top

JUNGE TALENTE
Praxisnah gestalten

Für seine Masterarbeit "Compostable Devices" forschte Eric Geißler nach alternativen Materialien für elektrische Kleingeräte: Sein Gehäuse für einen Haartrockner besteht so aus kompostierbaren Pilzmyzel. Welche Vorteile das hat, sagt er uns im Interview.
16.08.2024

Anna Moldenhauer: Vor deinen Studien des Industrie- und Produktdesigns stand eine Ausbildung als Uhrmacher, ein Handwerk, in dem sehr genaues Arbeiten mit filigranen Strukturen gefragt ist – wie beeinflusst diese Kombination der Ausbildung deine heutige Arbeitsweise?

Eric Geißler: Als Uhrmacher bin ich im Grunde ein Schlosser für das ganz Kleine. Ich kenne mich gut in Metallbearbeitung aus und zu der handwerklichen Ausbildung gehörte manchmal auch ein gestalterisch-erfinderisches Moment. Ich hatte Glück, dass es an der Bauhaus-Universität Weimar und an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle gut ausgestattete Werkstätten gibt, in diesen konnte ich direkt mit verschiedenen Materialien experimentieren. Einen Zeichenstift habe ich zu der Zeit daher eher selten in der Hand gehalten. Ab und an wurde mir von meinen bisherigen ArbeitgeberInnen ein Hang zur Perfektion unterstellt, da die Präzision manchmal etwas zu viel Zeit frisst – das kommt vielleicht auch davon, dass diese im Uhrmacherhandwerk essenziell ist.

Wurde in der Lehre deiner Ansicht nach ausreichend vermittelt, welche Schritte nach dem Abschluss wichtig sind?

Eric Geißler: In meinen Studien ging es meist mehr um das ideelle Konzept als um ästhetische Variantenbildung, wie sie vermutlich in klassischeren Industriedesign-Ausbildungen unterrichtet wird. Durch die Tätigkeit in den Werkstätten konnten wir allerdings ein gutes Gespür für Material- und Fertigungsmethoden entwickeln, das wird in Designbüros ebenfalls benötigt. Im Nachhinein bin ich sehr zufrieden mit den Lehrinhalten der Universitäten, an denen ich studiert habe. Für mich ist das Thema Selbstständigkeit allerdings eine extreme Herausforderung. Ich bin dann doch eher mehr der Produktentwickler und weniger der Unternehmer, diese Erkenntnis muss ich an der Stelle preisgeben. (lacht)

Wie hast du deine Forschung zum Thema kompostierbare Biomaterialien in elektrischen Kleingeräten gestartet?

Eric Geißler: In den zwei Jahren meines Studiums an der Burg Giebichenstein habe ich besonders viele Projekte bei Prof. Mareike Gast umgesetzt, die sich auf die Themen Material, Technologie und Nachhaltigkeit spezialisiert hat. In dem Zeitraum hatte ich die Gelegenheit im burginternen BioLab zu arbeiten, um mit der Hilfe von Mikroorganismen nachhaltige Zukünfte zu entwerfen. Elektroschrott ist einer der am schnellsten wachsenden Abfallströme und mein Ziel war es das Problem auf eine möglichst neue Weise anzugehen. Es gibt für das Recycling des Elektroschrotts bereits viele gute Strategien wie "Design for Repair" oder "Design for Disassembly", aber bei meinen Recherchen habe ich festgestellt, dass bei Elektrokleingeräten niemand mehr für das Recycling den Schraubendreher ansetzt, egal wie gut diese zur Demontage gestaltet wurden. Darüber hinaus landen leider auch viele noch funktionsfähige Geräte im Elektroschrott, die ihren BesitzerInnen vermutlich einfach zu dreckig geworden sind oder rein modisch nicht mehr gefallen. Daher habe ich nach einem neuen Konzept gesucht, das sich auf das Ende des Produktlebens konzentriert. Dabei geht es nicht nur, wie oft angenommen, um die Substitution von Kunststoffen, sondern vor allem um das bestmögliche Recycling der im Vergleich sehr wertvollen Metalle. Die gehen im derzeitigen Recyclingsystem durch das Phänomen "Metallsubstitution" in gewissen Mengen verloren.

Warum hast du dich für Biomaterialien entschieden?

Eric Geißler: Meine Idee war es, ein Gerät zu entwerfen, das sich durch einen Zerfallsprozess selbst zerlegt und bei dem am Ende alle elektrischen Komponenten sortenrein voneinander getrennt sind. Ich hatte anfangs auch an Papierpulpe gedacht, welche sich in einem Wasserbad auflösen und alle elektrischen Komponenten frei geben würde. Allerdings ist Papierpulpe ein Downzyklat von Papier, sprich für dieses musste dennoch ein Baum gefällt und verarbeitet werden. Der Reiz an den neuen Biomaterialien ist der extrem geringe ökologische Fußabdruck, wenn sie aus Rest- oder Abfallstoffen hergestellt werden können. Darüber hinaus ist Pilzmyzel ein natürlicher Flammhemmer, elektrisch isolierend und bis zu 250 Grad hitzebeständig, was es für die Verwendung in Elektrogeräten prädestiniert.

Und für die Herstellung des Papiers wird eine Menge Wasser benötigt.

Eric Geißler: Exakt. Sprich der ganze Prozess greift die Ressourcen an. Auch wenn dafür an anderer Stelle viel Energie verbraucht wird, so ist es doch richtig, dass mit zunehmender Digitalisierung zumindest die Herstellung von Print(-Papier)produkten zurückgeht und damit auch ein Ausgangsstoff für Pulpe weniger wird. Abfallstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft wird es vermutlich auch in einhundert Jahren noch geben. Daher habe ich für die Verarbeitung von mikrobiell hergestellten Biomaterialien recherchiert.

Hast du bereits testen können, wie lange der Zersetzungsprozess eines Gehäuses aus Pilzmyzel benötigen würde?

Eric Geißler: Der Fön soll bei Bedarf biologisch abbaubar sein, aber bis zu dem Zeitpunkt möglichst lange genutzt werden können. Pilzmyzel-Komposite werden ja schon im Verpackungswesen als kompostierbarer Styropor-Ersatz verwendet. Durch einen Pressvorgang konnte ich das gewachsene Material stark verfestigen, um es als Material für die Platine und die Gehäuseteile des Haartrockners zu verwenden. Ich teste eine Materialprobe seit einem dreiviertel Jahr in der Dachrinne meiner Wohnung, die hat bisher trotz der Witterung recht lange durchgehalten. Nur an den Stellen, die dauerhaft in der Nässe liegen, hat der Zersetzungsprozess begonnen. Eine Situation mit Spritzwasser im Badezimmer kann dem Pilzmyzel also nichts anhaben. Der nächste Schritt wäre der Versuch in einem Kompost, da beginnt die Zersetzung sicherlich schneller.

Bist du während der Konzeption bereits mit den Richtlinien in Berührung gekommen, die für die Markteinführung eines elektronischen Kleingerätes relevant sind?

Eric Geißler: Zu dem jetzigen Stand des Konzepts wäre eine Markteinführung noch nicht möglich. Daher ist "CompoDry" erst einmal als Inspiration gedacht und soll Aufmerksamkeit auf das Ressourcenproblem lenken, das durch den Elektromüll entsteht.

Wie erzeugst du das Pilzmyzel?

Eric Geißler: Es gibt Pilzsorten, die für die Materialschaffung sehr geeignet sind, wie Ganoderma Lucidum, der glänzende Lackporling. Der wächst zügig, was eine Kontamination erschwert, er ist quasi schneller als der Schimmel. Als "Futter" dienen Holz- oder Nahrungsmittelreste. An der Burg Giebichenstein hatte ich die Möglichkeit, die Pilzmaterialien im Biologielabor mit einer Sterilbank und entsprechenden Werkzeugen zu erzeugen.

Myzelkompositgehäuse
Myzelplatine

Deine Projekte aus dem Studium sind lösungsorientiert, seien es Erleichterungen für den Alltag, wie auch Systemveränderungen. Was reizt dich daran mehr als zum Beispiel am Entwurf von Möbeln?

Eric Geißler: Das hat viel mit der Aufgabenstellung in den Projekten zu tun. Als angehender Student habe ich in erster Linie Bücher von Charlotte und Peter Fiell zur Designgeschichte gelesen, die sich stark auf die Kreation von Möbeln wie Stühle beziehen - darauf hatte ich auch Lust. Daher war ich am Anfang irritiert aber im Nachhinein recht froh, als man uns im Bachelorstudium an der Bauhaus-Universität Weimar sagte: "Wir machen hier keine Stühle mehr, es gibt genügend. Wir kümmern uns unter anderem um Probleme von Randgruppen, die keine Lobby haben". Mir hat es sehr gefallen, mich während des Studiums mit Themen zu beschäftigen, die nicht unbedingt sofort eine kommerzielle Verwertung mit sich bringen. Diese Aufgabenstellungen sind nicht immer einfach zu lösen, ich habe dennoch versucht jeweils einen praxisnahen Entwurf zu entwickeln und ein überzeugendes Produkt zu bieten.

Woran arbeitest du gerade?

Eric Geißler: Ich bin derzeit als Industriedesigner bei einer Münchener Designagentur angestellt und entwickle vornehmlich Produkte für mittelständige Unternehmen.

Welche Entwicklung würdest du gerne in den nächsten Jahren in der Branche anstoßen?

Eric Geißler: Eventuell dem Idealismus geschuldet, den ich noch aus der Zeit an der Universität mitbringe: "Design to Cost" und Nachhaltigkeit schließen sich meiner Meinung nach nicht unbedingt aus. Die "Hidden Gems" unter den Designklassikern sind jene, bei denen nur so viel Material verwendet wurde, wie für den Verwendungszweck erforderlich ist und die auch ihrem Herstellungsverfahren angemessen gestaltet wurden. Natürlich müssen die Produkte auch verkäuflich sein und daher bis zu einem gewissen Grad dem Zeitgeist entsprechend modisch gestaltet sein. Dennoch würde ich mir etwas weniger "Üppigkeit" in der Ausgestaltung wünschen.