis zum 1. Oktober 2023 eine Einzelausstellung im Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design in Oslo mit dem Titel "Oltre Terra". Eine Designausstellung, die die Entwicklung der Gewinnung, der Produktion und des Vertriebs von Wollprodukten im Zusammenhang mit der biologischen Evolution der Schafe untersucht. Ebenso wird die Neugestaltung der Art und Weise thematisiert, wie Materialien, Objekte und Technologien im Ausstellungswesen präsentiert werden. Wir arbeiten für die italienische Kunstgalerie Menini an einer aktuellen Sammlung, die im Museum Centro Pecci Prato in der Toskana ausgestellt werden soll. Gemeinsam mit Flos feilen wir an einem Produkt, das nächstes Jahr auf den Markt kommen wird. Und wir realisieren derzeit ein kuratorisches Projekt für ein Museum, das in einigen Jahren in den Niederlanden eröffnet wird. Dazu kommen viele andere Projekte, Inneneinrichtungen und Kooperationen mit Marken.

Formafantasma @ Salone del Mobile & Milan Design Week 2023

The City of Lights – Euroluce, Salone del Mobile.Milano
Pav 9 – 11 und 13 – 15
Fiera Milano, Rho
18 – 23 April: 9:30 Uhr bis 6:30 Uhr

"Telegram" für CC Tapis
CC-tapis showroom
Piazza Santo Stefano 10, 20122 Mailand
18-22 April: 10 Uhr bis 20 Uhr
23 April: 10 Uhr bis 17 Uhr

Flock, Tacchini
Spazio Maiocchi
Via Achille Maiocchi 7, 20129 Mailand
17 April: 18 Uhr bis 22 Uhr
18 bis 23 April: 11 Uhr bis 19 Uhr

Prada Frames
Thema: Materials in Flux
Symposium kuratiert von Formafantasma
17. April bis 19. April 2023
Teatro dei Filodrammatici
Piazza Paolo Ferrari, 6, 20121 Mailand
Limitierte Plätze, Vorabregistrierung: Hier klicken.

Formafantasma studio visit for Euroluce 2023