Sieben Architekten, selbstverständlich sämtlich international tätig, interpretieren einen Stuhl von Arne Jacobsen. So wird das heute gemacht und so hat man sich das bei Fritz Hansen ausgedacht. Genau genommen handelt es sich um Exemplare der berühmten, 1955 in der Nachfolge der dreibeinigen „Ameise“ entwickelten Serie 7, vor allem um den 3107. Nicht, dass es den Stuhl nicht bereits serienmäßig in vielen verschiedenen Ausführungen gäbe; nicht, dass Jacobsen seine Stühle nicht auch veränderten Gegebenheiten angepasst hätte. Das Prinzip aber bleibt stets dasselbe, es bleibt immer Arnes Stuhl. Und der ist längst ein Klassiker, der aus nur zwei Teilen besteht, einer in Form gepressten Schichtholzschale und einem Untergestell.
Die ganze Aktion ist zwar eher eine Petitesse und verweist auch nicht auf eine neue Profumo-Affäre. Gleichwohl lässt es sich nicht vermeiden, bei dieser Gelegenheit einzuflechten: Langsam aber sicher scheint das Gegenwartsdesign in die Phase des Regietheaters einzutreten. Man kennt das: Die Klassiker als solche werden nicht mehr für aktuell genug erachtet, oder der Andrang an der Theaterkasse hat schlicht nachgelassen, weshalb dringend eine Auffrischung ansteht. Nicht, dass das immer schlecht wäre. Aber Don Giovanni im Swingerclub oder Wallenstein in Afghanistan, auch das kann passieren bei Interpretationen, die einem genau jene Form verkrampfter Aktualität bescheren, auf die man gerne verzichtet hätte. Manchmal wird auch nach dem Prinzip verfahren, genau das mit dem Stück anzustellen, was der Autor nicht gewollt hat, die Regie führenden Interpreten aber für ultimativ aktuell halten.
Die Folgen sind bei einem Drama nicht viel anders als bei einem Stuhl: Der Interpret erhebt sich über den Autor. Was den Sieben, sämtlich Architekten, die in diesem Sinn eher gegen als mit Arne Jacobsen angetreten sind, so alles eingefallen ist, möchte ich gar nicht im Detail erörtern. Wir bilden es ab, Sie können sich selbst eine Meinung bilden.
Ich gebe allerdings zu, dass sich mir nicht alles erschlossen hat. Zwei Architekten, die beide Carlos heißen, lehnen ihren interpretierten Stuhl an einen vertikalen Garten an, wobei es mir ein Rätsel bleibt, ob es am Garten liegt, wenn es in dem erläuternden Text heißt: „Das Polster ruht erhöht, aber friedlich auf der Sitzschale.“ Dass Jun Igarashi Architects Erdbeben einkalkulieren, hat sicher mit ihrer Herkunft zu tun. Und während Neri&Hu zwei Stühle zu einem Doppel verbinden, das zwei Menschen recht unverrückbar aneinander bindet, lassen die sympathischen Interpreten von Snøhetta das Gestell gleich ganz zuhause und nehmen die entsprechend präparierte Sitzschale zwanglos mit nach draußen. Zaha Hadid denkt sodann über den Stuhl als „dynamischen und nahtlosen Ausdruck von Struktur und Stabilität“ nach, derweil Bjarke Ingels in der doppelten Stapelung von Schichtholz und Schale die Essenz erkennt und den Stapel selbst zur Ikone erhebt. Spontan zu unserem Liebling geworden ist aber das siebte Exemplar, das von Jean Nouvel. Denn nur Schwarz und Weiß, Yin und Yang, nicht aber Jean und Arne, „ergänzen sich gleichzeitig in einem femininen und maskulinen Flow“. So kämpfen also tapfere Sieben mit einem Stuhl und oft auch gegen Arne. Doch ach, sie stehen auf verlorenem Posten. Der Sieger stand schon fest. (tw)