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Ester Bruzkus

Königin der Kontraste

In unserer Serie "Blickpunkt: Architektinnen" stellen wir Ihnen in regelmäßiger Folge das Werk von Architektinnen vor – wie die Interiorprojekte von Ester Bruzkus. Die Inspiration für ihren opulenten Minimalismus sammelt sie auf Architekturreisen. Zugleich fühlt sie sich tief mit ihrer Heimatstadt verbunden.
von Judith Jenner | 14.06.2024

Am liebsten würde man sich im Penthouse von Ester Bruzkus direkt hineinfallen lassen in das pinke Samtsofa mit den verspielten Fransen. Die Privatwohnung der Architektin über den Dächern Berlins mit zahlreichen Farb- und Materialkontrasten bringt ihren Stil auf den Punkt: minimalistisch und gleichzeitig opulent. Es sind genau diese Wohnlichkeit, die optischen und haptischen Überraschungen, für die Café- und Hotelbetriebe, Unternehmen oder Banken Ester Bruzkus buchen. Gerade erst stellte die in Haifa geborene Berlinerin, die ihr Büro zusammen mit Ehemann und Büropartner Peter Greenberg führt, in einer denkmalgeschützten Posthalle einen Loungebereich für die PSD Bank fertig. Bei der Ausstattung zeigten die ArchitektInnen Lokalbewusstsein und setzten auf Stühle von Löhr, Teppiche von Nomad Carpets und Reuber Henning sowie Möbel von Objekte unserer Tage, New Tendency oder Milena Kling.

Esters Apartment 2.0
Esters Apartment 2.0
Esters Apartment 2.0

Aber auch die 1500 Quadratmeter umgebaute Wohnfläche einer geschichtsträchtigen, noch unveröffentlichten Villa im Grunewald oder die kommunikativen Büros des Berliner Startups Relaxound gehören zu den aktuellen Projekten. "Wir sind keine KünstlerInnen. Unsere Projekte sind für eine Nutzung bestimmt und müssen funktionieren", beschreibt Ester Bruzkus ihr Selbstverständnis als Architektin. Und fügt hinzu: "Schönheit ist so wichtig und wird oft vergessen. Es lebt und arbeitet sich besser in einem Raum mit Materialkontrasten."

Den Schritt in die Selbständigkeit wagte Ester Bruzkus im Jahr 2002 direkt nach ihrem Studium an der Technischen Universität Berlin. Dabei stand es um die Auftragslage für ArchitektInnen in der deutschen Hauptstadt kurz nach der Jahrtausendwende nicht gerade rosig. "Viele KommilitonInnen gingen damals nach London oder Paris, um in renommierten Büros anzufangen", erinnert sich Ester Bruzkus. Sie hingegen arbeitete nach kurzen Episoden bei Massimiliano Fuksas in Paris und Zvi Hecker in Tel Aviv an eigenen Interiorprojekten, die das Nachwende-Berlin mitgestalten sollten. Ein Beispiel ist die Innenarchitektur des Amano Hotels mit der Amano Bar. "Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass in einer Hotelbar Einheimische und TouristInnen zusammen feiern", sagt Ester Bruzkus rückblickend. "Aber genau das tun sie seit Tag eins. Im Gegensatz zu den inoffiziellen Kellerclubs war das eine erwachsene Bar, die die Gegend total geprägt hat."

Amano Hotel

Die Entwicklung Berlins vom Schmuddelkind zur Weltstadt lässt sich an Ester Bruzkus’ Projekten ablesen. Vom eleganten Kino Delphi Lux über das preisgekrönte Generator Hostel an der Oranienburger Straße, bis hin zu den Restaurants von Sternekoch Tim Raue spiegelt sich in ihrer Arbeit die Veränderungen in der Hauptstadt wider. Doch auch in anderen deutschen Städten setzt sie Projekte um. Momentan hofft sie trotz der Insolvenz der Projektgesellschaft auf den Startschuss für die Bauarbeiten an einem Nobu Hotel im Hamburger Elbtower, das sie zusammen mit David Chipperfield Architekten geplant hat. Bauherren sind Hollywoodstar Robert de Niro und Spitzenkoch Nobu Matsuhisa. Ihr Konzept: ein Luxushotel mit exquisitem Restaurant.

Doch für Ester Bruzkus muss es nicht immer Pracht und Prunk sein. Kürzlich gestaltete sie ein Ibis Budget Hotel in Münster mit einfachen Mitteln – wie farbigen Wandverkleidungen, Teppichen mit Tigermuster und Sichtbetonsäulen. Was sie zudem interessieren würde, wären ästhetisch ansprechende Sozialbauten, am liebsten im Mix mit hochwertigen Eigentumswohnungen, eine Mischung, die es in Deutschland ihrer Meinung nach noch viel zu selten gibt. Auch Bürobauten aus den Neunzigern zu Wohnraum umzubauen, stellt sie sich spannend vor. "Wenn ich im Bestand baue, kriege ich Schmetterlinge im Bauch", sagt sie. "Es gibt so viele Alternativen zum Abriss."

Nobu
Nobu

Inspirationen finden Ester Bruzkus und Peter Greenberg auf ihren "Architektur-Nerd-Reisen". Zuletzt führte sie die Entdeckungslust nach Texas, unter anderem sah sie sich dort Donald Judds Wirkungsstätte Marfa an. "Seine Lagerhalle mit 100 Aluminiumboxen ist das Schönste, was ich je gesehen habe", sagt sie. 60.000 Fotos hat die Architektin auf dem Handy, unter anderem von ihrer Reise nach Indien vor fünf Jahren. Wenn sie heute nach Beispielen für Farb- und Materialkombinationen sucht, browst sie durch ihre Aufnahmen.

Ein Herzensprojekt abseits der kommerziellen Nutzung und ausnahmsweise ohne krachende Kontraste realisierte Ester Bruzkus 2023: Einen Tag lang ersetzte sie im Barcelona Pavillon von Mies van der Rohe und Lilly Reich, einem ihrer Lieblingsbauten, den schwarzen Original-Teppich durch eine verspiegelte Fläche und Boxen. Ein anderes Ausstellungsprojekt steht inzwischen in ihrem Büro. Nach dem Vorbild des Entwurfs "Wohnzimmer für berufstätiges Ehepaar" des Berliner Architekten Harry Rosenthal aus den 1920er Jahren hatte sie eine runde Sitznische mit dem auffälligen Muster gestaltet. Inzwischen dient das Exponat Ester Bruzkus und ihrem Team ganz praktisch als Meeting-Bereich.