Es sind noch wenige Wochen bis der Flughafen Berlin Brandenburg am 3. Juni öffnet. Der Countdown läuft, überall wird gebaut, der Probebetrieb mit Komparsen läuft bereits. Auch Heike Nehl und Sibylle Schlaich von Moniteurs sind regelmäßig auf der Baustelle anzutreffen. Sie vergewissern sich, dass das Leitsystem, für das ihr Büro für Corporate- und Informationsdesign verantwortlich zeichnet, entsprechend den Vorstellungen angebracht wird. Vor Ort diskutieren sie, was noch optimiert werden kann. Hier muss ein Schild in der Position verändert, dort ein Piktogramm angepasst werden. Und auch ein Server mit einer Datenbank, die alle Angaben zu den Schildern enthält, will eingerichtet sein – aktuell befinden sich darin rund 2.900 Datensätze.
Identität und Funktion
„Das Leitsystem für den Flughafen Berlin Brandenburg vereinigt Identität und Funktion", erklärt Sibylle Schlaich. Angelehnt an das Konzept der Architekten Gerkan, Marg und Partner bezieht sich das Leitsystem auf die Brandenburgischen Nadelwälder und die Berliner Bautraditionen, etwa das Alte Museum von Karl Friedrich Schinkel und die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe, und referenziert diese grafisch durch horizontal gesetzte Linien. Das Rot, Landesfarbe von Berlin und Brandenburg, das zur besseren Lesbarkeit abgedunkelt wurde und in Kombination mit Weiß und Anthrazit in mehreren Tonwerten erscheint, stand laut Moniteurs bereits in der Konzeptphase fest. Die Schilder gibt es in der Form modularer Elemente, sowohl eingebaut, frei stehend oder auf Wänden und Glasscheiben angebracht. Die Designerinnen von Moniteurs konnten ihre Vorstellungen in viele Bereiche des Flughafens einbringen, von den Verkehrszeichen der Zufahrtsstraßen bis zum Leitsystem für die Parkhäuser.
Jedes Gestaltungselement wurde bis ins kleinste Detail definiert, etwa die rote Farbe, die im Flughafen der Beschilderung vorbehalten ist. Neben Holzverkleidungen, Steinfußboden und weißen Wänden entfaltet sie ihre Wirkung als Akzentfarbe. Wichtig war Moniteurs, dass der dunkelrote Ton möglichst wertig erscheint. Vor allem bei hinterleuchteten Displays stellte dieser Anspruch eine Herausforderung dar, wirken Folien für den Schilderbau doch meist grell. Nach zahlreichen Testdrucken erwies sich eine Technik mit mehrfacher Hinterdruckung der Folie als optimal. Das Rot glimmt so nur leicht, wirkt ruhig. Dahingegen leuchtet die weiße Beschriftung besonders hell, gewinnt an Sichtbarkeit.
Am Anfang stand ein Buch
Im Gespräch mit Heike Nehl und Sibylle Schlaich wird schnell klar, welche umfassende Recherche sie für das Projekt betrieben haben. Dazu passt die Geschichte, dass am Anfang ein Buch stand. Als gmp Architekten sich für die Planung und Realisierung des Flughafens Berlin Brandenburg bewarben, beauftragen sie 2004 Moniteurs damit, eine Präsentation in Buchform, das sogenannte Handbuch zur planerischen Umsetzung, auszuarbeiten. Auf dieser Grundlage entstand die sich inzwischen über Jahre erstreckende Zusammenarbeit für das Leitsystem.
gmp Architekten entwickelten ein Gestaltungshandbuch für das gesamte Flughafenumfeld. Jedes Thema, das gestalterisch eine Rolle spielt, wird darin behandelt, sei es das städtebauliche Konzept, die Landschaftsarchitektur oder das Leitsystem. Alle Beteiligten bekamen es fortan als Planungsgrundlage ausgehändigt, vom Bauingenieur über den Straßenbauer bis zum Möbelhersteller. Darin zu sehen ist beispielsweise ein quadratisches Raster, das alle Formate prägt. Moniteurs betonen, welchen starken Einfluss, das Gestaltungshandbuch für das gesamte Projekt hat. So musste von fünf Leitsystemen als erstes das Verkehrsleitsystem in die Planung gehen, mit den anderen wurde erst später begonnen, heute ergibt sich jedoch ein einheitliches Gesamtbild.
Während der gesamten Entwicklungs- und Planungsphase wurden Flughäfen besichtigt, Bücher gewälzt, Filme angesehen, befreundete Vielflieger mailten Fotos. Daraus gewannen Moniteurs eine Vielzahl an Erkenntnissen, was die Entwicklung von Leitsystemen angeht. In den sechziger und siebziger Jahren wurden einige Flughäfen mit gesamtheitlichem Gestaltungsanspruch gebaut, sie hatten jeweils ein eigenständiges Erscheinungsbild, vom Gebäude bis zur Schrift gab es ein übergreifendes Konzept. Gestalter verschiedener Disziplinen arbeiteten Hand in Hand, es herrschte ein Bewusstsein für Qualität und Details, man denke an die Flughäfen Heathrow, Charles de Gaulle und Schiphol. Doch im Zuge der steigenden Passagierzahlen gingen viele Flughäfen dazu über, die Leitsysteme zu vereinheitlichen. Ganz gleich an welchem Ort man landete, jeder sollte sich sofort überall zurechtfinden. Beispielsweise der Einsatz von standardisierten Piktogrammfamilien sollte diesen Trend unterstützen. In den letzten Jahren hat sich die Sicht wieder geändert, das Wort Identität wird nun groß geschrieben. Da der Flughafen Berlin Brandenburg im Ganzen neu erbaut wurde, bot sich die seltene Chance, eine starke visuelle Identität und ein eigenständiges Leitsystem zu entwickeln. Zum Gelingen dieses Ansatzes hat sicher die frühzeitige Zusammenarbeit von gmp Architekten, JSK Architekten und Moniteurs beigetragen.
Strömungslinien in Pier Nord
„Leitsysteme haben etwas Minimales. Manchmal ist es schwer zu erklären, dass wir seit Jahren daran arbeiten", erläutert Heike Nehl. Jedes Schild enthält spezifische Informationen für bestimmte Orte. Durch die Bewegung im Gebäude ergibt sich für den Betrachter eine zeitliche Reihenfolge, eine logische Informationskette für jeden ganz individuellen Weg. Moniteurs streben eine hohe Systematik an. Jeder neue Zielpunkt, jeder neue Weg zieht in der Planung einiges nach sich, weil davon unter Umständen viele Schildpositionen betroffen sind. Im Raum platziert enthält jedes Schild viele Informationen, die sich wiederum auf verschiedene Orte beziehen müssen.
Die Ergebnisse werden dieser Tage sichtbar, einige Teile des Flughafens sind fast fertig gebaut und für den Betrieb eingerichtet. Sie lassen erahnen, wie die Anlage später aussehen wird. Da wäre zum Beispiel die Pier Nord, ein Bereich, den Moniteurs besonders mögen. Dort befinden sich der Abflugbereiche, die Gates B30 bis B45. Der Weg dorthin führt entlang eines, dank großer Fensterflächen, lichtdurchfluteten Ganges. Es bedarf keiner beleuchteten Displays, die Beschriftungen sind direkt auf Wände und Scheiben angebracht. Als Durchlaufschutz sind auf großen Glaswänden Strömungslinien, die Flugzeugen durch den entstehenden Auftrieb das Fliegen ermöglichen, aufgebracht. Sichtbar, dezent – und bis ins Detail ausgearbeitet.