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Ein "Haus für Kunst" aus Stampfbeton. Von den drei Neubauten, die Peter Zumthor für die Fondation Beyeler entworfen hat, ist dies der zentrale und größte.

Immer schon zu klein

Peter Zumthors Entwurf für die Erweiterung der Fondation Beyeler formuliert einen deutlichen Kontrast zu Renzo Pianos Museumsbau von 1997 – ein Kommentar.
von Florian Heilmeyer | 09.05.2017

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: dass Peter Zumthor der Architekt für die nächste Erweiterung der Fondation Beyeler bei Basel werden würde, das war bereits im September 2016 bekannt gegeben worden. Allerdings zierte sich die Stiftung damals noch, auch die Pläne zu veröffentlichen. Zunächst sollte Zumthor noch die Kritik der Bauherren und der prominenten Jury (u.a. Wiel Arets, Jean Nouvel, Annabelle Selldorf, Hans-Ulrich Obrist, Rolf Fehlbaum und Nicholas Serota) in seine Ideen aufnehmen, wie sich die Stiftung nun am Besten über den kleinen Bachtelenweg hinweg in den benachbarten und jüngst erworbenen Iselin-Weber-Park ausbreiten könnte.

Denn schon lange sind die Gebäude und der idyllische, historische Berower Park sowohl für die große und immer weiter wachsende Kunstsammlung der Stiftung als auch für den Besucherandrang zu klein. Allein die aktuelle Monet-Ausstellung zählte in den letzten dreieinhalb Monaten über 200.000 Besucher und Museumsdirektor Sam Keller stellte deshalb bei der Pressekonferenz zu den aktuellen Ausweitungsplänen fest, dass auch in den eigentlich als „Ruhezonen“ gedachten Parkbereichen meistens ein viel zu großer Betrieb herrsche.

Renzo Piano baute 1997 einen leichten Pavillon mit Glasdach und verglaster Stirnseite.

Tatsächlich war ja das historische Berower Gut, dass die Gründer der Stiftung Hildy und ernst Beyeler 1978 erworben hatten, im Grunde von Anfang an zu klein und zu beschaulich für ihre Zwecke. Schon das lang gestreckte Gebäude von Renzo Piano, das 1997 eröffnet werden konnte, quetschte sich ja recht mühsam in den nördlichen Teil des schmalen Grundstücks, um der alten Villa und dem Parkgelände im Süden genügend Luft zu lassen. Und genau darin liegen ja die größten Stärken von Pianos Entwurf: wie sein Gebäude aus dieser schwierigen Lage durch die vier sehr langen Wände aus rotem Porphyrstein und einem darüber schwebenden Glasdach eine enorme Leichtigkeit und Luftigkeit gewinnt, wie er mit den Ausblicken durch die verglasten Stirnwände Offenheit erzeugt und die Parklandschaft zum Teil des Kunsterlebnisses macht, und wie er letztlich in dem westlich vorgelagerten Wintergarten auch noch die benachbarten Felder, die gar nicht zum Grundstück gehören, zum Teil seines Gebäudes macht.

Blick von den benachbarten Feldern auf den Wintergarten an der Westseite des Piano-Gebäudes.

Aber dann musste das Museum quasi direkt nach der Eröffnung bereits erweitert werden, als dreimal so viel Besucher ins beschauliche Riehen an der deutsch-schweizer Grenze kamen wie erwartet. So verlängerte Piano seinen eigenen Entwurf bis 1999 um 12 Meter und damit war auf dem Grundstück das Maximum erreicht — denn die Maxime der Beyelers lautete ja explizit, dass ihr Museum einen harmonischen Einklang von Natur und Architektur demonstrieren sollte. Ein weiterer Anbau hätte den Park und eine Aufstockung Pianos pavillonleichtes Gebäudekonzept in Frage gestellt. Den Erfolg des Museums beeinträchtigten die beengten Räume gleichwohl nicht, die Fondation gilt heute nach den Besucherzahlen gemessen sogar als das beliebteste Museum der ganzen Schweiz.

Der Sprung über den Bachtelenweg

Dann konnte die Stiftung den südlich angrenzenden, bislang privaten Iselin-Weber-Park kaufen. Für dessen Gestaltung war interessanterweise mit Jean-François Caillat derselbe Landschaftsarchitekt zuständig gewesen wie für das Berower Gut; die Zusammenführung der beiden nur durch den kleinen Bachtelenweg getrennten Parks erschien also umso passender. Mit dieser Erweiterung wird die Parkfläche der Fondation verdoppelt und der Weber-Park erstmals öffentlich zugänglich. Für die gewünschten Neubauten warf diese Situation allerdings entscheidende Fragen auf: welche Bezüge sollten zwischen alten und neuen Gebäuden entstehen, welche zum Weber-Park und wie könnte man geschickt an das bisherige Stiftungsgelände anknüpfen? Wie könnte der Sprung über den Bachtelenweg gelingen?

Zumthor umfasst mit seinen Neubauten den Bachtelenweg: links der Veranstaltungspavillon, rechts das dreigeschossige Ausstellungsgebäude.

Für die architektonische Lösung dieser Fragen hatte die Stiftung über einhundert Architekturbüros angeschrieben, um dann elf Büros für einen so genannten „Studienauftrag“ einzuladen: Mit Sou Fujimoto, SANAA, Junya Ishigami, Christian Kerez, Smiljan Radic und Eduardo Souto de Moura waren einige Büros dabei, deren Vorschläge man nun gerne auch gesehen und öffentlich diskutiert hätte, aber die Stiftung entschied es (vorläufig?) anders. Im September 2016 wurde erst einmal nur bekannt gegeben, dass der Schweizer Pritzker-Preisträger Peter Zumthor für die Erweiterung ausgewählt wurde, dass dieser aber seine Pläne erst noch überarbeiten würde, bevor sie der Öffentlichkeit präsentiert würden. Erst am vergangenen Donnerstag, am 4. Mai 2017, wurden die Pläne nun bei einer sehr gut besuchten Pressekonferenz vorgestellt und von einem gut gelaunten Peter Zumthor ausführlich erläutert.

Die Bedeutung von Töchtern

So sprach Peter Zumthor ungewohnt offen davon, dass nach seiner ursprünglichen Idee alle neuen Räume jeweils in einem einzelnen Gebäude untergebracht werden sollten, dass ihm die Bauherren aber klar gemacht hätten, dass ein solches Volumen an dieser Stelle baurechtlich wohl kaum zu realisieren gewesen wäre. Seine Tochter hätte ihm dann geraten, den Entwurf grundsätzlich zu überdenken, denn alle seine Projekte seien doch durch die Reaktion auf Widerstände besser geworden. So reiht sein Entwurf nun drei Gebäude entlang des Bachtelenweges auf, ein dreigeschossiges Ausstellungshaus, einen Pavillon für Veranstaltungen und ein kleines Dienstgebäude für die Stiftung. Zusammen mit dem Restaurant auf der anderen Straßenseite werden sie einen kleinen Platz schaffen, der insbesondere von dem kleinen Pavillon "bespielt" wird.

Der Lageplan ist gekippt, Norden und damit auch der Piano-Bau liegen hier links, Zumthors drei Neubauten in der Mitte rechts.

Dieser kleine Pavillon spielt im Konzept die zentrale Rolle: Zumthor nimmt sich die historische Gartenmauer des Berower Guts als Rückwand und definiert mit einem leicht gewölbten Holzdach ein Auditorium für etwa 300 Gäste, das sich in Stufen absenkt. Die Glasfassade lässt sich mit Schiebe-Elementen unter einem großen Vordach zum Platz hin öffnen, sodass sich hier in warmen Sommernächten leicht schöne Veranstaltungen vorstellen lassen.
Sein Ausstellungsbau, den er selbst "Haus für Kunst" nennt, könnte hingegen als Kontrastprogramm zu diesem leichten Pavillon und auch zu Pianos nun 20 Jahre altem Museumsbau gelesen werden. Mit 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche bietet Zumthors Gebäude zwar nur knapp die Hälfte der Fläche des Piano-Baus, trotzdem wirkt der projektiert Neubau schon auf den Visualisierungen deutlich wuchtiger. Wo Piano in den 1990ern noch die Unsichtbarkeit zelebrierte — immerhin fällt sein Haus zur Straße hin tatsächlich kaum auf —, da erwarten 2017 wohl alle Kunstinstitutionen weltweit von ihren Neubau eine gewisse Fotogenität, die Formulierung einer "sichtbaren Adresse", die für Foto- und Filmaufnahmen eine wiedererkennbare Kulisse bietet.

Stampfbeton und 200 Jahre alte Bäume: Blick aus dem Park auf die Südseite des Ausstellungshauses.

Die weitgehend geschlossene Hülle lässt Zumthor aus einem Stampfbeton bauen, der eine lebendige, unregelmäßige und offenporige Oberfläche bilden und durch die Zuschläge etwa die Farbe von Jurakalk haben wird. Das kantig geschnittene Gebäude hat drei unregelmäßige Flügel, der Rundgang wird die Besucher in Schlaufen durch die Räume dieser drei Flügel und der drei Etagen führen. Immer wieder bieten dabei große Fenster Ausblicke auf die beiden Parks, aber anders als bei Piano werden diese Ausblicke eindeutig gerichtet und durch die Fenster gerahmt sein. Wo Piano die Natur als gleichberechtigten und durchaus unruhigen Teil ins Haus lässt, scheint Zumthor sie eher wie ein möglichst ruhiges Stilleben an die Wand hängen zu wollen.

Pianos Pavillon und Zumthors Monolith

Auch in seinen Erläuterungen beschreibt Zumthor sein Haus weitgehend als einen archaischen Klotz. Sein Entwurf solle „monolithisch“ wirken und wie „aus einem großen Block herausgemeisselt“ erscheinen. Im Inneren liegen „helle, kreidefarbene Säle“, deren hauptsächliche Lichtquelle tatsächlich die großen Seitenfenster sein sollen – abgehängte Lichtdecken wird es also nicht geben, der Bau bleibt massiv. Auch das wird wohl einen denkbar großen Kontrast zu den Piano-Räumen bieten, deren Wirkung sich ja insbesondere aus dem Effekt ihrer Lichtdecke speist. Und während Pianos Räume kaum eine erkennbare Hierarchie haben, gipfelt Zumthors Rundgang auf der dritten Etage in einem „großen Doppelsaal, dessen mächtiges Aussichtsfenster in die Kronen der Bäume vor der Nordwestfassade und durch ihr Ast- und Blätterwerk hindurch zum Tüllingerhügel hinüber blickt“ — nach Deutschland hinüber also, und man könnte auch sagen: zum Campus und zum Designmuseum eines bekannten Möbelherstellers in Weil am Rhein.

Ein Doppelsaal mit großem Fenster bildet den Höhepunkt beim Rundgang durch den Neubau.

Für den 1943 in Basel geborenen Zumthor ist dies ein immens wichtiges Projekt, wie er selbst sagt, denn nun baut er erstmals ein öffentliches Gebäude in seiner Heimatregion. Seinem eigenen Werk bleibt Zumthor mit diesem Entwurf weitgehend treu. Er liefert weiterhin verlässlich relativ ruhige, archaische und kantige Gebäude, in denen er mit wechselnden Materialien „gelassene Räume“ entwickelt, die, wie er es einmal selbst formulierte, „nichts von mir wollen“. Zu Pianos Museum hingegen formuliert er einen fast maximalen Widerspruch, zu dessen nach innen gerichteten, hell-neutralen Räumen, zu dessen niedriger, pavillonhafter Bescheidenheit, zu dessen Art, mit dem Licht und der umliegenden Parklandschaft umzugehen und sogar zu dessen Materialität. Hatte Piano seine roten Porphyrsteine noch großspurig-globalistisch aus Argentinien anreisen lassen, lässt Zumthor in deutlicher Anlehnung an tradierte, regionale Bauweisen Beton stampfen wie einst den Lehm und bietet auch im Inneren recht rohe, für ein privates Stiftungsmuseum geradezu spektakulär technikferne Innenräume mit hauptsächlich natürlichem Seitenlicht.

Nord-Süd-Schnitt durch das gesamte, künftige Gelände der Fondation Beyeler.

Werden die unterschiedlichen Gebäude miteinander und mit den beiden Parkgeländen einen produktiven Kontrast bilden? Soweit man das aus den bislang veröffentlichten Modellen, Plänen und Renderings überhaupt beurteilen kann: Ja. Die Stiftung wird ihre Sammlung künftig in sehr unterschiedlichen Gebäuden präsentieren können, die entsprechend ihrer grundverschiedenen, architektonischen Philosophien jeweils andere Stärken und Schwächen haben. Zunächst muss die Stiftung aber von den veranschlagten Baukosten in Höhe von etwa 100 Millionen Schweizer Franken noch gut die Hälfte auftreiben. Einen nicht geringen Anschub bei der Finanzierung erhofft sich die Stiftung von der Präsentation der Pläne. Vielleicht könnte die Baubewilligung dann noch 2018 erreicht und der Grundstein schon 2019 gelegt werden. Ob die Stiftung dann endlich ein adäquates Raumangebot haben wird? Und wenn es ihr wieder in kürzester Zeit zu eng sein sollte: Wohin könnte man dann den Zumthor um 12 Meter verlängern?

Alte Bäume, kühler Stampfbeton. So könnte die Zukunft im Iselin-Weber-Park aussehen.