Wer pfeift hier eigentlich auf wen? Pfeift gar der eine dem anderen was? Oder verfolgt und vertreibt der Drache das Vögelchen – mit scharfem, lautem, mythischem Pfiff? Vielleicht setzt das Vögelchen – ist’s gar eine Taube? – dem Drachen aber im Gegenzug auch gurrend mit Sanftmut zu? Auf der Verpackung, in der beide friedlich und vereint stecken, scheinen sich die zwei eher zu unterhalten. Gemeinsames Pfeifen gestaltet sich ja auch schwierig, gehören doch beide zu dem ebenso berühmten wie typisch postmodernen Wasserkessel, den der amerikanische Architekt und Designer Michael Graves im Jahr 1985 für Alessi entworfen hat, und der längst zu den Designklassikern zählt. Und zwei Pfeifen auf derselben Tülle, das geht eben nicht.
Dreißig Jahre gab es nur den kleinen dunkelroten Vogel, und der saß oben auf dem spitzen Ausguss des kegelförmigen Kessels 9093 und sang, sobald das Wasser kochte, sein hohes, schrilles Lied. Pünktlich zum Geburtstag hat Graves, der am 12. März diesen Jahres im Alter von 80 Jahren gestorben ist, als Alternative ein zweites Tier geschaffen. Statt des Vögelchens darf nun auch ein kleiner Fafnir über den Kochvorgang wachen, auch wenn es nicht jedes Mal eines Siegfrieds bedarf, um das siedende Wasser aus dem Kessel sprudeln zu lassen. Etwas merkwürdig bleibt, was dem Kessel in dieser Jubiläums-Ausführung den irreführenden Namen „Tea Rex“ eingetragen hat – die Saurierart, die hier anklingt, konnte ja gar nicht fliegen.
Ob der Drache nun auf Dauer den Vogel ersetzen, an seine Seite treten oder womöglich nur helfen soll, neue Märkte – in der chinesischen Kultur vereinen sich in ihm wohl Macht und Glück – zu erschließen, sei’s drum, auch er kann nichts als pfeifen. Wenn auch sein Pfiff im Vergleich mit dem Vögelchen etwas heiser klingt. Feuer speien, nein, das kann er nicht! (tw)