NACHHALTIGKEIT
Die Macht der Wahl
Anna Moldenhauer: Worum geht es bei "Now or never 1kg CO2"?
Emma Olbers: Das übergeordnete Thema ist die Auswirkung unserer Möbel auf das Klima, wobei der Schwerpunkt auf den Materialien liegt. Jedes Material wird in einem Kilo Emissionen, CO2e, dargestellt, was es sehr einfach macht, die Unterschiede zu sehen und wie viel Material man tatsächlich für 1 Kilo CO2e, Kohlendioxidäquivalente (alle Treibhausgase), bekommt. Die Ausstellung wird zusammen mit der Design- und Innovationsagentur EY Doberman, die mich auch bei der Konzeption unterstützt hat, und Doconomy, die die Daten und Recherchen zur Verfügung gestellt haben, organisiert. Form us with Love, Polestar und Nrep sind ebenfalls beteiligt. Wir zeigen im Grunde den Weg des Materials bis zu dem Punkt, an dem ein Unternehmen es zur Weiterverarbeitung zu Möbeln kauft, von der Wiege bis zum Werkstor. Ich habe bereits 2016 eine ähnliche Ausstellung konzipiert, aber diese aktuelle Ausstellung ist viel detaillierter und ausdrucksstärker.
Gab es bei der Recherche welches Material welche klimatischen Auswirkungen hat eine Erkenntnis, die Sie überrascht hat?
Emma Olbers: Der Unterschied zwischen Leder und Birke zum Beispiel hat mich überrascht: Wenn man für einen Stuhlsitz Birkenholz statt Leder verwendet und die Materialien das gleiche Gewicht haben, kann man theoretisch den CO2-Ausstoß um das 300-fache reduzieren.
„Wenn man für einen Stuhlsitz Birkenholz statt Leder verwendet und die Materialien das gleiche Gewicht haben, kann man theoretisch den CO2-Ausstoß um das 300-fache reduzieren.“
Die Möbelbranche versucht seit einiger Zeit, sich neu zu positionieren, präsentiert biologische Materialalternativen, Konzepte für das Recycling. Parallel sind die Messen bemüht, nachhaltiger zu werden. Sind wir auf dem richtigen Weg?
Emma Olbers: Wir sind zu langsam. Wir müssen unsere Treibhausgase bis 2030 um 50 Prozent reduzieren, wenn wir das Pariser Abkommen einhalten wollen. Dazu müssen wir auch unsere Sichtweise ändern, weniger produzieren und verbrauchen.
Glauben Sie, dass es einen Mentalitätswandel braucht?
Emma Olbers: Ich denke, dass eine Verhaltensänderung notwendig ist, wir brauchen einen stärkeren Willen, etwas zu ändern. Aber natürlich sind auch die richtigen Entscheidungen der Politiker erforderlich, und es muss ein Rahmen geschaffen werden, der den Wandel fördert. Für viele Unternehmen ist es immer noch teurer, nachhaltig zu produzieren, als den Weg des Business as usual zu wählen. Die finanziellen Anreize müssen den grünen Wandel besser unterstützen.
Sie arbeiten selbst als Designerin und Kreativdirektorin. Wie schwer ist es für Sie, nachhaltig zu arbeiten?
Emma Olbers: Heute habe ich das Glück, dass die Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, in der Regel direkt nach nachhaltigen Möbeln fragen, wenn wir eine Zusammenarbeit beginnen, problematisch wird es wenn das Produkt einen viel höheren Preis hat oder eine längere Produktionszeit benötigt. Ich denke, die Form sollte den planetarischen Grenzen folgen, und diese Denkweise kann natürlich viele Diskussionen auslösen. Zum Beispiel, wenn man die Ästhetik von Leder schätzt, denn dieses Material hat dennoch eine sehr hohe Klimabelastung.
Sie haben bereits mit zahlreichen Unternehmen zusammengearbeitet, von großen Konzernen bis hin zu kleinen Möbelherstellern. Wie kann ich mir Ihren Ansatz vorstellen, um die Prozesse zu optimieren?
Emma Olbers: Bei meiner Arbeit versuche ich, die planetarischen Grenzen im Auge zu behalten. Ich versuche, Produkte zu schaffen, die sowohl aus ökologischer wie funktionaler Sicht effizient sind. Die Optik ist nicht immer die erste Priorität. Während des Entwurfsprozesses versuche ich, die Kriterien für das jeweilige Produkt zu umreißen. Kann ich zum Beispiel die Größe oder das Gewicht reduzieren oder ein umweltfreundliches Material für dieses Produkt finden? Wie lässt sich das Produkt warten und recyceln? Es ist auch wichtig, dass die EndkundInnen das Produkt wirklich mögen, so dass sie es über einen langen Zeitraum hinweg behalten.
Sehen Sie einen Unterschied in der Herangehensweise der schwedischen Möbelindustrie im Vergleich zum Rest von Europa?
Emma Olbers: Bisher habe ich hauptsächlich mit skandinavischen und französischen Unternehmen zusammengearbeitet. Ich finde es jedoch wichtig, regelmäßig auf die Bedeutung dieser Themen hinzuweisen, zum Beispiel wenn ich mit DesignerInnen und Unternehmen zusammenkomme. Die Verwendung von recyceltem Material, von Materialien mit geringer Auswirkung auf das Klima, die Reduktion des Materials generell und die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen machen einen großen Unterschied in der CO2-Bilanz. Meiner Meinung nach können wir nicht länger warten und müssen jetzt damit beginnen, unsere Sichtweise bei der Gestaltung und Herstellung von Möbeln zu ändern.
Now or Never – 1kg CO2e
7. bis 11 Februar 2023
Stockholm Furniture Fair
Stockholmsmässan, Mässvägen 1, 12580 Stockholm
Halle C