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Fast alles, was neu ist!
von Daniel von Bernstorff | 04.05.2010

Die Mailänder Möbelmesse 2010 ist Geschichte - die Aschewolke auch. Was bleibt, ist wie immer eine fast unüberschaubare Menge an Neuheiten. Zum Abschluss der Mailand-Berichterstattung werfen wir einen ganz profanen Blick auf die Produkte, die uns in diesem Jahr besonders überzeugt haben. Wie immer ist uns bewusst, dass wir keinen vollständigen Überblick bieten, aber ein bisschen Subjektivität darf - ja muss - schon sein.

Der Einfachheit halber wollen wir alphabetisch vorgehen und da beschert uns der Buchstabe A einen schönen Auftakt. Unter dem neuen Label Agapecasa hat der High-End Badhersteller Agape eine Reedition von wunderbaren Möbelentwürfen des Altmeisters Angelo Mangiarotti herausgebracht, darunter der Stuhl „Tre3", der die traditionellen Materialien Holz und Leder elegant verbindet.

Wenige italienische Firmen beherrschen die Kastenmöbel-Baukunst so wie Acerbis. Das Regalsystem „Newind" von Lodovio Acerbis unterstreicht diese Kompetenz. Ein weiteres spannendes Regalsystem präsentierte die Firma Albed mit „Vista Girevole", das sich zudem als eleganter Raumteiler einsetzen lässt. Die traditionelle Designschmiede Alias, die sich jüngst aus der Poltrona Frau Gruppe losgesagt hat, führt die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Alfredo Häberli fort, der Stuhl „Selinunte" sei hier als gutes Beispiel genannt. Schlicht und unprätentiös kommt der Stuhl „Team" von Arper daher. Er ist vor allem für Räumer gedacht, die häufig und schnell umgestaltet werden müssen. Designer von Team sind Lievore/Altherr/Molina, die in Mailand auch das Stuhlprogramm „Woody" bei Andreu World zeigten. Ein großes Highlight war sicher die Liege „Nonaro" aus der Feder des Altmeisters Luigi Caccia Dominioni - ja, es gibt ihn immer noch -, dessen Erbe unermüdlich von Azucena reediert und gepflegt wird.

Bei B&B Italia - wie immer nicht auf der Messe sondern im noblen Showroom in der Via Durini - beeindruckte der Kindersessel „Piccolo Papilio" von Naoto Fukasawa. Der Japaner ist in diesem Jahr omnipräsent und er tut mit seiner unabhängigen und zeitlosen Formsprache jeder Kollektion gut.

Bei Bd Barcelona erweiterte Konstantin Grcic mit dem „B Chair" seine B-Kollektion. Der klassisch anmutende Holzstuhl wird durch eine Aluminiumstruktur zusammengehalten. Schon jetzt ein Klassiker!

Bei Boffi in der Via Solferino ragte neben dem Schranksystem „Solferino" von Decoma Design und Piero Lissoni, das sich endlos aneinanderreihen lässt, auch die neue Armaturenkollektion „Aboutwater" heraus, die Piero Lissoni und wiederum Naoto Fukasawa gestaltet haben. Für Aboutwater haben Boffi und Fantini ihre Kompetenzen gebündelt. Bei Cappellini gefielen die Arbeiten von Yael Mer und Shay Alkalay (Designstudio Raw Edges), die in einer aus der Kleidungsindustrie entliehenen Technik des „Tailored wood" entstanden.

Gaetano Pesce war der Star bei Cassina mit seiner Sofakreation „Notturno" und seiner Tischserie „Sessantuna", die an die Unabhängigkeit Italiens im Jahr 1861 erinnert, die sich 2011 zum 150sten Mal jährt. Ebenfalls neu bei Cassina war das komplexe Sofasystem „Aire" von Piero Lissoni, das sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat: 80% des Sofas können recycelt werden und im Vergleich zu herkömmlichen Sofasystemen werden nur 65% des Polyurethan-Schaumstoffs benötigt.

In seinem herrlichen Showroom samt großer Außenfläche in der Via Savona präsentierte Dedon stolz die neue Zusammenarbeit mit Philippe Starck. Zum Launch der „Play"-Serie kam der Meiser persönlich - und blieb bis lange in der Nacht, wie gut informierte Kreise berichteten. Etwas leiser ging es bei Desalto zu. Die Stuhlexperten aus der Brianza lieferten mit „Sand light" von Dondoli & Pocci, einem Aluminium-Stuhl mit Sitz- und Rückenfläche aus PVC-freiem Polyester-Gewebe, eine elegante und komfortable Sitzlösung.

Im Superstudio in der Via Tortona überraschte Diesel Successful Living, eine Zusammenarbeit des Modelabels Diesel mit Foscarini, mit einer Reihe frischer Leuchtenentwürfe. Bei Driade überzeugt uns vor allem die Outdoor-Kollektion „Plie" von Roberto und Ludovica Palomba.

Zum Stuhl „Houdini" von Stefan Diez gesellten sich in diesem Jahr bei e15 Sofa, Chaiselongue und Hocker. Es ist bewundernswert, wie es Diez trotz vieler Projekte gelingt, sich nicht zu verzetteln und immer wieder allerhöchste Qualität abzuliefern.

Und was macht Established&Sons? Die Londoner sind - fast schon traditionell - in der Pelota Halle in der Via Palermo zu Gast und präsentieren eine Vielzahl von Neuheiten, darunter der Tisch „Bend" von Sebastian Wrong, der komplett aus Keramik besteht, die Leuchte „Lighthouse" der Bouroullec - Brüder und die Aufbewahrungsboxen von Scholten & Baijings, auf die ökologische Motive und vom Aussterben bedrohte Tiere aufgedruckt sind.

Foscarini, zeitgleich auch in Frankfurt während der Light+Building im Einrichtungshaus Frick präsent, überzeugte mit einer stimmungsvollen Inszenierung im Superstudio und mit neuen Produkten, darunter die Hängelampe „Troag" von Luca Nichetto.

Im Zentrum der Präsentation bei Fritz Hansen stand der neue Stuhl „NAP" von Kasper Salto. Ein einziges Produkt in den Mittelpunkt zu stellen und dieses wirkungsvoll und umfangreich zu inszenieren - das funktionierte bei den Dänen sehr gut.

Weniger durch Neuheiten als durch die besonders gelungene Standgestaltung wusste Gaggenau zu überzeugen. Seit Jahren sind die Auftritte des deutschen Unternehmens stilbildend - gerne erinnern wir uns in diesem Zusammenhang auch an den Gaggenau Stand bei The Design Annual 2008 in Frankfurt.

Richard Lampert beeindruckte auch in diesem Jahr wieder mit einer guten Mischung aus Re-Editionen und Weiterentwicklung von Klassikern und neuen Produkten wie das modulare Schranksystem „Wall" von Alexander Seifried.

Hingucker bei Lapalma war die Hockerskulptur „AP" von Shin Azumi aus einem einzigen Stück Sperrholz. Magis, dessen Auftritt auch in diesem Jahr wieder zu den besten zählte, präsentierte eine Reihe von Neuheiten, der „Mesh Chair" von Tom Dixon, dessen Entwicklung viele Jahre dauerte und der aus einer Holz - oder Aluminiumstruktur und einer Sitzstruktur aus Drahtgewebe besteht, war einer von vielen Höhepunkten.

Nicht unerwähnt bleiben sollen hier auch der Stuhl „Flow" von Jean Marie Massaud für MDF, der Schrank „Net Box" aus Streckgitter von Patricia Urquiola für Molteni und der „Memory Chair" von Tokuyin Yoshioka" für Moroso.

Nils Holger Moormann hatte vor der Messe mit einer „Ausladung" Furore gemacht, da sein Stand ohnehin zu klein sei, um Besucher aufzunehmen. Wer sich dem widersetzte, wurde belohnt, nicht zuletzt durch den Schrank „K1" von neuland Industriedesign, dessen markante waagerechte Schlitze Gestaltungs- und Funktionselement zugleich sind.

Ansprechend auch die Präsentationen von molo Design, die ihren Skulpturen aus Papier die Leuchtenkollektion „cloud softlight" hinzufügten und von Pastoe, auf dessen fruchtbare Begegnung mit Vincent van Duysen wir schon vor der Messe hingewiesen haben. Höhepunkt der Ausstellung: Die Regalskulptur „Totem". Plank widmete sich der Vervollständigung der „Monza"- Serie von Konstantin Grcic, die nun auch Stuhl und Tisch umfasst.

Die mit Spannung erwartete neue Küche +Artesio von Poggenpohl konnte die Erwartungen in punkto Ästhetik, Eleganz und Designqualität voll einlösen. Bei Poltrona Frau gefiel das Sofa „Bebop" der Altmeisterin des italienischen Designs Cini Boeri ebenso wie das Outdoor - Sitzsystem „Pillow" von Stefano Giovannoni bei Vondom. Quinze & Milan wartete mit dem typisch frischen Auftritt auf, besonders bemerkenswert dabei der Stuhl „Topart" der Designergruppe Kibisi.

Mit „Dessus" präsentierte Ruckstuhl eine neue Teppichserie, bei der die Baumwollbänder, die normalerweise die Umrahmung der Teppiche bilden, nun selbst zum eigentlichen Teppich werden - eine äußerst reizvolle Idee. Ansprechend auch die von Arik Levy für Viccarbe entworfenen Akustikpaneele „Layer", die sich zu veritablen Wandskulpturen zusammenfügen lassen.

Eine der positiven Überraschungen bot Tacchini mit einer Reihe spannender Neuheiten unter anderem von Luca Nichetto, dem zurzeit wohl besten italienischen Jungdesigner, der auf dem diesjährigen Salone seinen endgültigen Durchbruch feierte.

Viel Spannendes auch bei Thonet - nicht zuletzt die gelungene Standgestaltung von James Irvine. Herausheben wollen wir an dieser Stelle das Tischsystem „1010" von Marc Venot.

Mit dem Sofa „T-Ray" hat Hadi Teherani für Walter Knoll einen zeitlosen Klassiker geschaffen, ebensolches darf man für den vielgelobten Stuhl „Wogg 50" von Jörg Boner für Wogg behaupten, der sicherlich eines der herausragenden Produkte dieser Messe war.

Auch bei Vitra gab es zahlreiche Neuigkeiten: Das Sofa „Suita" von Antonio Citterio, den „Lounge Chair" in größerer Dimension sowie den „Plastic Chair", der nun wieder in Vollpolsterung eingeführt wurde. Mit „Chairless" von Alejandro Aravena und „Flower" von SANAA hat Vitra die Kooperation im Produktbereich mit zwei neuen Designern begonnen.

Zum Schluss seien noch das Sofa „1330 William" von Damian Williamson für Zanotta, das Bett „Mellow" von Formstelle für Zeitraum und das Containermöbel „X2 Korpus" von Dante Bonuccelli für Zoom by Mobimex erwähnt.

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