Nach dem Tod von Hannes Wettstein vor drei Jahren musste sich das Studio Hannes Wettstein neu formieren. Ein wichtiger Meilenstein wurde dabei mit der Publikation „Hannes Wettstein Seeking Archetypes" und der damit verbundenen, vor Kurzem gezeigten Ausstellung an der ETH Zürich gesetzt. Heute zählen achtzehn Mitarbeiter zur Firma. In der dreiköpfigen Geschäftsführung verantwortet Stephan Hürlemann den Bereich Architektur, Britta Herold übernimmt sukzessive die operative Geschäftsführung und der Bereich Design liegt in der Verantwortung von Simon Husslein – mit ihm traf sich Meret Ernst für ein Gespräch. Meret Ernst: Die Publikation „Hannes Wettstein Seeking Archetypes", wie auch die Ausstellung an der ETH Zürich, zeigen erstmals einen Überblick über das Werk von Hannes Wettstein. Wie sind Sie vorgegangen? Simon Husslein: Sie basieren auf einem intensiven Austausch, den Stephan Hürlemann und ich seit dem Tod von Hannes Wettstein führen. Dieser Dialog macht inzwischen das Herzstück des Studios Hannes Wettstein aus. Die Publikation, wie auch die Ausstellung, waren tatsächlich eine völlig andere Geschichte als die Präsentationen im Auftrag einer Firma, die ich bisher gemacht habe. Es galt, einen Überblick über das enorm reichhaltige Werk von Hannes Wettstein zu bieten. Anders ist sie aber auch für mich persönlich, weil sie zu einem grossen Teil mit meiner eigenen Biografie verknüpft ist. Wann sind Sie zu Hannes Wettstein gekommen? Husslein: Als Praktikant, im Jahr 1999. Hannes Wettstein erlebte ich als intensiv und charismatisch. Er pflegte dieses Lichtkegel-Prinzip: Wenn er sich jemandem zuwandte, war das, als sässe man im Kegel eines hellen Strahlers. Bevor Sie die Publikation und die Ausstellung konzipieren konnten, mussten Sie den Nachlass ordnen. Keine kleine Sache – fanden Sie Unterstützung von öffentlicher Seite? Husslein: Wir haben Gespräche mit dem Bundesamt für Kultur, mit Archiven und Stiftungen geführt – mit allen möglichen entscheidenden Personen. Doch hätten wir alle Beschlüsse abgewartet, um eine definitive Lösung für den Nachlass zu finden, hätte viel Zeit vergehen können. Deshalb nahmen wir die Sache selbst in die Hand. Wir stellten mit Barbara Meier eine Anglistin und Kunsthistorikerin ein, die zusammen mit einer Assistentin über fast zwei Jahre das Projekt inhaltlich mitgetragen, den Nachlass geordnet und die Quellen recherchiert hat. So, dass wir nun mit gutem Gewissen ein fundiertes Werkverzeichnis publizieren können. In welchem Zustand befand sich das Archiv, als Hannes Wettstein im Sommer 2008 starb? Husslein: Es galt viele Namen, Daten und Projekte zu recherchieren – Hannes hatte sich immer nach vorne orientiert, er verlor schnell das Interesse an dem, was erledigt war. Wir haben mit vielen seiner Weggefährten gesprochen und entdeckten Projekte, von denen wir kaum wussten. 347 Werke konnten wir schliesslich ins Verzeichnis aufnehmen. Inzwischen entdeckten wir drei, vier weitere Projekte, die auch infrage gekommen wären. Aber irgendwann war Redaktionsschluss... Existiert neben dem digitalen Archiv auch ein Objektarchiv? Husslein: Viele Produkte und Materialien, darunter viele hundert Skizzen, befinden sich im Studio. Sie sind Teil unseres Studioalltags wie etwa ein silberner „Capri Chair" – sie werden ständig verwendet. Um ein eigenes Objektarchiv aufzubauen, dazu reichen unsere Ressourcen nicht – neben der aktuellen Arbeit, die ja stets weiter läuft! Haben Sie Anfragen von bestehenden Sammlungen und Archiven erhalten, Teile des Nachlasses zu übernehmen? Husslein: Nein. Doch ich bin überzeugt, dass die Publikation und die Ausstellung Aufmerksamkeit wecken und zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Werk von Hannes Wettstein führt. Viele werden sich wohl erst jetzt über den Umfang, die Reichweite und den Stellenwert seiner Arbeit Klarheit verschaffen – selbst diejenigen, die bereits gut vertraut sind mit Hannes Wettsteins Werk. Was ist Ihnen in der Aufarbeitung des Werks besonders aufgefallen? Husslein: Es ist wirklich erstaunlich, wie konsequent Hannes über die dreissig Jahre seines Schaffens in seinen Aussagen geblieben ist. Dies ist uns aufgefallen, als wir seine Zitate gesammelt haben. Bleibt die Frage, wie Sie heute arbeiten – unter seinem Namen aber ohne die Person Hannes Wettstein? Husslein: Hannes versuchte die Dinge auf ihren Ursprung zurückzuführen, indem er sie von allem Drumherum isolierte. Er war stets auf der Suche nach dem Archetypus eines Objekts. Einen auf diese Weise freigelegten Kern bespielte er dann auf seine persönliche Art. Diese Methode haben wir übernommen. Die emotionalen Aspekte, mit denen er die Projekte aufgeladen hat, bringen wir nun auf unsere eigene Art und Weise ein. Hannes Wettstein Seeking Archetypes
Herausgegeben vom Studio Hannes Wettstein
Hardcover, 292 Seiten, deutsch
Lars Müller, Baden, 2011
58 Euro
www.lars-mueller-publishers.com
Er war stets auf der Suche nach dem Archetypus eines Objekts
17.11.2011
Simon Husslein, Foto: Studio Hannes Wettstein
Simon Husslein, Foto: Studio Hannes Wettstein
Ausstellung an der ETH Zürich, 2011, Foto: Beat Bühler
Für die Ausstellung wurden 347 Projekte recherchiert, Foto: Beat Bühler
Studio Hannes Wettstein für Horgenglarus am Designers Saturday in Langenthal, 2008, Foto: Cortis Sonderegger
„Sparc MGS" vom Studio Hannes Wettstein für Ventura, Foto: Ventura
„Apoluna" vom Studio Hannes Wettstein für Erik Jorgensen, Foto: Erik Jorgensen
„Stratos" vom Studio Hannes Wettstein für Maxdesign, Foto: Maxdesign
„Hannes Wettstein Seeking Archetypes", erschienen bei Lars Müller